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„Geh immer nach dem Licht”
ОглавлениеDiese Überschrift habe ich als Buchtitel gewählt. Es ist zugleich der Titel eines Ölgemäldes, welches von mir in einem fast tranceähnlichen Zustand 1996 gemalt wurde.
Einige Male kommen mehrere Schicksalsschläge auf einmal zusammen: Separation nach langer Ehe mit drei Kindern und Ehemann sofort neue Frau. Vor dem „Mal-Zeitpunkt“ hatte ich den Zug von Dänemark genommen, um in Köln einige dringende Formalien neben der Haushaltung zu regeln. Meine drei Kinder blieben bei meinem Vater. Nach der Ankunft in meinem Haus bekam ich die Nachricht, daß mein Vater im Krankenhaus mit Sauerstoffmaske lag, hingebracht von meinem 15-jährigen Sohn.
Es war mit meinem fast Exmann vorher vereinbart, daß er dort die Kinder abholen sollte. Trotz striktem Verbot von sowohl mir als auch meiner Tochter, brachte er seine neue Liebhaberin mit hinein in das Haus meines Vaters. Gedemütigt und in meiner Verzweiflung nicht wissend, ob mein Vater überleben würde, bis ich zurückkommen konnte, trank ich in dieser Nacht etliche Campari.
Weinte und spürte, daß ich nun nichts mehr aushalten konnte. In diesem aufgebenden und zunehmend betrunkenen Zustand, ging ich aus unerklärlichem Grund oder vielleicht auch nicht, hinunter in mein Atelier und malte mit groben Pinselstrichen auf eine große Leinwand; schnell und ohne zu überlegen. Das Einzige was ich im Kopf hatte, war der Gedanke, daß ich Wasser malen wollte. Diese Absicht hatte ich auf einem Stück Papier notiert, mit der Anmerkung, daß Wasser die tiefsten, unbewußten Gefühle symbolisiert.
Falls man auf der Kippe steht und deswegen zuviel trinkt, ist es gut, wenn man sich etwas Süßes aussucht. Das hatte zur Folge, daß ich mich später übergeben mußte und danach in tiefen Schlaf fiel.
Am nächsten Tag beeilte ich mich, ein Ticket für die Heimreise nach Dänemark für den darauf folgenden Tag zu bestellen und ansonsten meine Anliegen in Form von Rechnungsbegleichungen, Garten und Scheidungspapiere zu regeln.
Spät am Tag gelang ich in mein Atelier und schaute voller Verwunderung auf die Leinwand. Völlig anders gemalt, als es sonst mein Stil war. Voll im Stress dachte ich bloß:„Das kann ich später immer noch übermalen.“ Erst nach meiner Rückkehr aus Dänemark einige Wochen später, als ich das Gemälde wieder vor mir hatte, gab es ein Zucken in meinem Körper. Im selben Moment erkannte ich das „Bild“.
Als ungefähr 9-jähriges Mädchen hatten wir den üblichen Sommerurlaubsbesuch von unseren lieben deutschen Verwandten. Mein Vater hatte dem Onkel erzählt, daß ich nicht schwimmen konnte, wonach der versicherte, daß er mir das schnell beibringen würde.
Ich weiß nicht, ob allen Lesern bekannt ist, welche Gefahr beim Baden in der Nordsee besteht? Auf jeden Fall zog mich der Onkel mit hinaus in die Brandung ohne die geringste Schutzhilfe in Form von aufblasbaren Schwimmflügeln oder einem Badering. Er ließ mich los, war nicht mehr greifbar für mich und ich ging mehrmals unter und schluckte Wasser. Ich kämpfte wie ein Hund. Die Brandung und der Sog unter Wasser waren aber so stark, daß mein damals kleiner Körper wiederholt unter Wasser herumgewirbelt wurde. Zu einer Seite konnte ich Licht sehen. Ich versuchte es seitlich zu erreichen und es gelang. Ohne eine helfende Hand schaffte ich es, schwimmend wie ein Hund, an Land zu kommen und hörte dann:„Sieh, du hast es geschafft und jetzt wiederholen wir es noch einmal.“ Schockiert lief ich, so schnell ich konnte davon und versteckte mich in den Dünen, wo ich sowohl aus Angst und Kälte am ganzen Körper zitterte; da blieb ich, bis ich sehen konnte, daß sie für die Heimfahrt zusammenpackten.
Diese Rettung:„Das Licht zeigte mir den Weg“ hatte ich verdrängt, bis ich wieder Demütigung, Schock und Angst viele Jahre später ausgesetzt wurde, wie vorhin erzählt. Dieses Ölgemälde habe ich als Künstler nie ausgestellt. Über viele Jahre hinweg habe ich gedacht, es wäre nur für mich gemalt worden. Verglichen mit meinen anderen Erlebnissen die letzten Jahre sehe ich aber, wie wichtig diese Botschaft ist:
„Geh immer nach dem Licht“
Auch wenn es sich nicht da befindet, wo man es vermutet. In meinem Fall war es nicht logisch nach oben, sondern seitwärts.
Zur Abrundung dieses starken Erlebnisberichtes möchte ich nur hinzufügen, daß ich nicht bei dieser Gelegenheit schwimmen lernte, sondern drei Jahre später, als meine liebe Mathematik- und Sportlehrerin sich die Zeit nahm, mich und Andere im Schwimmbad herumzutragen. Sie erklärte mir den Rhythmus zwischen Armen und Beinen. Tausend Dank an Dich!