Читать книгу Geh immer nach dem Licht - Ruth Lindemann Möller - Страница 8

Tod und Geburt

Оглавление

Jetzt bereit zum Springen? Wir werden einen gewaltigen Zeitsprung bis ins Jahr 1987 machen. Ganz genau bis zum 12. April.

Frühstück steht auf dem Tisch, ich hochschwanger, kurz vor dem Geburtstermin, sitze und berichte von einem schlimmen Alptraum, den ich in der späten Nacht hatte. Mein damaliger Ehemann, die Kinder als auch meine Mutter, die gekommen ist, um auf die zwei ältesten Kinder aufzupassen, wenn ich gebäre, sitzen alle und hören meinem Traumbericht zu:

„Die Wehen hatten eingesetzt und ich hatte Probleme, eine Zugverbindung zu finden, die mich zu dem bestimmten Krankenhaus bringen sollte, wo die Geburt stattfinden sollte. Ich war ganz alleine unterwegs und endlich in einem Zug, der jetzt am fahren war. Dann zu meinem Entsetzen stellte sich heraus, daß der Zug in entgegengesetzte Richtung fuhr und ich mich weiter und weiter weg vom Krankenhaus entfernte.“

Dann endlich wachte ich aus diesem schrecklichen Traum auf. Ich fühlte mich nicht gut gelaunt und spürte, daß es ein Warnungstraum war. Deswegen mußte ich den anderen von dem Traum erzählen. Hatte kaum meinen Bericht beendet, klingelte das Telefon und mein geliebter Schwiegervater erzählte, daß meine Schwiegermutter, die am Tag zuvor ins Krankenhaus gekommen war, jetzt ins Koma gefallen war und den Grund dafür noch nicht wüßte.

Nicht gut. Etwas später fuhr mein Mann mit mir ins Krankenhaus. Die gepackte Tasche hatte ich mit. Wurde untersucht und die Wehen hatten mich schon einige Zentimeter geöffnet. Ich wurde wieder nach Hause geschickt und sollte dort abwarten, bis ich mich mehr geöffnet hatte.

Bei unserer Heimkehr bekamen wir Bescheid, daß Kirsten, meine arme Schwiegermutter, ohne zu Bewußtsein gelangt zu sein, gestorben war. Ohne zu wissen, daß es Leukämie, Blutkrebs von der schlimmsten Sorte, war.

Mein Schwiegervater ist ein sensibler und liebevoller Mensch, den ich sehr liebe. Da mein Exmann Einzelkind war, sagte ich großzügig, daß er sofort mit beiden Kindern zu seinem Vater nach Dänemark fahren sollte. Unsere Tochter sollte bei seinem Vater bleiben und er mit unserem Sohn nach einem Tag dort zurückkommen, nachdem er seinem Vater beigestanden hatte, die Beerdigung zu organisieren.

Zuhause, alleine im Haus mit meiner Mama, hatte ich mich hingelegt. Versuchte mich zu entspannen und wollte partout nicht erlauben, daß die Geburt sich weiter entwickelte.

Aber egal was ich versuchte, um die Wehen zu unterdrücken, mußte ich um Mitternacht herum einsehen, daß es jetzt höchste Zeit war, das Krankenhaus zu erreichen.

Meine Mutter lehnte es ab, mich zu fahren und mir beizustehen, was für mich sehr hart war. Ich bestellte ein Taxi und stellte mich nach zehn vereinbarten Minuten hinaus auf die Straße. Da stand ich mit Wehen und wartete noch zwanzig Minuten. Mußte wieder herein und nochmal anrufen. Welch ein Alptraum. Überlegte, ob ich besser in mein Bett gehe und da mein Kind alleine zur Welt bringe.

Nach zusätzlichen zehn Minuten kam endlich mein Taxi und wir kamen am Krankenhaus an. Eine sehr nette, aber gerade neu angestellte Hebamme untersuchte mich. Daraufhin wurde ich nach unten geschickt, um in der Vorhalle herumzulaufen bis die Wehen in noch kürzeren Abständen kamen. Erst nach zwei Stunden sollte ich mich wieder auf der Station melden.

Alleine, ganz alleine, zwei volle Stunden, wo ich nur einen Arzt schnell passieren sah. Es war Nacht. Um halbdrei rief ich meine Mutter von einem Münztelefon an und flehte sie an, ein Taxi zu bestellen und zu mir zu kommen. Niemand schaute nach mir. Aber meine Mutter sagte, daß sie keine Hilfe für mich sein könnte. Hier war ich im Gange mein Kind zu dieser Welt zu bringen, die meine Schwiegermutter an fast demselben Tag verlassen hatte. Mein Ehemann konnte jetzt nicht, wie geplant, bei der Geburt sein, und meine Mutter wollte nicht da sein, um mich zu unterstützen. Hilfe! Das war unerträglich. Versuchte mich in den Griff zu kriegen, um mit dem Weinen aufzuhören. Es ist so wichtig bei den Wehen, sich auf einen ruhigen Atem zu konzentrieren. In der Vorhalle fand ich einige Broschüren. Erinnere mich, daß diese christlichen Inhalt hatten oder sogar von den Zeugen Jehovas stammten. Ich ging auf und ab und las langsam und laut vor mich selbst hin, konzentriert auf jeden Buchstaben, nur unterbrochen durch Wehen. Nach zwei Stunden hatte ich Angst, die Treppe nach oben nicht zu schaffen. Nicht so toll, starke Wehen auf einer Treppe zu haben.

Die Geburt war extra hart; hat sich in die Länge gezogen, wahrscheinlich wegen Einwirkung der „Cerclage“, Muttermunddurchbohrung und -zuschnürung und wegen dem zusätzlichen Schock aufgrund des Todesfalls. Zu einem Zeitpunkt war ich dabei, in Ohnmacht zu fallen und die Hebamme klopfte meine Wangen und wurde unruhig, als mein Blutdruck absackte. Meine Kräfte wurden knapp nach zwei Tagen mit Wehen.

Endlich war ich so weit geöffnet, daß die Hebamme meinte, daß es jetzt bald mit den Presswehen losgehen würde. Sie machte sich bereit für die Geburt und wurde dann herausgeholt von der Chefhebamme, die umgehend übernehmen wollte wegen dem Schichtwechsel. Ein neuer Schock. Die Wehen waren jetzt so heftig und folgten so dicht nacheinander, daß ich nicht mehr sprechen konnte. Meine sonst so nette Hebamme kam nur kurz zurück, um sich zu meiner Sorge zu verabschieden. Daß sie das in Ordnung fand, glaube ich nicht! Wir hatten uns beide darauf eingestellt, daß wir zusammen mein Kind zur Welt bringen. Danach ging auch die übernehmende Hebamme hinaus.

Ganz alleine lag ich da, und die Wehen gingen in Presswehen über und ich mußte pressen. Dann kam nach ein paar Wehen diese übergeordnete Hebamme wieder herein, über die ich seit Wochen vor der Geburt gesagt hatte, daß falls sie Dienst hätte, ich nach Hause fahren und mein Kind selber gebären würde. Jetzt war ich außer Stande, etwas dagegen zu unternehmen. Das ist Gewalt an der Seele.

Sie sprang hoch auf das Geburtsbett und fing an, sich über meine Geburtsposition zu beschweren. Wie ekelhaft. Sie hätte mich lieber unterstützen sollen, indem sie vielleicht einen Arm hinter meinen Rücken gehalten hätte. Das hier war meine dritte Geburt, und ich war nicht mehr unerfahren.

Direkt nach der Geburt von meiner Tochter und dem Mutterkuchen wurde ich sofort auf die Knie kommandiert, um selbst mein Kind zu baden. Ich schüttelte am ganzen Körper und hatte Angst, mein Kind nicht halten zu können. Aber kein Pardon. Danach rief sie noch eine ganz junge Praktikantin, die Babykleider herauslegen und mich dann sofort ins Bad begleiten sollte, während die Hebamme mein Baby ankleidete.

Stark blutend stand ich auf unsicheren Beinen unter der Dusche und mußte erleben, daß diese unmögliche Hebamme schreiend mit meinem Baby in den Armen in die Türöffnung herauskam und die junge Praktikantin beschimpfte, daß sie vergessen hatte ein Bekleidungsstück herauszulegen.

Weinend kam sie zurück ins Bad und setzte sich auf den Hocker. Ich mußte sie trösten und mich danach zu meinem Baby beeilen. Es war mir so zuwider, daß diese eiskalte Frau mein Baby in den Armen hielt. Möchte hier kurz erwähnen, daß ein Nabelbruch und ein zusätzlicher Bruch zu einer späteren Operation von meiner damals sieben Monate alten Tochter führte.

Mir ging es nicht gut, war glücklich um meine wunderschöne Tochter, aber zum selben Zeitpunkt unglücklich wegen des Todesfalles und dann diesen Geburtsumständen dazu. Am nächsten Tag kam eine Physiotherapeutin, um mit mir ein paar Übungen zu machen und sie merkte als Einzige, daß mir nicht wohl zumute war und stellte Fragen. Sie bat mich eindringlich, über diese Hebamme offiziel zu klagen, da sie auch andere unglückliche Fälle mit dieser Hebamme erlebt hatte. Tat ich später.

Trotz Warnung vom Arzt verließ ich wegen der Beerdigung das Krankenhaus am dritten Tag, um zu Hause ein bißchen für die Abfahrt nach Dänemark zu packen.

Es lag mir sehr am Herzen Kirsten, meine Schwiegermutter, zum letzten Mal zu sehen. Wegen des Babys kamen wir spät an, und ich ging alleine mit dem Baby fest an die Brust gebunden in einen Seitenraum der Kapelle zu dem noch geöffneten Sarg. Zeigte ihr meine neugeborene Tochter und sagte ihr, daß sie es diesmal richtig geschafft hatte, meine Geburt zu stören. Meine erste Geburt hatte sie auch so stark beeinflußt, daß ich auch Probleme hatte, das richtige Krankenhaus zu erreichen. Ich nahm auch Abschied für all das Gute, was sie für mich getan hatte. Es war sehr ergreifend, ehrlich und gefühlvoll. Sie hatte sich mit mir auf dieses Enkelkind gefreut und sogar Kleider gestrickt. Mein Mann mußte mich zuletzt herausholen, damit die Zeremonie anfangen konnte.

Das wurde eine längere Beschreibung, als es meine Absicht war. Führe ich den Stift oder umgekehrt? Ist es notwendig für das Buch, darüber zu berichten? Ich weiß es nicht, es wird sich zeigen.

Geh immer nach dem Licht

Подняться наверх