Читать книгу Strafrecht Besonderer Teil II - Sabine Tofahrn - Страница 45
b) Enteignungsvorsatz
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Hinweis
Die Enteignung grenzt den Diebstahl von der grds. straflosen Gebrauchsanmaßung (furtum usus) ab. Eine Ausnahme stellt § 248b dar, dessen Strafandrohung aber nur bei 3 Jahren liegt.
Bei der Enteignung will der Täter die Sache oder den Sachwert der Verfügungsgewalt des Berechtigten entziehen. Ausreichend ist hierbei dolus eventualis, Absicht im eigentlichen Sinne wird nicht verlangt. Allerdings muss die Enteignung im Gegensatz zur Aneignung dauerhaft gewollt sein.[66] Insbesondere bei Kraftfahrzeugen kann das im Hinblick auf § 248b dann problematisch werden, wenn der Täter das Fahrzeug nach dem Gebrauch irgendwo abstellt. Diebstahl statt Gebrauchsanmaßung wird dann angenommen, wenn der Täter das Fahrzeug wahllos preisgibt und es letztlich dem Zufall überlässt, ob und wenn ja wann und wie der Eigentümer es zurückerhält.[67]
Beispiel
A, B und C haben sich zusammengeschlossen, um dauerhaft Frachtcontainer um ihren Inhalt zu erleichtern. Am Tattag entwenden sie einen leeren Auflieger, den sie an ihre Zugmaschine hängen, um die erbeuteten Paletten mit Duschgel transportieren zu können. Später stellen sie den Auflieger, den sie mit einem zuvor ebenfalls gestohlenen Kennzeichen versehen haben, in Hamburg ab, wo er erst elf Monate später wiedergefunden werden wird.
Hier hat der BGH[68] bezüglich des Aufliegers die Zueignungsabsicht bejaht. Dass der Auflieger elf Monate später wieder aufgefunden wurde, steht nach Auffassung des BGH der Annahme von Zueignungsabsicht nicht entgegen, da dem Umstand, dass der Auflieger in einer anderen Stadt mit einem falschen Kennzeichen abstellt wurde, wo er dem Zugriff Dritter preisgegeben war, darauf deuten lässt, dass es A, B und C letztlich egal war, ob der bisherige Eigentümer sein Eigentum zurück erlangen wird.
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Problematisch ist häufig die Abgrenzung zwischen strafloser Gebrauchsanmaßung und strafbarem Diebstahl, und zwar – wie bereits erwähnt – zumeist dann, wenn der Täter die Sachsubstanz an den Eigentümer zurückgeben will. Einen auf dauerhafte Enteignung gerichteten Vorsatz kann man in diesen Fällen nur bejahen, wenn der Täter dem Eigentümer den Sachwert entziehen wollte.
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In den bereits dargestellten Sparbuchfällen liegt aufgrund der Legitimationswirkung gem. § 808 BGB der Sachwert in dem Wert des Sparguthabens. Lässt der Täter sich also dieses Guthaben auszahlen, so hat er den bisherigen Eigentümer bezüglich dieses Sachwertes dauerhaft enteignen wollen.
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Kein Diebstahl liegt vor, wenn der Täter eine EC-Karte wegnimmt, um sie nach Gebrauch am Geldautomaten wieder zurückzulegen, da eine EC-Karte nicht die rechtlichen Wirkungen eines Sparbuchs hat und dementsprechend auch nicht das Guthaben des Kontos verkörpert. Die EC-Karte wird lediglich als Automatenschlüssel angesehen.[69] Bezüglich der EC-Karte kann die Zueignungsabsicht also nur auf die Sachsubstanz gerichtet sein. Nimmt der Täter also die Karte weg, um sie nach dem Gebrauch wegzuwerfen, kann eine Zueignungsabsicht bejaht werden.
Zudem sollten Sie über einen nachfolgenden Diebstahl am Geld, welches der Automat ausspuckt, nachdenken. Streitig ist hier schon, ob nicht bei ordnungsgemäßer Bedienung des Automaten eine Übereignung der Geldscheine gem. § 929 BGB stattfinde, die schon zur Verneinung der Fremdheit führen würde. Sofern man die Übereignung ablehnt, weil man annimmt, dass sie unter der Bedingung der Auszahlung an den Berechtigten steht, stellt sich die weitere Frage, ob ein Gewahrsamsbruch gegen den Willen des Automatenaufstellers angenommen werden kann, was der BGH verneint mit der Folge, dass insoweit eine Strafbarkeit gem. § 246 übrig bleibt.[70] Darüber hinaus kommt natürlich auch eine Strafbarkeit gem. § 263a in Betracht.
Anders verhält es sich wiederum bei Telefon- oder Geld- oder Sparkarten, auf denen ein Guthaben gespeichert ist, welches der Täter zu nutzen beabsichtigt. Diese verkörpern als Sachwert das Guthaben, so dass der Enteignungsvorsatz und damit der Diebstahl auch dann bejaht werden kann, wenn der Täter bei der Wegnahme die Rückgabe der Karte beabsichtigt.[71]
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Umstritten ist, wie restriktiv der Sachwert zu bestimmen ist. Überwiegend wird lediglich auf den der Sache unmittelbar innewohnenden Wert (lucrum ex re), teilweise auf den aus einem bestimmten Umgang mit der Sache entspringenden wirtschaftlichen Wert (lucrum ex negotio cum re) abgestellt.[72] Die letztgenannte Auffassung hat zwar den Vorteil, dass sie Strafbarkeitslücken zu schließen vermag. Ihr wird jedoch entgegengehalten, dass sie die Enteignung über den Wortlaut hinaus unzulässig ausdehnt und die Konturen zwischen Zueignungs- und Bereicherungsdelikten verwischt.
Hinweis
Bedenken Sie, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Gebrauchsanmaßung mit Ausnahme von § 248b straflos sein soll. Eine Ausdehnung des Zueignungsbegriffs läuft mithin immer Gefahr, eine unzulässige Analogie zu werden.
Beispiel
In dem sog. Dienstmützenfall[73] hatte ein Soldat der Bundeswehr seine „eigene“ Mütze, die ihm die Bundeswehr für die Dienstzeit zur Verfügung gestellt hatte, verloren. Er entwendete eine Mütze seines Kameraden und gab diese nach Ableisten des Wehrdienstes als „seine“ Mütze zurück, um Schadenersatzansprüchen zu entgehen.
Teilweise wurde die Zueignungsabsicht unter Hinweis auf die Sachwerttheorie bejaht, da die Tilgungsmöglichkeit und die Abwehrmöglichkeit des Schadenersatzanspruches als Wert der Sache angesehen wurden.[74] Der BGH hat einen engeren Sachwertbegriff zugrunde gelegt und die Zueignungsabsicht verneint.[75] Darüber hinaus ist auch fraglich, ob sich der Täter als Eigentümer gerierte, als er die dem Bund gehörende Mütze zurückgab.[76]
Das Verhalten des Täters stellt in diesem Fall vielmehr einen Betrug dar. Der Täter hat über den Umstand getäuscht, dass es sich um „seine“ Mütze handelte. Er hat damit einen entsprechenden Irrtum erregt, der dazu führte, dass die Bundeswehr die ihr zustehenden Schadenersatzansprüche nicht geltend machte. Dieses Unterlassen stellt eine Vermögensverfügung dar, die zu einem Vermögensschaden führte. Um die ersparten Ausgaben für die Befriedigung des Schadenersatzanspruches wollte sich der Täter auch bereichern, so dass unproblematisch Bereicherungsabsicht und nicht Zueignungsabsicht vorliegt. Diese Differenzierung ist mit der engen Sachwerttheorie möglich.
Beispiel
A entwendet in einer Fachbuchhandlung ein Strafrechtslehrbuch, um es, nachdem er die für ihn wichtigen Seiten daraus kopiert hat, wieder in das Regal zurückzustellen.
Das OLG Celle[77] hat in einem vergleichbaren Fall die Zueignungsabsicht bejaht. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Täter dem Eigentümer den „Neuwert – Preis“ als Sachwert entziehen wollte. Hier kann entgegengehalten werden, dass auch im Laden zur Ansicht bereitgestellte Bücher zum normalen „Neuwert“-Preis verkauft werden. Außerdem erscheint es unbillig, diesen Täter zu bestrafen, wohingegen ein Täter, der sich das Buch im Antiquariat „ausleiht“ eine straflose Gebrauchsanmaßung begeht.
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In diesem Zusammenhang ist des Weiteren umstritten, ob auch der Täter einen Diebstahl begeht, der die Sache dem Eigentümer als seine, dem Täter gehörende, zurückverkaufen möchte.
Beispiel
A entwendet dem Edelsteinhändler E einen wertvollen Rubin, um ihn danach an diesen wieder als „ihm gehörend“ zurück zu verkaufen.
Bei der Rückveräußerung an den Eigentümer bejahen zu einem großen Teil auch die Vertreter des engen Sachwertbegriffes den Enteignungsvorsatz.[78] Begründet wird dies damit, dass die entwendete Sache ja gerade unter Leugnung der Rechte des Eigentümers diesem zurückgegeben wird. Das Angebot, ihm die Sache gegen Entgelt zu „übereignen“, setze notwendig die vorherige Zueignung der Sache und damit auch Verdrängung des Eigentümers aus seiner Position voraus. Der Eigentümer werde jedenfalls hinsichtlich dieses Veräußerungswertes enteignet.[79]
Anders bewerten die Vertreter der engen Sachwerttheorie hingegen folgende Fälle:
Beispiel
A entwendet ein zur Auslieferung bereitgestelltes Warenpaket, um es dem Adressaten als „Bote“ zu überbringen und dabei den Kaufpreis zu kassieren. Nach der engen Sachwerttheorie liegt Betrug und nicht Diebstahl vor, da das Paket nun gerade nicht unter Leugnung der Eigentümerstellung weggenommen wird.[80]
Gleiches gilt für die Finderlohnfälle, in denen z.B. jemand einen entlaufenden Hund, den der Nachbar bereits gefunden und auf seinem Grundstück eingesperrt hat, um ihn abends dem Eigentümer zurück zu bringen, mitnimmt und sich dann gegenüber dem Eigentümer als „Finder“ geriert, um den Finderlohn zu bekommen. Auch hier wird die Eigentümerstellung nicht geleugnet, so dass nach der engen Sachwerttheorie keine Zueignungsabsicht angenommen werden kann.
JURIQ-Klausurtipp
Für die Abgrenzung können Sie sich merken, dass eine straflose Gebrauchsanmaßung immer dann vorliegt, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Wegnahme den Vorsatz hat, die Sache nebst Sachwert an den Eigentümer zurückzugeben und zwar ohne Identitätswechsel, ohne wesentliche Wertminderung und ohne Eigentumsleugnung, so dass der ursprünglich Berechtigte die Verfügungsgewalt wieder ausüben kann.[81]
Bei den umstrittenen Fällen ist es in der Klausur vor allem wichtig, das Problem zu erkennen und zu benennen. Ob Sie dann der engen oder weiten Sachwerttheorie folgen, ist zweitrangig. Sollten Sie die Zueignungsabsicht verneinen, denken Sie daran, dass dann Betrug in Frage kommen kann.