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Antikörper: Polizisten im Einsatz

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Auch in Pflanzen und Tieren sind Antigene zu finden. Sobald diese Nahrungsmittel-Antigene den Körper erreichen, beginnt er mit einer Immunreaktion. Bereits im Kindesalter wird der Körper vielen Antigenen ausgesetzt. Dabei lernt er, wer Freund oder Feind ist. Ein gut ausgebautes Immunsystem ist das natürliche Ziel dieser Entwicklung. Es soll stark und gesund bleiben. Doch in der letzten Lebensphase baut der Körper wieder ab – die Abwehrkräfte lassen nach. Wünschenswert wäre es daher, auch in fortschreitendem Alter die Abwehrkräfte zu erhalten.


Das Abwehrsystem unseres Körpers funktioniert so: Antikörper (Immunglobuline) besitzen bis zu zehn Bindungsstellen für Antigene. Sie sind aufgebaut wie ein Schmuckstück in Y-Form und bestehen aus Polypeptiden – einem Zusammenschluss von zwei leichten und einer schweren langen Perlenkette aus Aminosäuren. Je nachdem wie sich die Perlen in einer Kette anordnen, bekommen die Peptidketten verschiedene Funktionen und Eigenschaften. Die Ketten, aus denen Antikörper gestrickt sind, bestehen aus bis zu 440 Aminosäureresten. Durch Schwefelbrücken werden diese Einzelteile zusammen gehalten. Die Schwefelbrücken fädeln sich wie eine Anglerschnur durch die einzelnen Perlen und geben ihnen ihre einzigartig vollendete Form. Das passende Gen sorgt hier für die richtige Ordnung – dieser Code ist in jedem Körper individuell festgelegt.

Fertig gebildete Antikörper schwirren durch den Blutkreislauf wie funkelnde Diamanten. Sie sind so klein, dass sie über die feinsten Blutkapillaren in alle Körpergewebe gelangen können. Schlägt der Körper nun Alarm, weil ein Fremdkörper eindringt, steigt der Immunglobulin-Wert rasch an. Die Antikörper lassen ihre Maske fallen und werden zum kampfbereiten Polizisten: Wie ein Superkleber verbinden sich Antikörper mit fremden Antigenen. Eine Kette von Abwehrreaktionen wird ausgelöst. Allein durch das Besetzen des fremden Parasiten kann dieser bereits unschädlich gemacht werden. Den Immunglobulinen ist das in der Regel nicht genug. Der Fremdkörper bekommt eine Marke aufgeklebt. Durch diese Markierung werden kleine Fresszellen (Makrophagen) angelockt. Sie verschlucken den kompletten Erreger und können ihn dadurch unschädlich machen. Danach kommt die Aufräumtruppe und befördert die Zellklumpen inklusive Makrophagen aus dem Körper heraus. Immunglobuline können sich auch an Giftstoffe heften, die mit der Nahrung aufgenommen oder durch Bakterien im Körper abgesondert werden. Giftstoffe werden dadurch komplett ummantelt. Danach werden sie transportfähig gemacht, bevor sie einen Schaden anrichten können. Antikörper sind also das Produkt einer Immunreaktion und ständig in Alarmbereitschaft.

Unter den Antikörpern gibt es Spezialtruppen, die individuell ausgebildet sind. Sie sind vollkommen unterschiedlich zusammengesetzt und durch ihren Aufbau nur für spezielle Zwecke einsetzbar: Immunglobuline G (IgG), A (IgA), M (IgM), D (IgD) und E (IgE). Den größten Anteil mit 75 Prozent machen die IgG aus, welche auch dauerhaft im Einsatz gegen Bakterien und Viren sind. Kommt der gleiche Erreger nach ein paar Tagen oder Wochen wieder in den Körper, schießt dieser eine große Menge IgG ins Blut, um eine erneute Erkrankung zu verhindern. Die IgG-Polizisten sind so clever, dass sie sogar während einer Schwangerschaft durch die Plazenta dringen und den ungeborenen Fötus schützen können. Dieser Schutz hält bis zu drei Monate nach der Geburt an.

IMMUNGLOBULINE G verteilen sich auf weitere vier Spezialeinheiten – die sogenannten Subklassen. IgG1 ist am häufigsten vertreten und der wichtigste Gegner von Viren. Auch IgG2 kommen oft vor. Es kümmert sich um Bakterien wie zum Beispiel Streptokokken. IgG3 wird im Körper in geringer Anzahl gebildet. Es kümmert sich wie IgG1 um die virale Abwehr. Auch IgG4 ist in geringen Mengen nachweisbar. Dieses ist ein allergen-spezifisches Antigen, welches unter einer Hyposensibilisierung gebildet wird zum Beispiel bei Kontakt mit Bienengift.

IMMUNGLOBULIN A (IgA) lauert an der Oberfläche von Schleimhäuten auf den Feind. Weitere IgA-Truppen befinden sich auf den Schleimhäuten im Darm, im Rachen und in der Nase. Es macht etwa 17 Prozent aus und kann Krankheitskeime und Allergene direkt vor Ort eliminieren, ohne dass wir von diesem Kampf etwas mitbekommen. Zu einer Immunreaktion kommt es jedoch, wenn die Erreger stärker oder in der Überzahl sind. IgA wird über die Muttermilch auf den Säugling übertragen – eine sinnvolle Einrichtung der Natur.

IMMUNGLOBULIN M (IgM) ist die Rakete unter den Antikörpern. IgM agieren schnell – sie reagieren sofort bei Eindringen eines Erregers in den Körper und schlagen die Alarmglocken. Wie Aufklärer einer Truppe arbeiten IgM mit IgG Hand in Hand. Deswegen werden IgM auch als Frühantikörper bezeichnet. Bei dem Erstkontakt mit einem Erreger steigt die Konzentration von IgM rasch an, bei einem Zweitkontakt bleibt sie gering. So halten sich IgM und IgG normalerweise die Waage.

IMMUNGLOBULIN D (IgD) ist das seltenste aller Antikörper. Viel ist über IgD nicht bekannt. IgD ist scheu und zeigt sich nicht gerne. Dafür arbeitet es vermutlich im Untergrund als verdeckter Ermittler. IgD sitzt auf der Oberfläche von B-Lymphozyten und schwirrt mit letzteren durch den Blutkreislauf. Die B-Lymphozyten wiederum gehören zu den weißen Blutkörperchen, die sich um die Abwehr der Krankheitserreger kümmern, indem sie die Immunglobuline produzieren. Die Vermutung liegt nahe, dass IgD den Zustand sichtet und Meldung an die Lymphozyten abgibt, damit diese gezielt Immunglobuline produzieren können.

IMMUNGLOBULIN E (IgE) ist die letzte Antikörper-Spezialeinheit. IgE kümmert sich nur um die VIPs unter den Feinden: Insbesondere um Allergien und die Abwehr von Wurminfektionen. Produziert wird IgE im Lymphgewebe, das in der Nähe der Atemwege und des Verdauungstraktes liegt. Von dort gelangt IgE in das Blut. Immunglobulin E spielt bei 90 Prozent aller allergischen Reaktionen eine Rolle, ist aber nur in sehr geringen Mengen nachweisbar. Es bewirkt eine Veränderung in der Zelle, wenn Allergene mit der Haut und den Schleimhäuten in Verbindung kommen. Dadurch werden verschiedene biochemische Stoffe wie Histamin ausgeschüttet und eine Entzündungsreaktion hervorgerufen.


Der Blutgruppen-Code

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