Читать книгу Alles Alltag - Sascha Wittmann - Страница 16
ОглавлениеZurichtung
Mit ein bisschen Planung und Selbstdisziplin lässt sich ganz einfach ein ruhiges und angenehmes Leben führen. Überraschungen werden minimiert, und man schafft sich Freiräume für sich selbst. Die wichtigsten Voraussetzungen dafür sind ein geregeltes Leben und Unauffälligkeit.
Der richtige Auftritt ist von immenser Bedeutung. Zuerst einmal ist die Kleidung sorgfältig zu wählen: Im Business-Kostüm ist man beim Punk-Konzert fehl am Platz, ebenso mit Jeans bei einer Opernpremiere. Für das Büro empfiehlt sich ein Kostüm in einer ruhigen Farbe: Grau, Beige, eventuell ein gedecktes Grün. Der Rock nicht kürzer als eine Hand breit über dem Knie. Dazu neutrale Strümpfe, eine einfarbige oder dezent gemusterte Bluse, ein glattes Shirt geht auch. Der Ausschnitt sollte auf keinen Fall zu tief sein. Pumps sind nie falsch, Schwarz passt fast immer, im Sommer können auch hellere Farben gewählt werden.
Und auch beim Styling gilt: Weniger ist mehr. Das Make-up sollte zum Hautton passen, die Augen leicht mit zur Augenfarbe und Kleidung passendem Lidschatten betonen. Kajal auf dem oberen Lid tuts auch. Nicht zu viel Wimperntusche, die Wimpern dürfen nie verkleben. Dezenter Lippenstift. Auf keinen Fall fleckiges Rouge.
Das Haar trägt man am besten halblang, bis zum Kinn, höchstens bis zur Schulter. So schaut man gepflegt aus, auch wenn man einmal längere Zeit keinen Friseurtermin hat. Außerdem kann man die Frisur variieren. Für das Büro wird das Haar zu einem Knoten aufgesteckt. Bei dieser Länge kann man es auch offen tragen, wenn es nicht bei der Arbeit stört. Bewährt hat es sich, das Haar einfach im Nacken mit einer dezenten Spange zusammenzuhalten. Keinesfalls auffälligen Haarschmuck, keine Bänder oder Reifen.
Mit Schmuck sollte man in jedem Fall vorsichtig sein. Kleine Ohrstecker, eine unauffällige Uhr, vielleicht eine zarte Halskette.
Auch der Körper selbst ist nicht unwichtig. Jedes Zuviel oder Zuwenig sollte vermieden werden. Das bedeutet: schlank, aber nicht dünn. Dicke Menschen fallen auf, extrem dünne ebenso. Das kann unangenehme Fragen nach dem Wohlbefinden hervorrufen, oft sogar Tipps von wohlmeinenden Mitmenschen nach sich ziehen. Je nach Statur sollte man eine Konfektionsgröße von sechsunddreißig bis höchstens vierzig anstreben. Beim Essen also ein bisschen aufpassen, ein wenig Sport. Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass man keine Muskelpakete aufbaut.
Unzulänglichkeiten können ganz gut mit der passenden Kleidung kaschiert werden. Zu kurze Beine wirken durch leichte Absätze länger, ein breites Becken kann man mit der richtigen Jackenlänge verbergen, bei einem zu großen Busen wirkt ein Sport-BH Wunder.
Das Verlassen der Wohnung will wohl überlegt sein. Es empfiehlt sich, die Angewohnheiten der Nachbarn unauffällig zu beobachten. Wer geht wann aus dem Haus? Wer plaudert gerne? Wer tratscht gerne über andere? Wer nimmt den Lift, und wer geht zu Fuß? So kann man unangenehmen Begegnungen schon im Vorfeld aus dem Weg gehen.
Natürlich lässt es sich nicht immer so einrichten, dass man alleine am Gang ist. Mitbewohner könnten unregelmäßige Arbeitszeiten haben. Jemand verbringt einen freien Tag zu Hause. Einer verschläft und verlässt später als sonst die Wohnung. Für solche Situationen heißt es gerüstet sein. Ein knappes aber freundliches »Guten Morgen« ist auf keinen Fall falsch. Der Gesichtsausdruck sollte signalisieren, dass man etwas zu tun hat, jede Anbahnung eines Gesprächs im Keim ersticken.
Die Situation auf der Straße ist einfach. Die meisten Menschen hetzen ohnehin irgendeinem Ziel entgegen, ohne viel auf die anderen zu achten. Man wählt eine gerade, nicht zu aufrechte Haltung, zu sehr eingesunkene Schultern fallen auf, zu aufrechter Gang signalisiert Aggression. Der Blick ist ins Unbestimmte gerichtet, keinesfalls suchend. Es gibt immer wieder Menschen, die sich bemüßigt fühlen, anderen zu helfen.
Im öffentlichen Verkehrsmittel wählt man einen Einzelplatz. Ist keiner frei, setzt man sich neben eine unauffällige Person oder bleibt stehen. Ein Sitzplatz hat den Vorteil, dass man die Tageszeitung lesen kann. Das unterbindet jeden Kommunikationsversuch. Schon ein Magazin oder ein Buch könnte Aufmerksamkeit hervorrufen.
Für die Firma gilt Ähnliches wie für den Hausgang: Erst beobachten, dann die Strategie wählen. Kann man den Arbeitsbeginn selbst wählen, sollte man möglichst zeitig am Platz sein, wenn noch wenige Kollegen anwesend sind. So muss man bei Eintreffen der anderen nur zurückgrüßen, nicht selbst aktiv werden. Fragen nach dem zeitigen Arbeitsbeginn begegnet man am besten mit Allgemeinplätzen. Man möchte nach der Arbeit noch etwas vom Tag haben, hat sich bewährt. Schon nach kurzer Zeit fragt niemand mehr nach. Den Tag über sollte man immer beschäftigt wirken. Der Bildschirm schützt vor neugierigen Blicken.
Die Arbeitsleistung sollte konstant durchschnittlich sein. Abweichungen könnten zu Belobigungen oder Kritik führen, fallen auf jeden Fall auf.
Die Teeküche betritt man nur alleine und nur, um sich schnell etwas zu holen. Hier macht es sich bezahlt, dass man die Gewohnheiten der Kolleginnen und Kollegen beobachtet hat.
Eine Hürde ist die Mittagspause. Beginnt man schon früh mit der Arbeit, kann man die Pause zeitig ansetzen. Das fällt nicht weiter auf. Gibt es eine Kantine, nimmt man die Zeitung mit. Sonst verbringt man die Pause besser außerhalb des Büros. Man holt sich einen Imbiss und geht ein bisschen spazieren. Bei Nachfrage sagt man, dass man Bewegung an der frischen Luft brauche.
Verlässt man die Firma früher als die anderen, kommt man nicht in die Verlegenheit, einen gemeinsamen Kaffeehausbesuch oder ein Bier nach der Arbeit ablehnen zu müssen.
Für den täglichen Bedarf kauft man am Heimweg im Supermarkt ein. Hier beschränkt sich die menschliche Interaktion auf das Bezahlen an der Kasse.
Am Abend zu Hause kann man sich ruhig etwas gehen lassen: ein warmes Bad, ein bisschen fernsehen, ein Buch.
Bei Gebrauch des Internets ist darauf zu achten, so wenig persönliche Spuren wie möglich zu hinterlassen. In Foren und bei Chats hält man sein Profil neutral. Keine ausgefallenen Hobbys und Interessen angeben, nichts über die Arbeit. Wichtig: Kein Foto, auf dem man eindeutig erkennbar ist!
Was den Alkoholkonsum anbelangt, ist man vorsichtig. Gegen ein Gläschen Wein oder ein Bier ist nichts einzuwenden, jedoch sollte man es bei dem einen belassen. Augenringe lassen sich zwar wegschminken, ein schwerer Kopf kann aber die Reaktionsfähigkeit und damit den Tagesablauf negativ beeinflussen.
Hat man die Arbeitswoche gut hinter sich gebracht, ist es Zeit für das Ausgehen am Freitagabend. Nach der Arbeit sollte man eine Stunde Schlaf einplanen, damit man länger frisch bleibt.
Für den Abend wählt man eine Bar, in der man niveauvolle Menschen trifft. Die Location sollte öfter gewechselt werden, damit kein Stammlokal-Effekt entstehen kann. Neueröffnungen sind immer interessant. Musik ist wichtig. Die Lautstärke sollte Gespräche zwar zulassen, allzu intensive Diskussionen aber unterbinden.
Das Styling wird der Situation entsprechend gewählt. Schwarze Hosen passen immer. Dazu kann das Top ruhig weiter ausgeschnitten sein. Sehr gut wirkt auch ein eng anliegendes, hochgeschlossenes Shirt. Ein Push-up-BH betont die richtigen Stellen. Aber Achtung: Wieder gedeckte Farben wählen. Die Kleidung soll das Aussehen unterstreichen, nicht im Vordergrund stehen.
Die Schuhe sollten Absätze haben. Trotzdem achtet man darauf, sicher gehen zu können. Nichts wirkt lächerlicher als ein ungeschickter Watschelgang in High Heels. Lieber zu Hause etwas üben.
Der Schmuck kann nun ausgefallener sein; er soll die Vorzüge unterstreichen. Große Ohrringe sind ein Hingucker.
Auch beim Make-up ist jetzt etwas mehr erlaubt, schließlich soll das Gesicht im dämmrigen Licht nicht zerfließen. Rote Lippen sind ein Muss. Je nach Typ kann man dunkleres oder helleres Rot wählen, auf keinen Fall Brauntöne oder naturfarbene Lippen.
Ist man mit einem Mann aus einem Chat verabredet, kommt man etwas später als ausgemacht und achtet auf das Erkennungszeichen. Sollte er völlig indiskutabel sein, gibt man sich einfach nicht zu erkennen und setzt sich an die Bar. Ist der Mann interessant, setzt man sich mit ihm in eine Nische.
Ist man ohne Verabredung unterwegs, bleibt man an der Bar. Wichtig: Nur mit Männern Blickkontakt halten, die einem wirklich gefallen. Sich Feuer geben zu lassen, ist immer noch eine sichere Methode. Man kann sich auch beim Aufheben hinuntergefallener Gegenstände, etwa einer Serviette oder eines Bierdeckels, helfen lassen.
Die Auswahl des Getränks ist sehr wichtig. Bier ist zwar neutral, macht aber müde und wirkt ein bisschen vulgär. Bei Mixgetränken ist auf den hohen Zuckergehalt zu achten. Er schadet nicht nur der Figur, sondern macht auch schnell beschwipst. Prosecco ist immer eine gute Wahl. Er hebt die Stimmung, ist leicht und wirkt edel.
Im Gespräch ist darauf zu achten, möglichst wenig über sich selbst zu erzählen. Keine Details zu Beruf oder sonstigen Aktivitäten. Zuhören und an den richtigen Stellen nicken oder lächeln.
Man nimmt niemals einen Mann zu sich nach Hause. Aus einer fremden Wohnung kann man jederzeit verschwinden. Jemanden loszuwerden, ist schon wesentlich schwieriger. Eine Freundin oder Schwester, die vorübergehend die Wohnung blockiert, ist immer ein guter Grund.
Man bleibt auch niemals zum Frühstück. Vorbereitungen für einen Verwandtenbesuch sind plausibel.
Dem Wunsch nach einer sofortigen Verabredung zu einem Wiedersehen begegnet man mit unaufschiebbaren Terminen in der nächsten Zeit. Eine vorgeschützte Geschäftsreise ist riskant. Die Stadt ist zwar groß, aber es ist doch nicht ausgeschlossen, dass man einander unbeabsichtigt trifft und peinliche Fragen beantworten muss.
Man lässt sich seine Telefonnummer geben. Lässt es sich nicht vermeiden, die eigene Telefonnummer anzugeben, ist es besonders wichtig, keine Visitenkarten dabei zu haben. Man schreibt eine Nummer auf einen Zettel oder den Rand einer Zeitung. Falls man jemals darauf angesprochen wird, dass man unter der angegebenen Nummer nicht erreichbar war, kann man sich darauf ausreden, sich in der Aufregung verschrieben zu haben.
Vor acht Uhr ist man wieder zu Hause.
Hält man sich an diese Anweisungen, ist eine ruhige Woche garantiert. Man hat nun das restliche Wochenende zur freien Verfügung, kann tun, worauf immer man Lust hat, ohne von sozialen Verpflichtungen gestört zu werden.
Nur eines kann diese Planung über den Haufen werfen, alle Sorgfalt und Mühe zunichte machen. Deshalb muss man eine Regel unbedingt einhalten:
Man darf sich niemals verlieben!