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Messer

Es hätte nicht sein müssen. Man hätte dem Problem auch mit anderen Mitteln beikommen können. Schließlich existiert genug Literatur darüber. Im Fernsehen geben mehr oder weniger berufene Experten Tipps: Psychologen, Pädagogen, Ernährungsberaterinnen, Prominente …

Nur – was nützen diese Ratschläge, wenn es schon nach achtzehn Uhr ist, man gerade den Einkaufskorb in der Küche abgestellt hat und die Kinder noch im letzten Moment daran hindern konnte, in dreckigen Schuhen und tropfenden Mänteln ins Wohnzimmer zu laufen, um sofort den Fernsehapparat einzuschalten?

Ein Messer ist ein sehr effizientes Werkzeug. Natürlich wurde es nicht sofort eingesetzt.

Zuerst waren da noch die täglichen, wie immer sinnlosen Versuche, erzieherisch auf zwei Gerade-noch-nicht-Teenager einzuwirken. Erst die Mäntel aufhängen, Schuhe aus- und Hausschuhe anziehen, die Schultaschen in das jeweilige Zimmer tragen, auspacken, Bücher und Hefte für den nächsten Tag einräumen, Turnsachen herrichten. Aber welche Chance hat man schon gegen »Mein cooler Onkel Charlie«?

Die Frage nach dem Abendessen versucht man mit der Aussicht auf Nachtisch mitten in der Woche diplomatisch zu umschiffen. Das Interesse der beiden an kulinarischen Fragen ist ohnehin endenwollend. Die Fixierung auf das Fernsehprogramm gibt wenigstens Gelegenheit dazu, in der Küche konzentriert und unbeobachtet werken zu können. Der Bub kommt auf der Suche nach Knabbereien herein, rümpft die Nase, als er sieht, dass Erdäpfel gekocht werden. Nein, heute keine Pommes frites, etwas Neues ausprobieren.

Wenn schon einmal alle vier zugleich zum Nachtmahl zu Hause sind, man nicht endlos in der Firma aufgehalten worden ist, weil ein Projekt noch unbedingt abgeschlossen werden musste, sodass man ausnahmsweise Zeit zum Einkaufen am Markt und Kochen hat, der Mann sich nicht abends mit Geschäftsfreunden trifft und die Kinder weder Theatervorführung noch Fußballtraining oder Elternabend in der Schule haben, gibt es sicher kein Junkfood.

Der Erzeuger der Brut kommt heim, wird schon im Vorzimmer überfallen. Aufgeregte Diskussion statt Begrüßung. Der Lärm verlagert sich ins Wohnzimmer. Ruhe kehrt ein. Der Mann schaut in die Küche, bekommt leuchtende Augen. Kuss. Zurück im Nebenraum Getuschel, einzelne, lautstarke Proteste, abwechselnd von Mädchen und Bub. Ein resigniert schauender Mann kommt in die Küche. So wird das nichts mit einem schönen, ausnahmsweise stilvollen Abendessen. Die Pommes werden aus dem Tiefkühlfach gefischt, auf ein Backblech geschüttet.

Der Mann berichtet an der Front über den Fortschritt der Dinge. Doch dieser Kompromiss ist noch nicht genug. Kein Knoblauch, Olivenöl sei unnötig, Mangold sicher nur ein weiterer Versuch, ihnen Spinat schmackhaft zu machen. Es sei völlig unnötig, dass Mama für Essen so viel Geld ausgebe und den halben Abend in der Küche verbringe. Lautstark wird nach Ketchup verlangt.

Der Mann regt an, um des lieben Friedens willen doch für die Kinder ein Ersatzprogramm … Man hätte doch sicher noch … Nein, man hat nicht.

Das große Messer wird aus dem Block gezogen. Ja, es ist frisch geschliffen, wird das Fleisch teilen wie Butter, die Haut sauber abziehen. Und dann saust es nieder.

Doraden-Fischstäbchen. Dafür müsste die Strafe mindestens so hoch wie für Mord angesetzt werden.

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