Читать книгу Eishockey - Sebastian Böhm - Страница 16
Drei herausragende Checker
ОглавлениеDarius Kasparaitis: Mit 40 kauft man sich eine Harley Davidson, wechselt vom Spinning- in den Pilates-Kurs oder man spielt weiter Eishockey. So wie Darius Kasparaitis. Sein Team trug den perfekten Namen: Hockey Punks. Denn genau das war der Verteidiger zu seiner großen Zeit, ein Punk auf dem Eis. Dazu brauchte er keinen Iro, keine gefärbten Haare, sein Spiel war unangepasst, nonkonform.
Kasparaitis war klein für einen Abwehrspieler in den 1990er-Jahren. Er spielte für ein Land, dessen Eishockey für vieles bekannt war, aber nicht für eisenharte Bodychecker. Und er stammte aus einem Land, von dem allenfalls Nordamerikaner gehört hatten, deren Vorfahren zufällig von dort eingewandert waren. Und am Ende seiner Karriere spielte Kasparaitis genau dort noch einmal: in Litauen.
Bekannt aber wurde er erst in den Nachwuchsmannschaften des sowjetischen Eishockeys und dann in New York und Pittsburgh, indem er ein Klischee widerlegte. Sowjets waren nicht weich. Später bestätigten das viele weitere Russen, Weißrussen und Letten, Alexander Ovechkin zum Beispiel, oder Vladimir Konstantinov, dessen Karriere durch einen grauenvollen Autounfall viel zu früh beendet wurde.
Kasparaitis aber war der Erste, der ein nach Blut und Brutalität lechzendes Publikum aus den Sitzen riss. Kasparaitis war keine 1,80 Meter groß, die vermeintliche Schwäche aber machte er zu seiner Stärke, tauchte unter seinen Gegnern hindurch und hebelte sie aus. Der Hüftcheck schien ausgestorben zu sein, zu schnell war das Spiel geworden. Kasparaitis aber belebte diese alte Form und im Erfolgsfall spektakuläre Form wieder. Sein Timing war perfekt, ebenso seine Technik und seine Balance. Kasparaitis musste nicht abheben, er musste keinen Anlauf nehmen oder seine Ellbogen einsetzen. Er war einfach nur mutiger als seine Gegner.
Niklas Kronwall: Wenn in der „Joe“ wieder einer in die Wand gerannt ist, wussten die Fans sofort Trost zu spenden. „You got kronwalled“, riefen sie, eher hämisch als mitfühlend, während sich auf dem Eis ein Spieler der Gegner neu sortierte – wenn er Glück hatte. Die Kunst Pavel Datsyuks, die Dynamik Henrik Zetterbergs, die Akrobatik Dominik Hašeks und die Tradition der „Joe“, der Joe Louis Arena, das waren die Detroit Red Wings nach der Jahrtausendwende. Und die Checks von Niklas Kronwall, einem ungemein freundlichen Schweden, der auf dem Eis unfreundlich gemein werden konnte.
Dabei wirkte seine Arbeit gar nicht so aggressiv wie bei vergleichbaren Spielern, Kronwall erhob das Checken zu einer Kunstform, wenn er sich seinen Opfern im Mitteldrittel rückwärtsfahrend näherte, darauf wartete, dass sie den Puck annahmen und sie dann an seinem offensichtlich aus schweren Klinkersteinen gemauerten Körper zerschellen ließ. Das Letzte, was seine Gegner sahen, war Kronwalls Nummer: 55. Sein Revier machte Kronwall einzigartig. Er brauchte keine Bande, an der er seine Gegner zerquetschen konnte, Kronwall jagte im offenen Eis.
Und: Seine Checks waren brutal, aber den Regeln nach waren sie sauber. Kronwall war ein anständiger und ehrlicher Spieler, seine Strafzeitenbilanz stand in einem bizarren Missverhältnis zu dem Schaden, den er anrichtete. In der Lounge des Triple Gold Clubs, zu dem nur Spieler Zutritt haben, die sowohl eine olympische Goldmedaille und einen Weltmeistertitel als auch einen Stanley Cup gewonnen haben, werden immer alle genau wissen, wo sich der Mann gerade einen Drink gönnt, dem ein Partizip gewidmet worden ist.
Scott Stevens: Ohne es zu wollen, hat Scott Stevens das Spiel verändert. Und es gibt tatsächlich immer noch Menschen, die das bedauern. Die aber nicht bedauern, dass Stevens die Karrieren von Vyacheslav Kozlov, Eric Lindros, Paul Kariya, Shane Willis und Ron Francis beendet hat. That‘s hockey! Und eben nicht Eiskunstlauf. Stevens hat das selbst gesagt, nachdem ihm Arturs Irbe, der sehr eigene Torhüter der Carolina Hurricanes, vorgeworfen hatte, andere Spieler töten oder zumindest aus den Play-offs befördern zu wollen.
Irbe hatte selbst auf dem Eis gesehen, wie Willis und Francis an dem 1,90 Meter großen und 100 Kilogramm schweren Stevens zerschellt waren. Dabei war Stevens nicht nur für seine Checks bekannt. Er zählte zu jenen Spielern, die ihr erstes Tor mit dem ersten Schuss erzielten, als Kapitän führte er die New Jersey Devils zu drei Stanley-Cup-Triumphen.
Aber wenn man nach „Scott Stevens“ bei YouTube® sucht, wird man immer erst den Check finden, der die Karriere von Eric Lindros beendet hat. Ja, Lindros hatte eine Geschichte an Gehirnerschütterungen. Und, ja, für einen kurzen Moment hielt Lindros den Kopf nicht oben, als er über die blaue Linie der Devils fuhr. Stevens reichte das, er traf den wuchtigen Mittelstürmer der Philadelphia Flyers mit dem Ellbogen am Kinn. Stevens-Fans verweisen jetzt darauf, dass der Mann aus Kitchener in seiner langen Karriere angeblich nur viermal wegen eines Ellbogenchecks auf der Strafbank saß.
Nur ist das weniger ein Argument für Stevens, sondern eher gegen die NHL, für die Stevens‘ Checks so wichtig waren wie Wayne Gretzkys Pässe oder Brett Hulls Tore. Stevens spielte von 1982 bis 2004, zu seiner Zeit wurde der Großteil seiner Checks als sauber angesehen. Seine Schreckensbilanz und letztlich der brutale Check von Matt Cooke gegen den Kopf von Marc Savard führten dazu, dass die NHL ihre Regeln änderte und Angriffe gegen den Kopf konsequenter ahndete (wenn auch, ohne deren Einfluss auf Gehirnerschütterungen und auf die Hirnerkrankung CTE einzugestehen). Stevens‘ Spiel hinterließ aber auch bei ihm selbst Spuren. In seiner letzten Saison kam er nur auf 38 Einsätze, zu viele Gehirnerschütterungen beendeten seine Karriere.