Читать книгу Eishockey - Sebastian Böhm - Страница 19
Drei herausragende Schlagschützen
ОглавлениеBernie Geoffrion: Es heißt, dass die Spieler damals Mitleid mit den Torhütern gehabt hätten. Masken und Schutz, oder zumindest die Möglichkeit, das eigene Gesicht abzudecken, hätte es zwar auch vor 50 Jahren schon gegeben. Nur schickte sich das nicht. Eishockeyspieler galten als hart, Eishockeytorhüter als härter. Es wurde als gute Idee angesehen, sich den fliegenden Pucks ohne Helm entgegenzustellen.
Natürlich wurden Torhüter im Gesicht getroffen, das musste aber nicht bedeuten, dass sie sich auswechseln ließen. Heute würde man das unter einem besonders krassen Fall toxischer Maskulinität subsummieren. Damals war es normal, auch weil der Schlagschuss noch nicht erfunden war. Das übernahm Bernie Geoffrion, ein Stürmer, der in Montreal immer im Schatten von Maurice Richard stand, den sie The Rocket nannten. Dabei war es seine Art zu schießen, die die NHL zu einer Regeländerung bewegte.
Geoffrion zog auf und knallte die Pucks links und rechts an den beinahe ungeschützten Torhütern vorbei ins Tor. Wohl auch aufgrund seiner Trefferquoten führte die NHL ein, dass Zwei-Minuten-Strafen in dem Moment zu Ende waren, in denen die gegnerische Mannschaft traf. Zuvor hatten die Montreal Canadiens ihre Gegner meist im erstbesten Powerplay demoralisiert. Geoffrion traf selten nur einmal, weshalb man ihn irgendwann mit dem Kosenamen Boom Boom Geoffrion feierte.
Al Iafrate: Er trug Tattoos, als es noch nicht cool war, Tattoos zu tragen. Zum ersten Training nach dem Sommer brummte er auf einer Harley heran und trug nichts als Boxershorts. Und als er später seine Schläger präparierte, in einer Hand stets eine Kippe, trug er noch nicht einmal mehr die Boxershorts. „Mich“, sagte er einer Reporterin der Washington Post, „gibt es nur einmal.“ Und auch wenn nicht alles, was er sonst so von sich gab, Sinn ergab, damit hatte Alberto Iafrate recht.
Der Mann, den sie Big Al nannten, Wild Thing und The Planet, war tatsächlich einzigartig in einer Liga, in der stets nur die Mannschaft, nur die Kameradschaft zählt und jungen Spielern jeglicher Individualismus aberzogen wird. So Rock‘n‘Roll war die NHL nie zuvor gewesen und wird sie vielleicht auch nie wieder sein, wie in den 870 Spielen, in denen der US-Amerikaner sein Können vorführte. Iafrate war schnell wie Rocket Richard, hatte einen Körper wie ein Linebacker und er konnte so hart und schnell schießen wie kein Zweiter. Am Ende kam er auf vier Teilnahmen an All-Star-Spielen, bei all seinen Klubs gilt er als Kultspieler, sogar bei den Boston Bruins, für die er nur 12-mal auflief, dabei aber fünf Tore schoss und acht auflegte.
Nicht schlecht für einen Spieler, der zwischen seinem Draft und seinem ersten Spiel in der NHL mit seinen Kumpels auf der Polizeiwache gelandet ist, weil er sich mit dem Türsteher eines Stripklubs angelegt hatte, und der sich nicht wenige seiner Tattoos selbst gestochen hat. 20 Jahre später wäre Iafrate mit seinem Talent und seiner Persönlichkeit ein Superstar gewesen. In einer Zeit aber, in der „Freigeist“ keinesfalls als Kompliment verstanden wurde, wurde der Mann mit dem Vokuhila und der kahlen Stelle am Hinterkopf außerhalb der Kabine als Freak angesehen. Nur beim All-Star-Spiel 1993 galt ihm die volle Aufmerksamkeit: Iafrate entschied den Schusswettbewerb für sich, er beschleunigte den Puck auf 169,3 km/h – mit einem Holzschläger. Trotzdem war es 16 Jahre lang Weltrekord.
Denis Kulyash: Eishockey wird in Russland amerikanischer inszeniert, als man das in Amerika jemals für möglich gehalten hat – und ein bisschen wilder. Beim Ska St. Petersburg gibt es nicht nur ein Maskottchen, es gibt vier. Als AK Bars Kazan während einer Aussperrung in der NHL Stars des Welteishockeys in die Republik Tatarstan holte, hatte der Klub zwar ein höheres Spielerbudget als die vermeintliche Konkurrenz in Nordamerika, die Spieler aber hatten keine Handtücher, um sich den Schweiß aus den Gesichtern zu wischen.
Bären, Adler und Tiger wurden dem Publikum vor Spielen auf dem Eis vorgeführt, lebende Bären, Adler und Tiger. Und die Geschichten von achtwöchigen Trainingslagern in den „Bazas“, mitten im Nichts, erzählen manche Importspieler auch nach Beendigung ihrer Karrieren mit zitternder Stimme. Das Eishockey ist natürlich trotzdem großartig und im Einzelfall auch gewaltig.
Im Rahmenprogramm des All-Star-Spiels der KHL wurde nach dem Vorbild der NHL am 5. Februar 2011 natürlich auch der härteste Schuss gesucht. Russische und tschechische Spieler nahmen kurz Anlauf und hämmerten den Puck auf ein Tor, hinter dessen Netz ein Blitzer die Geschwindigkeit maß. Die Ergebnisse waren beeindruckend, immer wieder aber scheiterten Spieler daran, den Puck auf über 150 km/h zu beschleunigen. Bis Denis Kulyash kam. Bereits mit seinem ersten Versuch übernahm er die Führung, mit dem zweiten deklassierte er den damaligen Weltrekord und stellte einen neuen auf: 177,58 km/h.