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Dorian
11. November
Hölle
Stunden vergingen, ohne dass jemand Dorian anrührte. Sie hatten ihn gefesselt, an den Boden gekettet, und das Metall mit einer Energie infundiert, die ihn daran hinderte, auf die Erde zu flüchten. Mit einem ähnlichen Mechanismus hielt Gott Luzifer in der Hölle fest, soweit er wusste.
›Luzifer‹, dachte Dorian. Das Gesicht seines Meisters erschien vor seinem geistigen Auge. ›Ich will nach Hause. Bitte, ich tue alles, ich… Nimm mir nur meine Flügel nicht.‹
Im Augenwinkel sah er mehrere Dämonen vor sich stehen, hörte sie diskutieren. Eine neue Gestalt ganz in schwarz kam gerade dazu und schrie die anderen mit schriller Stimme an. Die Worte stachen wie ein Migräneanfall durch Dorians Kopf. »Wie, ihr habt noch nicht angefangen? Ihr solltet längst fertig sein!«
»Wir wurden… aufgehalten.«
Kollektives Seufzen.
»Und der andere falsche Engel ist auch noch nicht hier, auf den hätten wir eigentlich warten sollen.«
»Soll der Luzifer die Füße küssen, er wird sowieso ohnmächtig, bevor wir fertig sind.« Kurz Stille. »Und jetzt mach hin, ich habe keine Lust, dass der uns stirbt, bevor ihn jemand angerührt hat.«
Die Panik drückte Dorians Lungen zusammen, ließ ihn ein letztes Mal ausatmen und schnürte ihm dann die Kehle zu. Er krümmte sich zusammen, versuchte noch einmal zu schreien – ein jämmerlicher Laut entkam seiner Kehle. »Nein. Bitte…«
Der Dämon vor ihm zuckte mit den Schultern, und schaute ihn aus gelben Schlangenaugen an. »Tut mir leid, aber gerade können wir auch nichts machen. Halt still, dann geht’s wenigstens schnell.«
»Nein, ich… Nein!«
»Erzähl mir nicht, du willst leiden… Was habt ihr denn alle da drüben? Irgendjemand muss mir hier schon zur Hand gehen. Und du«, der Dämon wedelte mit seiner Hand wild in eine Richtung, »du gehst nachsehen, wo Asmodeus ist.«
»Bitte…« Dorian würde auf die Knie sinken, läge er nicht schon am Boden. »Bitte, ich tue alles…«
Jemand berührte ihn am Rücken und Dorian fuhr zusammen, die Berührung brannte. Kurz passierte nichts, dann fuhr ein heftiger Energiestoß durch seinen gesamten Körper und er stöhnte auf, riss an den Fesseln, doch sie gaben nicht nach. Es fühlte sich an, als würde jeder Wirbel seines Rückens nacheinander gebrochen, ehe es seine Schultern zerriss. Durch den Schmerz hindurch bemerkte er zuerst nicht, dass er seine Flügel ausbreitete. Er wollte sich auf den Boden erbrechen, doch außer einem sauren Brennen gab sein Magen nichts mehr her.
Dorians Kopf wurde mit Gewalt zu Boden gedrückt. Schritte neben seinem Ohr, er hörte alles so klar, als wäre die Welt doppelt so laut. Gleichzeitig glaubte er, neben sich auf dem Boden zu liegen und sich selbst zu sehen, bis in die Flügelspitzen angespannt und zitternd, mit tränenüberströmten Wangen und roten Augen, die so erkennbar zu Luzifer gehörten.
»Schön stillhalten«, sagte der Dämon hinter ihm. »Wir haben es gleich.«
›Ich will nicht. Bringt mich um, reißt mir das Herz raus, alles, aber nicht-‹
Seine Gedanken wurden abrupt von dem fürchterlichsten Schmerz unterbrochen, den Dorian jemals kennenlernen würde. Obwohl er eben noch keinen Laut mehr von sich hatte geben können, schrie er jetzt aus vollem Halse und so laut, dass es die ganze Hölle hören sollte.
»Meine Güte, mach dass er aufhört.«
»Wir bringen ihn nicht um. Das reicht.«
»Aber wir müssen doch noch-«
»Ein Flügel ist genug. Luzifer kriegt seinen Beweis und wir behalten einen halbwegs intakten Menschen für uns. Wir brauchen ihn noch.«
»Komm schon.«
Ein Knall. Dorian wusste nicht, wie er das noch hören konnte, wo seine eigenen Schreie alles übertönen sollten. Er war nichts mehr außer Schmerz und die zäh fließende Gewissheit, dass ihm ein essenzieller Teil seines Selbst fehlte.
›Tötet mich.‹ Alles verschwamm vor Dorians Augen und Ohren, bis da nichts mehr war außer ein schwarzer Schleier aus Schmerz. ›Tötet mich. Bitte.‹