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I. Tatbild und Unrechtskern

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Die Tatbestände der Vorteilsannahme (§ 331 StGB) und -gewährung (§ 333 StGB) erfassen die Situation der Vorteilszuwendung an einen Amtsträger, ohne dass hierfür eine pflichtwidrige Amtsausübung als Gegenleistung vereinbart wird. Alternative Bezeichnungen für dieses Phänomen sind „einfache (aktive und passive) Bestechung“,[246] „Proto-Korruption“,[247] „Vorfeldkorruption“[248] oder „Korruption light“[249]. Obwohl die Proto-Korruptionstatbestände denjenigen der § 332, 334 StGB in vielerlei Hinsicht ähneln – die ganz h.M. geht daher von einem Qualifikations- bzw. Spezialitätsverhältnis aus[250] –, bestehen in dogmatischer Hinsicht beträchtliche Unterschiede. Auch ist der Unrechtsgehalt der Proto-Korruption nach allgemeiner Ansicht deutlich geringer als derjenige der „normalen“ Bestechung, was sich auch auf die Strafrahmen auswirkt (Rn. 125).

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Dass es sich bei einer Zuwendung an einen Amtsträger trotz fehlender Gegenleistung um Unrecht handelt, ergibt sich bereits aus der Existenz dienstrechtlicher Geschenkannahmeverbote,[251] deren Verletzung nehmerseitig disziplinarrechtlich geahndet werden kann.[252] Die ratio dieser Geschenkannahmeverbote besteht zum einen in der Prävention von Korruption,[253] zum anderen soll dadurch einem dubiosen Erscheinungsbild der Verwaltung in der Öffentlichkeit und damit einem möglichen Vertrauensverlust vorgebeugt werden (vgl. § 13 Abs. 1 S. 4 BDG).[254]

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Für eine zusätzliche nehmer- und (seit 1974) auch geberseitige Kriminalisierung der Proto-Korruption sprechen neben der erwähnten Vertrauensverlust-Gefahr[255] folgende Erwägungen: Obwohl der Geber keine (unmittelbare) Gegenleistung erhält, bezweckt er mit seiner Vorteilsgewährung häufig, ihm den begünstigten Amtsträger im Hinblick auf künftige (Ermessens-)Entscheidungen – ggf. auch unbewusst – gewogen zu machen (sog. Landschaftspflege)[256] oder diesen gar zur Vorbereitung „echter“ Bestechungen auf den Geschmack zu bringen und ggf. auch erpressbar zu machen (sog. Anfüttern)[257]. Es handelt sich daher bei den Proto-Korruptionsverboten um abstrakte Gefährdungsdelikte, mit denen bereits (weit) im Vorfeld der wirklichen Vornahme einer Vorteils-beeinflussten pflichtwidrigen Diensthandlung ein Abgleiten des Amtsträgers auf eine schiefe Bahn verhindert werden soll. Verfassungsrechtlich ist es grds. nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber der beschriebenen „Verstrickungsgefahr“ mit strafrechtlichen Mitteln begegnet.[258] Faktisch dienen die §§ 331, 333 StGB überdies als Auffangtatbestände für den Fall, dass eine konkrete Unrechtsvereinbarung i.S.d. §§ 332, 334 StGB nicht nachgewiesen werden kann.

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Die praktische Handhabung der Vorteilsannahme- bzw. -gewährungstatbestände gestaltet sich teilweise kompliziert und als wenig vorhersehbare case law-Praxis. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich aus der Abgrenzung erlaubter von verbotenen Zuwendungen.

Antikorruptions-Compliance

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