Читать книгу Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft - Simone Stöhr - Страница 3

Samstag, 16.02.2008, Wellington, 10:04 Uhr

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Martha bereitete mit Laura in der Küche das Essen für Williams Geburtstagsfeier vor. Seine Eltern, ein paar Freunde, sowie teils auch Geschäftsfreunde hatten sich für den Abend angemeldet und Laura, der das Ganze aus den Fugen zu geraten schien, war um jede Unterstützung, die sie kriegen konnte dankbar. Natürlich hätte sie sich das Essen auch liefern lassen können, aber das war definitiv nicht ihr Stil. Martha und sie waren ohnehin ein eingespieltes Team und jeder wusste was er zu tun hatte ohne große Reden zu schwingen. Laura war dankbar und froh in ihr einen so flexiblen und auch gutmütigen Menschen gefunden zu haben. Dennoch sah Martha heute bedrückt aus. Der einzige Grund, der dafür verantwortlich sein könnte, war Catherine. Alles was mit ihr in Zusammenhang stand, waren bisher nur Hiobsbotschaften und kein Grund zur Freude. Je mehr sie über die Frau hörte, die sie bislang nur einmal gesehen hatte, umso tiefer rutschte sie ab, ohne sich helfen zu lassen. Laura konnte einfach nicht verstehen, wie ein Mensch nach so einer liebevollen Erziehung, wie Catherine sie ohne Frage bei Martha gehabt haben musste, sich so fallen lassen konnte und nichts Besseres wusste, als ihr Leben regelrecht wegzuwerfen. Gegen Martha war Lauras Mutter ein Projekt für das Jugendamt und trotzdem war aus ihr etwas geworden! Das zeigte Laura, dass man mit einem Willen und etwas Selbstdisziplin immer etwas aus seinem Leben machen konnte, wenn man nur wirklich wollte. Sie beschloss Martha nach dem Grund ihrer bedrückten Stimmung zu fragen, auch wenn sie sich den schon denken konnte.

„Martha, hast du Neues von deiner Tochter gehört oder ist genau das Nichtshören der Grund für deine Stimmung?“

„Du bist sehr aufmerksam. Es belastet mich, dass ich so lange nichts von ihr gehört habe. Auch wenn es nie gute Nachrichten sind, die wir von ihr hören. Aber keine Nachrichten sind auch nicht gerade beruhigend. Vor drei Wochen hatte sie Geburtstag und ich konnte sie noch nicht einmal anrufen, da ich keinerlei Adresse oder Telefonnummer von ihr habe. Das hat mich ganz schön mitgenommen. Und Peter geht es glaube ich ähnlich. Er ist ein gebrochener Mann, seit er von ihrem Absturz in die völlige Drogenabhängigkeit erfahren hatte. Ich befürchte fast, dass er die nächste Hiobsbotschaft von ihr nicht mehr so leicht wegsteckt. Sein Herz ist schwach vor Kummer geworden und er regt sich viel zu sehr auf. Aber du kennst ihn ja, zum Arzt kann man ihn einfach nicht bewegen. Wenn ich ihn auch noch verlieren sollte, weiß ich nicht mehr, was ich noch auf dieser Welt soll.“

„Mal den Teufel nicht an die Wand. Soweit wird es sicherlich nicht kommen“, versuchte Laura sie von den Gedanken abzulenken.

„Ich habe trotzdem so ein dummes Gefühl, dass uns noch etwas bevorsteht. Und meist trügt mich mein Gefühl nicht!“

„Wann hast du sie überhaupt das letzte Mal gesehen?“, fragte Laura nach.

„Es ist etwas mehr als 6 Monate her. Sie hatte Geldprobleme und hatte mich gefragt, ob ich ihr etwas leihen könnte. Ich wusste genau, dass es erstens nicht leihen und zweitens für Drogen gewesen wäre. Daher habe ich mich geweigert. Ehe ich es gemerkt hatte, hatte sie mir das restliche Bargeld aus der Geldbörse geklaut und war damit verschwunden. Mir geht es doch wirklich nicht um das Geld. Von mir aus kann sie alles haben, was ich besitze, aber sie soll es doch um Himmels Willen nicht für Drogen ausgeben!“, klagte Martha ihr Leid.

„Es ist ein frustrierendes Gefühl daneben zu stehen und nicht helfen zu können. Es müssen nicht unbedingt die Drogen sein, es reicht auch ein wahnsinniger Dickschädel, wie bei meiner Cousine. Sie wollte auch einfach nicht auf mich hören und hat einen Mann geheiratet, der weder zu ihr passt, noch das zu schätzen weiß, wen er geheiratet hat. Egal, wie viele Warnungen ich ihr ausgesprochen habe, es hat sie scheinbar noch mehr angespornt ihm verfallen zu sein. Das ist so frustrierend, wenn man es besser weiß, aber niemand auf dich hört. Vielleicht sollten wir es einfach nur umgedreht probieren.“

„Laura, sei mir nicht böse, aber es ist schon noch ein gewaltiger Unterschied zwischen drogenabhängig und nur den falschen Mann geheiratet zu haben. Sie kann sich von dem Mann trennen, aber Catherine kommt von den Drogen so schnell nicht los.“

„Du kennst Isabella nicht! Bei ihren Wertvorstellungen sitzt sie mit ihrem Mann genauso in einem Gefängnis, wie Catherine in ihrem Gefängnis aus Drogen. Alleine werden beide nicht herauskommen. Die Frage ist nur, von wem sie sich helfen lassen, denn alleine schaffen sie es beide nicht. Machst du dir Vorwürfe deswegen? Verstehe mich jetzt nicht falsch, ich will dir nichts unterstellen, aber meistens macht man sich als Mutter selbst dafür verantwortlich, dass die Kinder so geworden sind.“

„Das stimmt schon und irgendwie denke ich das auch. Ich zerbreche mir ständig den Kopf darüber, warum ich nicht früher eingegriffen habe. Ich hatte es immer geahnt und trotzdem nicht reagiert, da ich es nicht so ernstgenommen habe. Und jetzt ist es einfach viel zu spät, um zu reagieren“, sinnierte Martha vor sich hin.

„Wovon redest du?“, fragte Laura neugierig.

„Von Catherine und Michael“

„Was? Er hatte mit ihr auch etwas gehabt?“, unterbrach Laura sie aufgeregt. Ihre Meinung von Mike, dem Bruder ihres Freundes William, war schon mehr als schlecht genug. Ein ewiger Weiberheld, der sich auf Kosten des Familienerbes ausruhte und das Leben nur nach Partys und den nächsten Betthäschen ausrichtete. Aber am meisten störte Laura die Tatsache, dass er jede Gelegenheit nutzte, sie zu provozieren, zu denunzieren und zu schikanieren. Und zu ihrem Leid war er darin wirklich gut, das musste sie ihm zugestehen. Dennoch war er ein rotes Tuch für sie und sie traute ihm mittlerweile jede Schandtat zu. Jemanden in die Drogenabhängigkeit zu stürzen, wäre da, Lauras Meinung zur Folge, gar nicht so abwegig.

„Nein, hatte er nicht“, widersprach Martha damit Lauras Gedanken. „Aber Catherine hatte ihn schon von klein auf bewundert und für ihn geschwärmt. Immer wenn ich sie mit nach Wellington gebracht hatte, saßen sie draußen zusammen auf der Hollywoodschaukel und er hatte ihr von seinen Streichen oder Geschichten seiner Reisen erzählt. Irgendwann ist aus dieser Bewunderung wohl mehr geworden, aber eben nur von Catherines Seite. Für Michael war und ist sie nach wie vor, so etwas wie eine kleine Schwester.“

„Und du meinst seine unerwiderte Liebe hat sie in die Drogen gestürzt?“, folgerte Laura.

„Vielleicht nicht nur alleine, aber es hängt damit zusammen. Ich kann es dir nicht mit Sicherheit sagen, weil sie nie mit mir darüber gesprochen hat, aber als Mutter spürt man es doch. Du hättest sie jedes Mal sehen müssen, wie sie reagierte, wenn Michael eine neue Freundin mit nach Hause brachte. Und wie du weißt, war und ist er in dieser Beziehung kein Kind von Traurigkeit. Egal, wie oft er sie damit enttäuscht hatte, sie hatte dennoch nie die Hoffnung aufgegeben, dass er doch noch zu ihr kommen würde. Jedes Mal, wenn er eine Neue hatte, weinte sie sich tagelang die Augen aus und dann, wenn Mike sich wieder von den Frauen getrennt hatte, stieg bei ihr wieder die Hoffnung. Dieser Kreislauf schien einfach kein Ende zu nehmen und je häufiger es vorkam, umso mehr zog sie sich zurück und versank in sich, schon fast wie Depressionen.“

„Normal wissen die Leute nicht, woran es lag. Aber du hast den schleichenden Verlauf sehr genau mitbekommen. Warum hast du nicht damals versucht einzugreifen?“, fragte Laura fassungslos.

„Ich habe alles Mögliche versucht, um den Kreislauf zu unterbrechen und ihr Mike auszureden. Doch alles was ich gesagt oder getan hatte, hatte sie nur noch mehr in ihren Wahn bestärkt und von mir entfernt. Sie wollte weder mit mir darüber reden, noch dass ich ihr meine Sicht zeigte. Die übliche Abkapselung in der Pubertät vollzog ihr übriges und sie gab, glaube ich, mir letztlich die Schuld, dass Mike nichts von ihr wissen wollte.“

Martha fiel es schwer weiterzusprechen. Ein Kloß saß tief und fest in ihrer Kehle und raubte ihr den Atem, sowie die Stimme. Sie war froh mit jemanden darüber sprechen zu können, aber gleichzeitig überkam sie auch eine Traurigkeit, weil es ihr wieder einmal bewusst wurde, dass ihr einziges Kind ihr Leben einfach so wegwarf. Einzelne Tränen kullerten ihr anfangs noch langsam die Wangen hinunter. Doch schon bald würden sie sich sammeln und wie ein Bach hinunterschießen. Martha war es peinlich vor Laura, obwohl es Laura nicht zu stören schien und sie in ihr schon längst eine Freundin sah. Dennoch kannte Laura bislang auch nur die starke Martha, die ihr Leben und das der Carringtons fest im Griff hatte. Bevor es zu den fließenden Bächen überhaupt kam, bombardierte Laura sie weiter mit ihren neugierigen Fragen und Martha war ihr mehr als nur dankbar dafür.

„Wie hat Mike sich dazu verhalten? Ich meine, hat er nicht gemerkt, dass sie mehr von ihm will?“

„Natürlich hatte auch er es irgendwann bemerkt, dass sie mehr von ihm erwartete, als nur Freundschaft. Er ist feinfühliger, als du von ihm denkst und er macht sich viele Gedanken um alles und jeden. Aber er geht auch jeder Entscheidung, die ihm nicht gefällt, am liebsten aus dem Weg. So kam es, dass er sich mehr und mehr von Catherine distanziert hatte und hoffte, das Problem würde sich damit von alleine lösen.“

„So wie ich Mike kennengelernt habe, ist das seine übliche Art mit Frauen oder Situationen umzugehen, die ihm lästig werden“, kommentierte Laura.

„Ich kann es ihm nicht einmal übelnehmen. Letztlich glaube ich, war er selbst überfordert. Sein Ausweg hieß das Ausland und er ging für ein Jahr nach Deutschland und anschließend nach Italien, wie du weißt. Für Catherine dagegen war es der Untergang. Sie zog nur noch nachts um die Häuser, traf sich mit komischen Kerlen und war meist nur noch betrunken anzutreffen. Von da ab ging es weiter bergab. Sie wurde schlechter in der Schule und drohte die Highschool nicht zu schaffen. Doch darauf ließ sie es gar nicht mehr ankommen und brach kurz vor den Prüfungen die Schule einfach ab. Nachdem sie die Schulpflicht bereits erfüllt hatte, konnte ich nicht einmal das mehr verhindern. Es war das Schlimmste, das ihr mir damals noch vorstellen konnte. Ich hatte immer hart gearbeitet, um ihre eine gute Ausbildung ermöglichen zu können und sie warf einfach alles so weg.“

Martha konnte gegen die Tränen, die sie so lange Zeit schon zurückgehalten hatte, nicht mehr ankämpfen und ließ ihnen freien Lauf. Laura unterbrach das Gemüse schnippeln und nahm sie freundschaftlich in den Arm, um die alte Frau, die sich ihr gerade offenbarte, zu trösten.

„Du kannst immer versuchen, den Kindern ein Vorbild zu sein und ihnen deinen Weg aufzeigen. Doch ob sie sich danach richten werden, bleibt dennoch fraglich. Ich bin überzeugt, dass du alles Mögliche getan hast, um das Leben, das sie jetzt führt zu verhindern und dennoch war es ihre Entscheidung es dennoch zu tun. Und solange sie es selbst nicht möchte, wirst du auch nichts tun können, um das zu ändern. So hart es auch klingen mag, aber es liegt an ihr!“

„Ich weiß es hier“ und Martha tippte sich mit dem Finger an die Schläfe „aber da“ und sie legte ihre Hand auf ihre rechte Brust als Symbol für ihr Herz, „da kann ich es nicht verstehen. Es kommt mir so vor als würde ich neben ihr am Abgrund stehen und müsste gefesselt zusehen, wie sie springt.“

„Das kann ich mir gut vorstellen. Wenn es etwas gibt, womit ich dir helfen kann, musst du es mir nur sagen. Ich bin jederzeit für dich und auch deine Familie da. Du warst für mich auch von Anfang an da und dafür bin ich dir sehr dankbar. Durch dich und William habe ich meine Entscheidung hierher zu ziehen niemals bereut.“

„Das war doch selbstverständlich Kindchen. Ich bin froh, dass du in Williams Leben getreten bist. Er blüht richtig auf, seit er dich kennt und auch mir bist du ans Herz gewachsen, wie meine eigene Tochter. Du passt sehr gut hier rein und William hätte keine bessere Wahl treffen können. Bei ihm hatte ich mir auch nie Gedanken gemacht. Er ist zwar zurückhaltend, aber wenn er sieht, was er will, dann setzt auch er alles daran, dass er das bekommt.“

„Das kann man wohl sagen. Nach dem Urlaub war er wie ein Märchenprinz bei mir in Deutschland erschienen und hat mich einfach überwältigt mit seiner entschlossenen Art. Das war aber auch das einzige Mal, dass ich ihn so schnell eine Entscheidung treffen gesehen habe! Sonst entspricht das ganz und gar nicht seinem Wesen.“

Martha lächelte wieder. Sie wusste genau, wovon Laura sprach. Dafür kannte sie die beiden Carrington Brüder schon von klein auf, schon viel zu gut. William war immer der kleinere und verunsicherte Typ der beiden Brüder gewesen. Michael dagegen, war der ältere und einfallsreiche Draufgänger der Familie. Die beiden waren so unterschiedlich wie Tag und Nacht und trotzdem hatte jeder etwas für sich, das Martha beeindruckte und schätzte. Bei Mike war es seine charmante und ideenreiche Persönlichkeit, die Martha immer wieder zum Lachen brachte und nie langweilig werden ließ. Und bei William dagegen war es seine mitfühlende und sensible Natur, die in Martha immer den Beschützer-Instinkt hervorrief. Als wenn er es geahnt hätte, dass über ihn gesprochen wurde, kam William in die Küche geschlendert und gab automatisch Laura ein Küsschen auf die Wange.

„Guten Morgen mein Liebling. Heute schon so fleißig? Hättest du nicht noch etwas im Bett bleiben können?“

„Wenn wir deinen Gästen heute kalte Küche servieren sollen, komme ich sofort wieder ins Bett zurück!“, scherzte Laura und umarmte ihn. „Ich wünsche dir alles Liebe und Gute zum Geburtstag, mein Schatz.“

„Kalte Küche klingt sehr verführerisch!“, lachte William und umarmte auch Martha, die noch abseits am Backofen den Kuchen hineinschob.

„Danke, dass du Laura hilfst. Ich weiß das sehr zu schätzen.“

„Gern geschehen. Auch von mir alles Gute zum Geburtstag, viel Gesundheit und Gottes Segen, mein Junge. Jetzt bist du schon 32 Jahre alt. Mein Gott, wo ist die Zeit hingekommen!“, sinnierte Martha.

„Das kann ich dir auch nicht sagen“, lachte William. „Die Zeit sieht man dir jedenfalls nicht an. Ich hoffe, ich kann das auch mal von mir sagen, wenn ich so alt bin, wie du.“

„Lieb gemeint, aber ich weiß selbst, wie alt ich geworden bin, William. Das können auch die charmanten Schmeicheleien der Carringtons nicht ändern!“

Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft

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