Читать книгу Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft - Simone Stöhr - Страница 4

Sonntag, 17.02.2008, Wellington, 08:22 Uhr

Оглавление

Catherine und Susann stiegen in Wellington aus der T und machten sich auf den Weg zur Carrington Villa. Eine bedrückende Stimmung herrschte zwischen den Frauen und Catherine war es absolut nicht wohl in ihrer Haut. Sie war gerade dabei, genau das zu tun, das sie nie im Leben vorgehabt hatte – ihre Mutter um Geld anflehen. Und anflehen war dieses Mal mehr als nur wörtlich gemeint. Das Wasser stand ihr bis zum Hals und in ihrer jetzigen Situation würde sie ihrer Mutter auch die Füße küssen, wenn sie sich dadurch nur erweichen lassen würde. Nicht zuletzt spürte sie, dass sich die fehlenden Drogen in ihrem Körper, wie Gift durch ihre Adern schlichen. Eine bleierne Schwere kroch durch ihre Extremitäten und sorgte für kalten Schweiß, der ihr aus allen Poren ihres Körpers herausströmte. Den Hunger, den sie vorhin noch verspürt hatte, trat dabei vergessen in den Hintergrund. Sie wusste genau, was sich die nächsten Stunden abspielen würde, wenn sie bei ihrer Mutter nicht erfolgreich sein sollte. Es würde ihr zusehends schlechter gehen und aus der bleiernen Schwere würde brennendes Feuer werden, das ihren Körper stark zum glühen brachte und sie schmerzlich innerlich verbrennen ließ. Schmerzen angefangen von ihrem Arm, der sich nach der Injektionsnadel sehnte, zu starken Bauchkrämpfen bis hin zu Schüttelfrost, der den ganzen Körper neben dem verbrennen auch noch frierend erzittern ließ. Cathy wusste, was ihr blühte. Erst Wochen zuvor hatte sie selbst versucht von dem Scheißzeug loszukommen und hatte es einfach nicht geschafft! Die Schmerzen, die täglich schlimmer wurden, waren ihr noch deutlich im Gedächtnis geblieben und machten ihr entsetzliche Angst. Sie musste nur 10 Tage durchhalten, dann sagte man, wäre das meiste geschafft. Doch jeder Tag hatte in der Phase des Entzuges nicht 24 Stunden, sondern kam einem wie ein ganzer Monat vor. Es war eine schier endlose Situation aus der sie keinen Ausweg mehr sah. Anfangs sah sie die Drogen als Flucht aus der Realität und vieles schien einfacher dadurch. Doch mittlerweile brauchte sie die Drogen nicht mehr nur um sich vor der grausamen Realität zu verstecken, sondern als Erleichterung gegen die Schmerzen, die sie hatte, wenn sie nicht mit Drogen berauscht war. Sie konnte mittlerweile auf einige Jahre Drogenerfahrung zurückblicken. Anfangs war es nur der Alkohol, der mit der Zeit von Party zu Party kombiniert wurde mit einem Joint, aber auch Ectasy, Speed oder wenn es gut herging mit ein paar Lines Koks. Es war nicht schwer an die Drogen zu kommen, denn meist brachten Typen, die an ihr interessiert waren die Drogen mit und so hatte sie weder Geldprobleme, noch Probleme an die Drogen heranzukommen. Das war auch die Zeit, in der sie glaubte, sie könne jederzeit wieder damit aufhören. Doch eine Party ohne Drogen war irgendwie keine Party, wenn alle anderen stoned waren und man selbst nicht. Doch durch die Wirkung der Aufputschmittel brauchte sie auch regelmäßig Beruhigungsmittel, wie Valium, um überhaupt wieder herunterzukommen. Mit wechselnden Jobs hielt sie sich dabei noch wacker als ungelernte Kraft ohne Abschluss über Wasser. Kellnerinnen, aber auch attraktive Empfangsdamen wurden immer irgendwie gesucht, weshalb es ihr so leicht fiel immer einen neuen Job zu finden, wenn ihr alter Boss schließlich ihr Zuspätkommen oder ihren betrunkenen Zustand satt hatte und sie hinauswarf. Doch schließlich verlor auch Speed seine berauschende Wirkung, wenn man ständig oben war und nie herunterkam. Daher probierte sie Heroin, auch H genannt, aus. Jedoch, wenn sie voll drauf war, war es ihr einfach zu viel zu arbeiten. Sie wollte nicht mehr angeschrien und beleidigt werden, wenn man dann auch noch mit Blasen an den Füßen nach Hause kam. Und nachdem ihr vor 8 Monaten die Möglichkeit geboten wurde bei Susann, die sich lieber Jasmin nannte, und Matthew einzuziehen, war es auch nicht mehr zwingend notwendig arbeiten zu gehen. Matthew war bislang großzügig gewesen, auch im Spendieren von Drogen, weshalb es für sie keinen Grund gab einer geregelten Arbeit nachzugehen. Wenn das Geld dennoch knapp wurde, weil sie den beiden nicht ständig auf der Tasche liegen wollte, ging sie ein Wochenende im Stripclub tanzen und dank ihres guten Aussehens und der Beliebtheit bei den Männern, hatte sie schnell das nötige Kleingeld wieder beisammen, um sich die nächsten Drogen zu finanzieren und sich so noch ein paar Kleinigkeiten zu gönnen. Nur hatte genau diese Arbeit den Nachteil, dass sie danach, um die ganzen Blicke und das Betatsche zu verarbeiten, eine extra Ration H brauchte, um es vergessen zu können. Die Abstände wurden kürzer und schließlich steigerte sich das letzte halbe Jahr auch ihr Konsum so wesentlich, dass es schon mehrere Wochen dauern würde, bis sie die Schulden abarbeiten könnte und diese Zeit hatte sie wahrlich nicht mehr, nachdem Matthew ihr eine letzte Frist bis zum Ende der Woche eingeräumt hatte. Aus dem lieben Matthew wurde plötzlich der unangenehme Dealer und er gab ihr mehr als nur deutlich zu verstehen, dass er zu seinem Geld kommen würde, ob ihr das Spaß machte oder nicht. Und die Alternative, die er vorschlug, sie mit Jasmin auf den Strich zu schicken, war eine Lösung, die sie um alles in der Welt vermeiden wollte. Es war eine Sache sich vor schmierigen Kerlen auszuziehen, aber eine deutlich andere mit ihnen Sex haben zu müssen. Davor graute ihr am meisten. Natürlich hatte sie schon mit Männern geschlafen, die ihr nichts bedeuteten und bekam Geld, Drogen und anderes geschenkt, aber bisher konnte sie sich die Männer immer aussuchen und konnte es sich leisten auch nein zu sagen. Doch das war jetzt mit dem Ultimatum nicht mehr möglich und Catherine schauderte vor den perversen Neigungen, die manche Freier an den Tag legten, wie Jasmin ihr schon des Öfteren berichtet hatte. Langsam setzte sie einen Schritt nach dem anderen vor sich.

„Komm trödel nicht so! Ich habe heute auch noch etwas anderes vor!“, warf Jasmin ihr vor.

„Du musst ja nicht mitkommen. Ich kann das auch alleine machen!“, verteidigte sich Catherine.

„Kannst du eben nicht! Du hast Matt doch gehört! Ich soll dich begleiten und auf dich aufpassen. Dein Ultimatum läuft in ein paar Stunden ab und er hat Angst du könntest dich vom Acker machen und er bleibt auf deinen Schulden sitzen.“

Auch daran hatte Catherine schon gedacht, aber genauso schnell verworfen. Matthew war kein Unbekannter in der Drogen- und Prostitutionsszene. Vor ihm zu flüchten war ohne genügend Geld und Kontakte, wo sie sich verstecken konnte unmöglich. Bei einem Scheitern der Flucht war dies gleich einem Selbstmordkommando zu setzen. Und das war mit 90%iger Sicherheit der Fall. Die ganze Woche über hatte sie sämtliche Freunde abgeklappert und versucht so zumindest etwas Geld zusammen zu bekommen. Doch letztlich waren es bis gestern Abend nur lächerliche 273 Dollar und 40 Cents. Viel zu wenig für Matthew! So blieb ihr nur noch ihre letzte Chance, die schlimmste von allen – ihre Mutter um Geld zu bitten. Sie war die einzige, die ihr noch helfen konnte. Natürlich verdiente sie bei den Carringtons als Haushälterin kein Vermögen, insbesondere, da sie in Rente war und nur noch bei Festen aushalf, so wie heute, wie sie von der Nachbarin erfahren hatte. Trotzdem war sie sparsam und hatte immer Geld auf der Seite, das sie für Notfälle aufhob und ein Notfall war das jetzt auf jeden Fall. Auch wenn sie sich die Antwort schon denken konnte, versuchte sie es trotzdem. Vielleicht war mit ihrer Mutter auch zu reden, selbst wenn sie sich schämte ihr die Situation, in der sie sich gerade befand, zu erklären. Noch 100 Meter, dann würden sie an der Carrington Villa angekommen sein. Schon von weitem war die buschige Hofeinfahrt sichtbar, die das große, eiserne Tor umgab und den Seiteneingang zuwucherte, dass niemand ihn bemerkte. Auch Jasmin sah ihn nicht und ging weiter ohne zu merken, dass Cathy bereits stehen geblieben war. Erst nach einigen Metern fiel es ihr auf und sie drehte sich ärgerlich um.

„Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich nicht den ganzen Tag Zeit habe. Also leg endlich einen Schritt zu. Wir können uns auch den ganzen Unsinn sparen und wir ruhen uns noch etwas aus, bevor die Arbeit heute Abend losgeht. Da hast du mit ein bisschen Geschick und bei deinem Aussehen das Geld im Handumdrehen zusammen.“

„Wir sind schon da!“

Catherine zeigte mit dem Kopf hinüber zur Villa, die völlig versteckt hinter den Hecken und dem Blattwerk lag, das sich um die Gartenmauer schlängelte.

„Dahinter ist es schon“, erklärte sie Jasmin ihre Kopfbewegung.

„Und du bist dir sicher, dass hier die Carringtons wohnen?“, fragte Jasmin skeptisch. „Sieht eher sehr verlassen aus, wenn du mich fragst.“

„Natürlich bin ich mir sicher. Ich bin hier schließlich früher ein- und ausgegangen. Die Carringtons leben lieber zurückgezogen und wollen nicht unbedingt in der Öffentlichkeit und für allermann sichtbar sein.“

Catherine ging auf die versteckte Seitentür zu. Sie wurde schon lange nicht mehr benutzt. Warum sollte sie auch? Das große Eisentor öffnete sich auf Knopfdruck, wenn der Besuch sich anmeldete und jeder der Familie hatte am Schlüsselbund einen Chip der das Tor automatisch öffnete. Die Seitentür wurde daher so gut, wie nie benutzt. Catherine drückte die alte, verrostete Klinke hinunter und zuckte bei dem quietschenden Lärm, den das Tor beim Öffnen verursachte, unwillkürlich zusammen. Geduckt zwängte sie sich durch das dichte Blattwerk und war kurz darauf im Vorgarten der Carringtons angekommen. Von hier aus waren es noch knapp 50 Meter bis zur Haustüre des weitläufigen Anwesens. Mit jedem Schritt, den Catherine näher kam, wurde ihr mulmiger zumute. Was war wenn Mike hier war? Er würde ihr das Geld geben, keine Frage! Aber was würde er dann von ihr denken? Dass sie der letzte Abschaum wäre? Vielleicht hatte sie auch Glück und er war unterwegs, wie so oft und er würde nichts von alldem hier mitbekommen. Jasmin dagegen kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Bislang hatte Cathy ihr und auch den anderen die Verbindung zu den Carringtons verschwiegen und hätte es auch jetzt noch getan, wenn sie nicht den letzten Strohhalm gerade greifen wollte, den es noch gab – ihre Mutter. Schon die Erklärung, dass ihre Mutter in Wellington war, hatte ihr Jasmin nicht abgenommen und erst recht nicht, dass sie die Carringtons kannte. Es war ihr auch nicht zu verdenken. Immerhin hatte Jasmin in den letzten Jahren viel Zeit mit Cathy verbracht und sie hatte ihr bisher kein einziges Wort von den Carringtons erzählt. Deshalb war es schwer gewesen, sie überhaupt zu überreden, nach Wellington zu fahren. Nicht zuletzt, da Jasmin von Matthew abends wieder zum anschaffen geschickt wurde und sie verständlicherweise jetzt lieber zu Hause im Bett bleiben wollte, als mit Catherine umsonst durch die halbe Stadt zu laufen. Wahrscheinlich hätte Jasmin auch mit dem Namen nichts anfangen können, wenn nicht hin und wieder ein Freier sie ins Nobelhotel Carrington verschleppte, vermutete Catherine. Sie kamen näher und aus dem Seitenwinkel konnte Catherine beobachten, wie Jasmin immer beeindruckter und ehrfürchtiger sich dem Eingang der Villa näherte. Wenn der Ernst der Lage nicht so dramatisch gewesen wäre, hätte sie über Jasmins Verhalten ausgiebig gelacht, doch momentan war ihr eher nicht danach und sie setzte alle Hoffnung in das bevorstehende Gespräch mit ihrer Mutter. Catherine klingelte und der melodische, an die Kindheit erinnernde Klingelton, war durch die Eingangshalle bis nach draußen zu hören. Sie warteten und es dauerte nicht lange, als eine schlanke, schwarzhaarige Frau mit durchdringenden blauen Augen ihnen die Tür öffnete. Catherine vermutete, dass es sich um Laura handeln musste. Sie war Laura bisher nur ein- oder zweimal begegnet und da war Cathy nicht gerade nüchtern oder ohne Drogen gewesen, um sich das Gesicht zu merken. Die Frau dagegen, schien sie sofort erkannt zu haben und bot sie freundlich herein. Es war komisch, aber diese Laura hatte kein bisschen den herrischen und dominierenden Gang und die Haltung, die Elizabeth Carrington immer hatte. Außerdem wäre auch Elizabeth Carrington nie selbst an die Türe gekommen. Dafür hatte sie ihr Personal! Laura dagegen war freundlich, zuvorkommend und passte eher als angestelltes Personal in dieses Haus, denn als Hausherrin. Laura führte die beiden vergnügt in die Küche und bot ihnen ohne Umschweife einen Kaffee an.

„Du möchtest sicherlich zu deiner Mutter, Catherine. Ich darf doch Catherine sagen, oder?“

Cathy nickte und setzte sich an die Theke in der Küche.

„Martha ist noch im Salon und hilft mir beim Aufräumen. William hatte gestern seinen Geburtstag und ich bin froh, dass sie mir bei den Festlichkeiten geholfen hat. Ich hole sie gleich. Setzt euch schon mal.“

Laura tänzelte leichtfüßig zum Kaffeeautomaten und machte völlig selbstverständlich zwei Kaffee. Catherine beobachtete sie und staunte ein weiteres Mal über diese Frau. Für Williams Mutter wäre es nie in Frage gekommen, dass sie den Kaffee selbst gemacht hätte, geschweige denn, hätte sie ihr überhaupt einen Kaffee angeboten. Laura servierte ihnen den Kaffee und ging zur Tür hinaus, um Martha zu holen. Jasmin kam aus der Verwunderung nicht mehr heraus. Wenn Catherine diese Kontakte hatte und auch noch von der Hausherrin bedient wurde, warum war sie dann drogenabhängig auf der Straße gelandet? Und warum hatte sie nicht sofort hier angeklopft, während sie die ganze Woche sämtliche Versager ihres Bekanntenkreises abklapperte, die ihr sowieso nichts geben konnten? Für Jasmin passte das alles nicht zusammen! Sie genoss ihren Kaffee und wartete gespannt auf die weiteren Geschehnisse.

Marthas Hände zitterten und wurden feucht, als Laura ihr von dem überraschenden Besuch erzählte. Anfangs konnte sie den Worten nicht glauben, bis die Nachricht bei ihr etwas gesickert war und schließlich die Aufregung sich in ihr breit machte. Vielleicht würde sich doch endlich alles zum Guten wenden und sie würde sich endlich von ihr helfen lassen. Die Hoffnung wuchs und eiligen Schrittes ging sie in die Küche, in der sie geschockt über den Anblick ihrer Tochter im Türrahmen stehen blieb. Tiefe Augenringe und eingefallene Wangen ließen ihr schönes Gesicht um Jahre älter aussehen. Ihr Körper war extrem abgemagert, seit sie Catherine das letzte Mal gesehen hatte. Aber am meisten irritierte Martha die leicht bekleidete und stark geschminkte Begleitung ihrer Tochter. Wenn ihre Tochter so einen Umgang pflegte, bedeutete das sicherlich nichts Gutes. Die eben noch gehegten Hoffnungen schwanden dahin und sie setzte sich leicht enttäuscht an die Theke zu ihrer Tochter.

„Hello Mum“, begrüßte ihre Tochter sie. „Wie geht es dir?“

„Mir würde es bedeutend besser gehen, wenn ich dich nicht so sehen würde!“, machte Martha ihrem Kummer Luft.

„Fang bitte nicht wieder davon an. Ich will nicht mit dir streiten“, ging Catherine in die Offensive. Sie hatte keine Lust auf Streit und außerdem war genau das, das Letzte was sie erreichen wollte. Doch auch Martha war so schnell nicht zu täuschen.

„Warum bist du überhaupt gekommen? Willst du Geld? Ich werde dir kein Geld geben, damit du es wieder für Drogen ausgeben kannst!“

„Aber Mama, es ist wirklich wichtig! Kannst du mir bitte etwas geben? Ich bin da in so eine Sache geraten, bei der nicht zu spaßen ist.“

„Du kannst Essen und Kleidung von mir haben und jederzeit wieder zu Hause einziehen, wenn du ein Dach über dem Kopf brauchst, aber ich werde dir kein Geld geben.“

„Mama, ich verstehe dich auch, aber ich habe Schulden und muss diese dringend bis heute begleichen. Kannst du mir bitte dabei helfen?“, flehte sie ihre Mutter an und die Tränen rannen ihr übers Gesicht.

Martha war gewillt nachzugeben und ihr zu helfen, aber sie hatte schon lange genug den Versprechen von Catherine geglaubt und wurde immer wieder enttäuscht, da diese sie doch nicht gehalten hatte. Genau vor diesem Flehen und dem entstehenden Mitleid warnten sämtliche Ratgeber, die Martha in Bezug auf die Drogenabhängigkeit bereits schon in Unmengen gelesen hatte. Sie durfte jetzt nicht nachgeben, sonst würde der Kreislauf nur wieder von vorne beginnen, wie ihr die vielen Ratgeber mit anschaulichen Beispielen erläuterten. Auch wenn ihr Catherine unheimlich leid tat in diesem Moment und Martha sich gar nicht ausmalen wollte, in welchen Problemen sie wirklich steckte, so musste sie dennoch hart bleiben, damit Cathy selbst so weit war einen Entzug zu wollen und auch durchzustehen. Zu diesem Entschluss sind einstimmig sämtliche Ratgeber und Experten gekommen und auch Martha glaubte nur so Catherine helfen zu können.

„Nein, ich werde dir nicht helfen“, blieb Martha entschlossen und eisern ohne jeden Zweifel bei ihrer Entscheidung.

Laura war wie vor den Kopf gestoßen, als sie die Szene miterlebte. Diese Härte und Unnachgiebigkeit war überhaupt nicht Marthas Art. Überhaupt hat sie Martha noch nie so erlebt! Hatte sie ihr nicht gestern erst noch gesagt, wie sehr sie ihre Tochter vermisste und nun blockte sie ihre Tochter so ab. Laura wusste nicht, was sie davon halten sollte. Hatte sie sich so in Martha getäuscht? So war sie nicht ein einziges Mal in mehr als 2 Jahren zu ihr oder zu den Carringtons gewesen, aber es waren auch ihre Arbeitgeber. War sie vielleicht privat komplett anders? Sie wusste es nicht, aber sie hatte unheimlich Mitleid mit Catherine, der anzusehen war, dass ihr die Bitte sehr schwer gefallen war.

Nachdem Cathy merkte, dass es keinen Sinn machte, weiter danach zu fragen und zu betteln stand sie auf und machte sich auf den Weg nach draußen. Jasmin ging ihr hinterher und auch Laura eilte aus der Küche hinaus. Cathy war mit ihren langen Beinen schnell in der Eingangshalle und Laura musste sich beeilen, damit sie sie noch einholen konnte.

„Catherine, warte doch mal, bitte“, rief Laura ihr nach.

Sie war bereits dabei die Türe aufzureißen und hielt mitten inne, um sich Laura zuzuwenden.

„Ich weiß nicht, was zwischen euch vorgefallen ist, aber so kenne ich deine Mutter nicht. Aber vielleicht kann ich dir helfen. Wie viel Geld brauchst du?“

„Willst du mir das Geld geben?“, fragte Catherine unsicher und überrascht nach.

„Ich habe nicht viel hier, aber William hat sicherlich auch noch etwas und es wäre sicherlich ein Anfang. Also wie viel brauchst du?“

„Knapp 10.000 $“, sagte sie kleinlaut.

„Gut, warte einen Moment, ich werde sehen, was wir hier haben.“

Jasmin sah Catherine völlig verdutzt an. So etwas hatte sie noch nie erlebt und auch Catherine schien nicht zu wissen, was das zu bedeuten hatte. Jasmin hatte hin und wieder mit Reichen zu tun, auch wenn sie das immer gerne vermied. Selbst wenn diese viel Geld hatten, erwarteten sie dafür auch viel. Sie waren im Gegensatz zu den „normalen“ Menschen völlig versessen auf ihr Geld und fühlten sich ohne ihr Geld, wie ein Garnichts. Daher gaben sie ihr Geld lieber für unsinnige, meist fragwürdige Dinge aus, bevor sie einen Cent davon verschenkten, außer es gab eine Spendenquittung, die wieder von der Steuer absetzbar war. Und genau für dieses egoistische, kleinkarierte Verhalten hasste Jasmin alle Reichen oder zumindest die, die so taten, als wären sie es. Ihre Füße drückten in den hochhackigen Schuhen, aber sie hatte auch nicht damit gerechnet, dass sie heute noch durch halb Wellington laufen würde. Kurzerhand entschloss sie sich auf die Treppe zu setzen, bis Laura wieder zurückkam. Schon alleine der Heimweg würde sie noch genug fordern, da konnte eine kleine Verschnaufpause ihren Füßen nur guttun. Catherine tat es ihr nach und war in Gedanken versunken. Immer wieder stellte sie Gegensätze zwischen Elizabeth Carrington, der früheren Besitzerin der Villa und Laura fest, die so völlig anders war. Schon alleine die Umgestaltung, die Laura im Eingangsbereich vorgenommen hatte, war freundlich und einladend. Die ganze Steifigkeit und Herrschermentalität, die Catherine früher immer eingeschüchtert hatte und ehrfürchtig werden ließ, war wie weggeblasen. Während sie noch warteten, begann Jasmin das Gespräch.

„Glaubst du, sie wird dir das Geld geben?“, fragte Jasmin sie.

„Ich weiß es nicht. Es scheint so, aber verstehen kann ich es jedenfalls nicht“, gestand Cathy.

„Kann ich verstehen. Wo kommt sie eigentlich her? Sie hat so einen eigenartigen Akzent, finde ich.“

„Ich glaube Mike hatte einmal erwähnt, dass sie aus Deutschland stammt. Ich bin mir aber nicht sicher.“

„Wer ist Mike?“, fragte Jasmin neugierig nach.

„Der ältere der beiden Carrington Brüder. Laura ist mit William zusammen, der die Hotelgruppe übernommen hat und Mike ist meist auf Reisen, um sich dem Ganzen zu entziehen. Die beiden verstehen sich nicht besonders.“

Ehe Jasmin weiterfragen konnte, hörten sie Laura die Treppe herunter gekommen. In ihrer Begleitung kam William verschlafen die Treppe hinunter und machte im Gegensatz zu Laura, die wie aus dem Ei gepellt wirkte, trotz Leggins und T-Shirt, eine nicht sehr beeindruckende Figur, wie Cathy empfand. Aber er war eben auch nicht Mike und könnte ihm nie das Wasser reichen, was Statur, Aussehen und Auftreten betraf. Er sah ziemlich verkatert aus und Catherine dämmerte, dass Laura vorhin noch erwähnt hatte, dass er gestern Geburtstag hatte.

„Hallo Cathy, schön dich zu sehen. Entschuldige bitte mein Auftreten, aber es war gestern sehr spät und ich wollte dich nicht unnötig warten lassen.“

Sein Lächeln gefror, als er Jasmin entdeckte, die durch ihre Sitzhaltung auf der Treppe ihre Oberschenkel komplett freilegte.

„Schon in Ordnung, ich wollte dich nicht stören. Alles Gute nachträglich zum Geburtstag. Ich hoffe du hattest eine schöne Feier.“

„Ja, danke. Laura hatte sich reichlich Mühe gegeben, dass alles perfekt wurde. Sie hat mir auch erzählt, dass du Geld brauchst. Wir haben nur leider nicht alles hier. Knapp die Hälfte etwa. Wie du sicherlich noch weißt, war das immer ein Anliegen meines Vaters zu Hause so wenig Geld, wie möglich zu haben. Wir können jedoch morgen früh gleich auf die Bank gehen, wenn du möchtest.“

„Morgen ist es leider zu spät. Mein Ultimatum läuft heute aus. Aber vielleicht kann ich mit der Hälfte ein wenig mehr Zeit bekommen“, spekulierte sie laut und schaute zu Jasmin, deren Miene undurchsichtig war.

„Hier hast du schon mal 4900 $, den Rest kannst du morgen abholen, wenn du es noch brauchst“, bot William ihr an und streckte ihr das Geld entgegen. „Außerdem haben wir hier noch jede Menge Zimmer frei. Wir würden uns freuen, wenn du bei uns wohnen würdest. Aber mit den Drogen muss dann Schluss sein! Was in unserer Macht steht, werden wir dich hierbei unterstützen, aber der Wille muss schon von dir kommen. Zwingen kann dich niemand!“

Die Verlockung war groß, das Angebot anzunehmen. Sie könnte wieder in dem schönen Haus ihrer Träume wohnen und die Annehmlichkeiten, die es bot, genießen. Sie wäre weg von der Straße und könnte mit der Hilfe der Carringtons wirklich von den Drogen loskommen. Und wenn sie ihre Schulden erst einmal beglichen hatte, stand auch nichts mehr im Weg, dem ganzen den Rücken zuzukehren. Ein Blick auf Jasmin verriet, dass ihr das Angebot überhaupt nicht gefiel. Das würde sie später noch zu spüren bekommen, wie es immer ihre Art war, wenn Cathy einen Vorteil hatte, den sie nicht bekam. Sie konnte einem einfach nichts gönnen. Daher blieb sie in ihrer Gegenwart eher zurückhaltend, auch wenn sie am liebsten laut gejubelt hätte.

„Ich muss erst die Sache mit den Schulden klären. Wenn das erledigt ist, melde ich mich wieder. Danke für eure Hilfe.“

Jasmin war es nun endgültig zu viel. Sie stand auf und stampfte wütend davon.

„Los Candy, lass uns endlich gehen!“, rief sie ihr von der Tür entgegen.

„Ich komme gleich, du kannst schon mal vorgehen!“

Ehe Catherine zu Ende reden konnte, war Jasmin bereits aus der Tür ins Freie getreten.

„Tut mir leid“, entschuldigte sich Catherine. „Jasmin hat noch Termine und kann nicht länger warten. Danke für alles, ich werde mich melden.“

Sie ließ William und Laura an der Treppe zurück und lief Jasmin über den Hof hinterher. Sie konnte sich an fünf Fingern abzählen, dass Jasmin verärgert und neidisch war. Die Optionen und vor allem die Möglichkeit, wie Cathy sie bislang besessen hatte, der Prostitution aus dem Weg zu gehen, hatte Jasmin nicht. Cathy war hautnah dabei, als Matthew Jasmin dazu gezwungen hatte mit Freiern zu schlafen. Und dennoch schien es so, als würde sie ihn weiterhin lieben. Eine Vorstellung, die Cathy nicht nachvollziehen konnte und das freundschaftliche Verhältnis nicht gerade verbesserte. Cathy war richtig erleichtert, auch wenn sie Jasmins Frust verstehen konnte, die dieses Glück nie gehabt hatte. Im Laufschritt versuchte sie Jasmin einzuholen, die mit ihren hohen Schuhen erstaunlich schnell war, wie Catherine bemerkte. Am verrosteten Seitentor hatte sie es endlich geschafft, doch der verärgerten Mimik Jasmins hatte sie schon entnommen, dass es keinen Sinn machte, jetzt mit ihr darüber zu reden. Stillschweigend gingen sie nebeneinander zur T-Station und wechselten mehrere Male die Linien, bis sie in Quincy endlich ankamen. Cathy war frohen Mutes, da sie nun mehr als die Hälfte des Geldes bereits hatte und den Rest, wie Jasmin ihr bezeugen konnte, morgen bekam. Matthew würde sicherlich einlenken und sie hatte es wieder einmal geschafft, auch wenn ihr klar war, dass sie dieses Glück nicht ewig haben würde. Schon morgen, wenn sie Matthew ausbezahlt hatte, würde sie Lauras Angebot annehmen und dort einen neuen Versuch des Entzugs wagen.

Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft

Подняться наверх