Читать книгу DIE KRANKENSCHWESTER - Sonja Löwe - Страница 15

Die Geschäftsleitung

Оглавление

Jede Woche am Montagmittag traf ich mich mit Klaus, unserem Geschäftsführer, zu einer Sitzung in seinem Büro. Wir besprachen bei diesem Termin regelmäßig sämtliche Belange, die für den Betrieb der Klinik von Wichtigkeit waren. Man plante gemeinsam diverse Neuanschaffungen, Fortbildungen für Mitarbeiter, überlegte, welche Verbesserungen wir in naher Zukunft umsetzen könnten und vieles dergleichen mehr.

Eigentlich war es gut, dass es diese geregelten Besprechungstermine gab, wäre da nicht die unberechenbare Launenhaftigkeit von Klaus gewesen. Es gab Tage, da erschien er sehr freundlich und ich war froh, dass wir in aller Ruhe über vieles sprechen konnten, was die Pflegestation anbelangte. So hatte ich mir eine förderliche Zusammenarbeit im Grunde immer vorgestellt. Doch diese Tage zählten eher zur Ausnahme. Ohne eine für mich ersichtliche Ursache benahm sich unser Geschäftsführer Klaus häufig aus heiterem Himmel unberechenbar, aggressiv und extrem übellaunig. Sein Verhalten war mitunter auch sehr mürrisch oder cholerisch. In diesen Fällen erwiderte er den Gruß nicht, wenn man sein Büro betrat und schrie die Mitarbeiter, in diesem Fall mich, an, ohne dass dafür ein Anlass bestand. Nichts konnte ich in solchen Momenten recht machen. Er verhielt sich höchst feindselig, griff mich verbal an, und wenn ich mich daraufhin verteidigte, weil ich mich ungerecht beschuldigt fühlte, schrie er mich wieder in aggressiver und ausfallender Weise an. Er stichelte die ganze Zeit weiter und nichts, was ich sagte, konnte er akzeptieren. Schon sofort nach Eintritt in sein Büro spürte ich gleich die schlechte Stimmung, wenn wieder einer dieser schlimmen Tage war, an denen er sich so schrecklich benahm. Seine gesamte Körpersprache war dann von einer Arroganz und Überheblichkeit, die mir angst machte. Nun, da ich mich sowieso schon innerlich angeschlagen fühlte, war sein Verhalten für mich noch schwerer zu ertragen, und es schnürte mir fast die Kehle zu. Je mehr er mich persönlich angriff und mit nicht gerechtfertigten Beschuldigungen zu verletzten suchte, umso mehr überspielte ich meine innere Furcht. Auf keinen Fall durfte ich ihm eine Angriffsfläche bieten oder mir anmerken lassen, dass es mir schlecht ging und ich seine häufigen Attacken immer weniger aushalten konnte. Ich wusste, wenn ich ihm meine Situation offen schilderte, dann könnte er mich beruflich sofort „abservieren“. In meiner Position durfte ich mir keine Schwäche leisten.

Wenn ich gegenüber der Geschäftsleitung oder dem Chefarzt nur vorsichtig anklingen ließ, dass es enorme Schwierigkeiten mit unserem Personal gäbe, die mich belasteten, so sagte man zu mir, ich solle mir „eine dickere Haut wachsen lassen“ und nicht so empfindlich sein. In meiner Position müsste ich das schon aushalten. Also wollte ich mir auch keine Blöße geben, nicht dass man noch dächte, ich wäre den Aufgaben nicht gewachsen. Ich ärgerte mich danach sowieso schon, dass ich überhaupt etwas darüber gesagt hatte.

Gelegentlich erarbeitete ich auf Wunsch der Geschäftsleitung Vorschriftenkataloge, die dann dem Ärzte- und Pflegepersonal als Richtlinien für medizinische Vorgehensweisen dienten. Dazu forderte ich bei Gesundheitsbehörden schriftliche Unterlagen an, um diese anschließend für unsere Institution anzupassen. So musste ich manchmal unzählige Seiten genauestens durchlesen und die für uns wichtigen Themen herausarbeiten. Eigentlich erledigte ich das gerne. Doch Geduld war nicht gerade die Stärke der Geschäftsleitung und schon nach Anordnung der Aufgabe wurde ich dazu angehalten, diese Arbeit so schnell wie möglich fertigzustellen, am besten schon „vorgestern“.

Bei der nächsten großen Besprechung wurden diese neuen Richtlinien bei Ärzten und Pflegepersonal vorgestellt. Ich saß in der besagten Sitzung und glaubte meinen Ohren nicht zu trauen: Der Chefarzt beschrieb den Anwesenden die ab jetzt gültigen neuen Richtlinien und verkündete sie mit der Anmerkung, er habe diese Vorschriften zusammen mit seinem Sohn erarbeitet. Ich ärgerte mich maßlos darüber, ließ mir aber während der Besprechung von meinem durch diese falsche Behauptung resultierenden Unmut nichts anmerken. Keinesfalls wollte ich mich vor allen Besprechungsteilnehmern lächerlich machen, in dem ich korrigiert hätte, dass ich diejenige war, die die Richtlinien in mühevoller Arbeit erstellt hatte. Auch wenn dies für Außenstehende irrelevant erscheint, so fühlte ich mich durch die fehlende Anerkennung meiner Leistungen gekränkt. Solche Situationen kamen immer wieder vor. Sprach ich dann den Geschäftsführer später unter vier Augen darauf an, meinte er in verärgertem Tonfall, mit einer diesbezüglichen Beanstandung müsse ich mich an seinen Vater, den Chefarzt wenden. Wandte ich mich an seinen Vater persönlich, konnte es passieren, dass dieser überaus cholerisch reagierte, alles abstritt und behauptete, er hätte darüber niemals in der Besprechung geredet. Ich hätte da etwas falsch verstanden.

Des Öfteren wurde ich in dieser Weise von der Geschäftsleitung oder dem Chefarzt diskreditiert. Ich hatte mich für eine Sache eingesetzt und am Schluss erntete ein anderer die „Lorbeeren“. Manchmal kam ich deshalb weinend nach Hause. In der Arbeit konnte ich mir natürlich meine Kränkung oder Enttäuschung nicht anmerken lassen, denn dadurch hätte ich mein Gesicht verloren. Manche Kolleginnen oder Kollegen warteten geradezu darauf, eine Schwäche meinerseits zu entdecken und auszunützen.

Daher versuchte ich, alles mit mir allein auszumachen. Oft sehnte ich mich nach einer Vertrauensperson in der Klinik an meiner Seite, mit der ich manches hätte besprechen und entscheiden können.

Diese Funktion sollte eigentlich meine Stellvertreterin Schwester Sabine erfüllen. Aber ich konnte ihr nicht über den Weg trauen. Schon einige Jahre zuvor hatte ich mehrmals mit ihr vertrauliche, dienstliche Angelegenheiten besprochen, weil ich damals geglaubt hatte, ich könnte auf ihre Verschwiegenheit zählen. Sie wusste danach nichts Besseres zu tun, als es überall bei den Mitarbeitern herum zu tratschen und mich in ein schlechtes Licht zu rücken, so dass ich mir gewünscht hatte, ihr nie etwas erzählt zu haben.

So musste ich alles mit mir selbst ausmachen, denn manche Dinge unterlagen der dienstlichen Schweigepflicht, sodass ich auch nicht mit jemand Außenstehendem darüber sprechen konnte. Dies belastete mich mehr und mehr und die Situation wurde immer erdrückender für mich.

DIE KRANKENSCHWESTER

Подняться наверх