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Kaum aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt, hatte mein Vater einen bautechnischen Kurzlehrgang besucht und konnte sich nun beim bundesdeutschen Neuanfang mit seiner früheren Erfahrung in der Baubranche und bei der Baupolizei als Bauingenieur betätigen. Aber er wählte nicht den goldenen Weg der Selbständigkeit, der in der Aufbauphase des Wirtschaftswunders – bei kriegsbedingtem männlichem Arbeitskräftemangel – schon einfache Bauleiter zu Millionären werden ließ. Otto wählte den sicheren Weg des Beamten, der er auch als ewig treuer Staatsdiener war, und wurde Leitender Ingenieur beim Hessischen Staatsbauamt in Frankfurt.

In dieser Funktion baute er nach 1949 sämtliche durch Bombardierungen beschädigte Kirchen im Rhein-Main-Gebiet wieder auf, was ich schon als Sechsjähriger mitbekam, denn des Öfteren kamen einige Pfarrer zu uns zu Besuch, um sich bei Otto zu bedanken und über weitere Bauprojekte zu sprechen. Er baute aber auch das Preungesheimer Gefängnis, das Frankfurter Arbeitsamt, das Landesarbeitsamt und alle Arbeitsämter im Umkreis von Frankfurt.

Mein Vater war ein absoluter Familienmensch, was mir später arg zu schaffen machte, denn eigentlich sah „unsere Revolution“ die Überwindung solcher bourgeoisen Institutionen wie der Familie vor. Otto hatte in meiner Mutter Erna die ideale Partnerin gefunden. Bei- de lebten in unseren Kinderaugen ein harmonisches und gleichberechtigtes Leben. Nur später, Anfang der 1960er Jahre, als Mutter gerne arbeiten und eigenes Geld ver­dienen wollte, rumpelte es in der Ehe eine Zeit lang.

„Warum soll ich nicht arbeiten gehen und zusätz- lich Geld verdienen dürfen?“, fragte sie Otto beim Abendbrot.

„Ich habe dir doch bereits die Eröffnung eines ei- genen Kontos bei der Sparkasse erlaubt, was darf es denn noch alles sein? Meinst du die Friedel bekommt von ihrem Mann die Genehmigung, einen Arbeitsver- trag zu unterzeichnen? Peter hat seiner Friedel noch nicht einmal eine Bankgenehmigung erteilt. Er sagt, was er alleine verdient, will er alleine auch kontrollieren. Frauen haben sich da rauszuhalten. So ist es ja auch vom Gesetz vorgesehen!“

„Ich will nicht länger nur Taschengeldempfängerin sein! Was unsere Freunde machen, ist deren Sache. Aber ich möchte, dass deine Liebe sich im Vertrauen zu mir beweist. Frau Zimmermann geht in einem amerikani- schen Offiziershaushalt putzen und hat Zugang zur PX und erhält immer die neuesten Sachen von dieser Fami- lie geschenkt. Neulich bekam sie sogar Nylonstrümpfe.“

Nylonstrümpfe waren purer Luxus wie meine Armbanduhr oder wie die uns zugeworfenen Kaugummis der amerikanischen Soldaten.

Die PX im Stadtteil Eschersheim war der Super- markt für die Soldatenfamilien der amerikanischen Be- satzungsmacht. Deutsche durften da nicht einkaufen – es sei denn, sie wurden als Hilfspersonen beim Einkauf mitgenommen. Frau Zimmermann war eine Nachbarin im Wohnblock und wusste stets die Vorteile der ameri- kanischen Kasernennachbarschaft zu nutzen. Ihr Sohn, in meinem Alter, war vom gleichen Kaliber und der Chef-Bettler vor den Kasernenfenstern gewesen. Ich glaube, damals, als ich noch Kind war, habe ich mich das erste Mal in meinem Leben für einen anderen Men- schen fremdgeschämt.

Sexy Zeiten - 1968 etc.

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