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Ein paar Wochen vor Beginn meines Tanzkurses fand meine Mutter den begehrten Putzjob in einem Offiziershaushalt. Die Villa des Offiziers stand unweit unseres Wohnblocks. Er hatte wohl einen hohen Rang gehabt, weil er nicht wie die anderen Besatzungssoldaten in der Kaserne stationiert bleiben musste. Seitdem kam Lollo mindestens einmal in der Woche mit amerikanischen Dosensuppen von Campbell nachhause, manchmal mit leckerem Hershey’s Schokoladensirup oder Cranberry-Marmelade. Immer brachte sie irgendwelche Reinigungs- und Waschmittel mit, die, wie sie meinte, hochmodern und viel effizienter als die deutschen Produkte sein sollten. Jedenfalls war Mutter sehr stolz, nun eigenständig ihr Geld zu verdienen. Taschengeld von Papa lehnte sie mit einem diplomatischen Lächeln ab.

Hanna und ich hatten uns eine Woche vor meinem Geburtstag in Liebe getrennt, wie es sich für Hippies gehörte. Irgendwie passten wir nur intellektuell zueinander. Das andere war wie eine unausgesprochene, unsichtbare, aber deutlich spürbare Trennwand. Die Trennung war völlig unproblematisch, weil wir uns beide einfach gegenseitig nicht mehr meldeten. Bis ich sie nach einigen Tagen anrief und fragte, ob wir getrennt seien.

„Ja, du hast ja jetzt die Amy“, sagte Hanna. „Aber wir sind doch noch gute Freunde, oder?“

Amy?, dachte ich. Wieso hab ich jetzt Amy? Vielleicht hätte ich Hanna nicht davon erzählen sollen, dass Amy sich ein Gedicht von mir gewünscht hatte und dass ich sie sehr nett fand. War die Offenheit ein Rohrkrepierer? Wir wollten doch eine eifersuchtsfreie Beziehung!

„Beste Freunde“, sagte ich. „Und das bleiben wir auch bis zu unserem Lebensende.“

„Bis dass der Tod uns scheidet“, antwortete Hanna.

Wir haben uns später nur noch auf Demos gesehen. Erst als Hanna mit dreißig Jahren ihre Zwillinge bekam, konnte ich erleichtert aufatmen. Irgendeiner hatte es geschafft und sie zur Frau gemacht.

Als Lollo vom Ende meiner ersten großen Liebelei erfuhr, fragte sie mich, ob ich Liebeskummer habe, weil ich seit einigen Tagen so einen bedrückten Eindruck mache. Ich solle den Liebeskummer so nehmen, wie er komme, das sei völlig normal und überhaupt hätten viele Mütter schöne Töchter.

„Nein“, sagte ich, „… kein Liebeskummer, eher …“ Ich stockte. Sollte ich gestehen, dass ich das erste Mal in Mathe eine Fünf geschrieben hatte? „Also ich habe in Mathe eine Fünf geschrieben.“ Ich zog die Arbeit aus der Schultasche. „Würdest du mir das unterschreiben?“

Lollo sah sich das Ergebnis an und meinte, dass das nicht weiter tragisch sei, wenn es nicht zur Regel würde. Mathe sei doch eines meiner starken Fächer, ob ich nicht genügend gelernt habe.

In Mathe, für das Herr Dr. Vierengel, ein wellenhaariges Double von Einstein, zuständig war, ging’s um Differentialrechnung. „Was hat es mit der Steigung auf sich?“ Woher sollte ich das wissen? Produktregel und Quotientenregel, Kettenregel, Umkehrregel – irgendwie gingen mir all die Regeln auf den Keks. Ich war gerade dabei, Regeln zu brechen, statt sie zu beachten. Mein momentanes Lebenskonzept orientierte sich eher am G-Punkt und nicht an mathematischen Wende- und Sattelpunkten. Auch Kurven- und Funktionsschar bedeuteten mir etwas völlig anderes. Was war die Ortskurve im Vergleich zu Amy’s Kurven! Was war die mathematische Potenzableitung im Vergleich zu meiner Potenzleistung!

Mit Amy ging es ganz flott. Wir verliebten uns im Handumdrehen und hatten auch Petting-Sex wie er im Lehrbuch stand. Amy wollte aber Jungfrau bleiben. Ich musste es wohl oder übel hinnehmen, was mir nach der missglückten Versuchsreihe gar nicht so unrecht war. Als September-Geborener war ich selbst eindeutig Jungfrau. Lebenslang Jungfrau – laut Sternzeichendeutung volle Pulle zuverlässig, ehrlich, ordentlich, gründlich, diszipliniert und demütig. Leider waren auch meine negativen Eigenschaften auf dem Aufkleber der Astrokram-Kiste vermerkt. Demzufolge war ich unnahbar, streitlustig, übervorsichtig, prüde, mürrisch und rechthaberisch.

Respekt vor Amy’s Jungfrauendasein hin oder her, es wurmte mich, nicht bis ganz in die Tiefe der Liebe vorgestoßen zu sein. Pit hatte sich zwischenzeitlich auch ein Fräulein aus der Bettinaschule geangelt und wenn es nach seinen Worten ging, dann war da schon richtig was gelaufen. Das befeuerte natürlich mein Verlangen. Jetzt war er mir einen Schritt voraus. „Wie fühlt sich das an?“, fragte ich ihn.

„Musst du doch selber wissen“, sagte er. „Du warst doch mit Hanna im Bett.“

„Ja“, log ich. Aber es war ja keine richtige Lüge. Al- lerdings auch keine richtige Wahrheit.

„Und wie hat es sich bei dir angefühlt?“, fragte Pit zurück.

„Exakt wie bei dir. Einfach gut.“

„Und so schön weich und feucht, stimmt‘s?“, sagte Pit. Ab da glaubte ich, dass es Eins zu Null für ihn stand.

Sexy Zeiten - 1968 etc.

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