Читать книгу Sexy Zeiten - 1968 etc. - Stefan Koenig - Страница 39

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Fast ein Jahr nach meinem Austritt aus der Nachwuchsorganisation der CDU klingelte es nachmittags an der Tür. Lollo öffnete und rief: „Stefan, für dich!“

Flugs kam ich aus meinem Kellerloch hoch und stand zwei unbekannten Jünglingen gegenüber. Erst hatte ich den Eindruck, die Zeugen Jehovas hätten ihre Propagandatrupps enorm verjüngt, dann aber dämmerte es mir, als ich das Abzeichen auf ihren Anzugrevers sah. Beide waren in meinem Alter, einer im grauen und der andere im dunkelblauen Anzug. Sie sahen aus wie Mamasöhnchen, die stets ihren Spinatteller brav aufaßen. Der etwas größere stellte sich als der neue JU-Vorsitzende vor, der andere sei sein Stellvertreter, und sie wollten gerne noch mal mit mir wegen der Mitgliedschaft in der Jungen Union sprechen. Man könne die Mitgliedschaft ja ruhen lassen, wenn ich derzeit wegen der Schule viel zu tun habe.

Ich hatte eigentlich keinen Bock auf großartige Diskussionen, und fragte sie ganz einfach, was sie von den amerikanischen Bombenteppichen über Vietnam hielten. Die beiden guckten erst etwas verdattert, dann beteten sie das herunter, was ihnen als brave Untertanen ihre Alten eingetrichtert hatten. „Amerika verteidigt dort die Freiheit gegen den Sozialismus“, sagte der Größere.

„Das müsstest du doch wissen!“

„Und wer hat die Amerikaner gerufen?“, fragte ich. „Vielleicht wollen ja die Vietnamesen den Sozialismus.“

„Es geht ja darum, dass der Kommunismus die ganze Welt beherrschen will.“

„Das will doch der Kapitalismus auch“, sagte ich. „Und überhaupt: Was ist denn der Unterschied zwischen Sozialismus und Kommunismus?“ Ich hoffte, sie würden mich nicht dabei erwischen, dass ich es selbst nicht zu erklären wusste. Das einzige, worüber ich mir im Klaren war, war die Unmenschlichkeit dieses Krieges im Namen von Freiheit, Menschenwürde und anderen unehrlichen Floskeln.

„Ich glaube, du stehst nicht mehr auf unserer Seite“, meinte der Wortführer.

„Christen sollten für den Frieden sein. Auf dieser Seite bin ich. Aber ihr seid mir wirklich zu unkritisch. Es tut mir leid.“ Damit ließ ich sie vor der Tür stehen und diese ins Schloss fallen.

Auch das also waren meine Altersgenossen, nicht wenige, die immer noch wie in den vergangenen Jahrzehnten die ewig alte Leier ihrer alten Herren herunterbeteten. Egal was und wie es aus ihrem Mund kam, es klang stets nach abgestandenem, langweiligem und durchaus stupidem Gesülze. In den Ohren von uns, die wir aus dem Tiefschlaf der Republik aufgewacht waren, klang es einfach nur unerträglich und auch ein wenig widerlich. Waren das nicht Verräter an unserer Jugend? Kleideten sich wie die alten Säcke, trugen den uralten Fassonschnitt! Verhielten sich wie die Alten und verleugneten ihr Jungsein, unfassbar!

Draußen hörte ich die Miele heranknattern. Das Motorradgeräusch war unverkennbar. Mein Vater kam entweder von seinem Büro, von einer seiner Baustellen, oder aber vom geliebten Sportplatz oder vom geheiligten Kleingarten nachhause.

Ratter ratter töff töff ratter.

„Was waren denn das für zwei geschniegelte Furzwürfel?“, fragte Otto. „Klassenkameraden?“

„Nee, die sind von der Jungen Union und wollten mich wieder als Mitglied gewinnen.“

„Ach, gar nicht mitgekriegt, dass du da nicht mehr bist. War da was?“

Sexy Zeiten - 1968 etc.

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