Читать книгу Sexy Zeiten - 1968 etc. - Stefan Koenig - Страница 36

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An einem Mittwoch im Oktober kam ein Journalist aus München zu einem „Gast-Referat“, wie es Oberstu- dienrat Cornelius nannte, der uns diesen Segen beschert hatte. Wir dachten erst, das würde wieder eines der langweiligen Referate, die wir haufenweise selber produzieren mussten, um uns Schritt für Schritt dem Abi zu nähern. Aber als Herr Rauter vor unserer Klasse stand, erlebten wir einen fröhlichen und wortgewandten Menschen, der uns sogleich aus der Seele sprach.

Wie er schon nach der Vorstellung seiner Person und einer Kurzskizzierung des Themas sein Referat startete, war ungewöhnlich. So knappe und einleuchtende Texte hatte uns noch niemand vorher präsentiert: „In der Schule werden Menschen gemacht. Den Vorgang des Menschenmachens nennt man Erziehung. Das Elternhaus, das Kino, das Fernsehen, das Theater, der Rundfunk, die Zeitungen, Bücher und Plakate sind Schule in weiterem Sinne. Alle Stellen, die Informationen vermitteln, sind Schulen.“

Huch, das begann ja mal ganz interessant. Sollte sich Herr Cornelius gar einen Kritiker des Schulsystems in die eigene Pädagogen-Bude geholt haben? Wir lauschten, ohne Rauter zu unterbrechen, der uns gesagt hatte, dass wir jederzeit die Hand heben sollten, wenn wir etwas zu fragen hätten. „Zum Machen von Etwas verwendet man Werkzeuge. Das Werkzeug, mit dem Menschen gemacht werden, ist die Information.“

Fränki, unser einzigartiger Streber und neuer Tanzbeinheld, meldete sich. „Aber Information kann doch nicht alles sein. Da gibt‘s doch auch Traditionen und Gewohnheiten!“, gab er klugscheißerisch zu bedenken.

Rauter nickte abwägend und sagte: „Soweit die Menschen nicht natürlichen Bedürfnissen, der Gewohnheit oder der Gewalt folgen, hängt ihr Handeln davon ab, was sie wissen. Auch Gewohnheiten entstehen zum Teil aus Informationen. Da die Handlungen eines Menschen den Ablauf seines Lebens steuern, bestimmen die Informationen, die er bekommt, wie er lebt. Die Schulen machen nicht nur Menschen, Schulen machen auch Lebensläufe.“

Stichwort Information! Amy und ich holten uns noch am selben Abend am Bücherstand ein wichtiges Info-Büchlein von einem gewissen Jack: Der Orgasmus. Darin wurden laut Inhaltsverzeichnis sehr praktische Informationen vermittelt, die unserem just beginnenden Liebeslebenslauf den nötigen Drive verpassen würden. Da ging es um Partnerübungen, die Kunst der Selbstbefriedigung, die „Vereinigung“ und Wie du deinen Verstand verlieren kannst. Dann gab’s da noch ein Kapitel, das hieß „Religion und Sexualität – Geistige Suche und Orgasmus“.

Na, das klang vielversprechend mystisch und fast schon abenteuerlich, wenn man bedachte, wie der Sohn Gottes aus der Jungfrau Maria geschlüpft sein soll. Wie hatte eigentlich der liebe Gott in seinem Liebesrausch Maria geschwängert? Sollte uns dieses Sex-Büchlein vielleicht über das größte religiöse Geheimnis der Welt aufklären?

Sexy Zeiten - 1968 etc.

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