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5. Kulturelle Welten: Sefarden und Aschkenasen

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Sefarden

Für die europisch-jüdische Welt hatten zwei kulturelle Gruppen Bedeutung: Die Sefarden und die Aschkenasen. Bei den Sefarden handelt es sich um Abkömmlinge der ursprünglich 1492 aus Spanien vertriebenen Juden, wobei die hebräische Bezeichnung für Spanien, Sfarad, ihnen den Namen gab. Viele von ihnen zogen nach Nordafrika, in die Levante, nach Italien aber auch in den Nordwesten Europas, wo sie mit Amsterdam, Hamburg und London im Laufe des 17. Jahrhunderts die größten Gemeinden errichteten. Daneben gab es nur noch sehr wenige andere sefardische Gruppen, vor allem in den Niederlanden, die jedoch in ihrer Bedeutung weit hinter den anderen zurückblieben. Nicht wenige von ihnen gehörten für einige Generationen nach Zwangstaufen dem Christentum an (pejorativ Marranos – Schweine – genannt), kehrten aber ab ca. 1600 wieder zum stets insgeheim praktizierten Judentum zurück. Dennoch verblieben viele Sefarden in Habitus und Selbstverständnis eher in den christlichen Gebräuchen und fanden daher nicht selten ein größeres Entgegenkommen von Seiten der Christen als die aschkenasischen Juden. In einigen Fragen des Ritus, aber auch in der Aussprache des Hebräischen und ganz besonders im kulturellen Selbstbild unterschieden sich die Sefarden ganz erheblich von den Vertretern der Aschkenasen. Bei aller Bedeutung der Sefarden waren es dennoch nicht sie, die das Bild der Juden im frühneuzeitlichen Mitteleuropa prägten, da ihre nur einige tausend Personen umfassende Gruppe dafür zu klein blieb. Dieses Buch wird sich daher auch meist nur am Rand mit den Sefarden befassen, deren Geschichte allerdings durch ihre Einzigartigkeit schon oft intensiv untersucht und dargestellt wurde.

Aschkenasen

Viel häufiger als die Sefarden konnten in Mitteleuropa aschkenasische Juden angetroffen werden. Ihr Name stammt von der mittelalterlichen hebräischen Bezeichnung für Deutschland, Aschkenas. Ursprünglich bestand ihr Lebensraum im Mittelalter vor allem in den Gebieten am Rhein, aber auch im nordöstlichen Frankreich und breitete sich durch größere Migrationswellen im Verlauf des Mittelalters auch auf Ostmitteleuropa aus, weshalb sich das den Aschkenasen eigene Idiom, das Jiddische, bis weit nach Polen, Russland und auf den Balkan ausbreitete. Die aschkenasische Welt war trotz der räumlichen Nähe zu den Christen viel abgeschlossener und bewahrte zu großen Teilen bis weit nach 1800 ihre Charakteristika, zu denen der alltägliche Gebrauch des Jiddischen, eine andere Aussprache des Hebräischen und ein typischer Habitus gehörten, der von der Umwelt in vielen Fällen als „jüdisch“ identifiziert wurde. Obwohl es Kontakte zwischen Sefarden und Aschkenasen gab, so wahrte doch jede Gruppierung fast immer ihre Eigenart und vermied eine zu große Nähe zur anderen. Auch wenn in den Vereinigten Provinzen der Niederlande die eher ansässig gewesenen Sefarden zunächst später kommende Aschkenasen in ihrer Synagogen duldeten, wurde bei Erreichen einer gewissen Größe von beiden Seiten die Trennung der Gemeinden vorgezogen.

Schwerpunkt: Aschkenasen im mittleren Europa

Viele der hier vorgestellten Entwicklungen und Prozesse innerhalb des frühneuzeitlichen Judentums beziehen sich auf die Aschkenasen bzw. haben nur für diese Gültigkeit. Da sie das Bild jüdischen Lebens in der Epoche durch die Größe ihrer Gruppe bestimmten, bleibt ihnen und ihrer Kultur der prominente Platz in dieser Darstellung vorbehalten. Der Fokus liegt dabei auf dem Alten Reich und den angrenzenden Territorien, wie das westliche Polen, das Elsass, die Niederlande und Teile Skandinaviens. Dieser Raum kann nicht mit dem ohnedies unscharfen Begriff „Mitteleuropa“ gleichgesetzt werden. Es scheint, dass derartige geografischen Zuschreibungen für die jüdische Geschichte unpassend bleiben.

Geschichte der Juden Mitteleuropas 1500-1800

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