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b) Soziale und geistige Krise der Juden am Beginn der Frühen Neuzeit

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Die tief greifenden Veränderungen in der Siedlungsstruktur, und damit verbunden eine soziale und ökonomische Verarmung, führten zwangsläufig zu einer Krise in der jüdischen Geisteswelt. Die meisten der bekannten und einflussreichsten Zentren der tradtionell-jüdischen Gelehrtheit auf dem Gebiet der Halacha, die Jeschiwot, befanden sich innerhalb der großen Stadtgemeinden.

E

Halacha (Hebr.)

ist die Bezeichnung für die Gesamtheit der jüdischen Religionsgesetze.

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Jeschiwa (Hebr.)

Eine Lehranstalt zur weiterführenden Bildung in Fragen der Religionsgesetze und deren traditioneller Auslegung. Im Mittelpunkt stand und steht das Studium des Talmud und der dazugehörigen Kommentare. Oft waren Jeschiwot (Pl.) in größeren Gemeinden angesiedelt, in denen sich Gelehrte und angesehene Rabbiner als Lehrer niedergelassen hatten und auch die gemeindliche Infrastruktur ausreichend entwickelt war, um die Studien und den Aufenthalt der Studenten überhaupt zu ermöglichen.

Bedeutungsverfall der jüdischen Geisteswelt im Reich

Die erzwungene Auflösung der meisten dieser Gemeinden führte auch zum weitgehenden Bedeutungsverfall der jüdischen Geisteswelt innerhalb des Reiches und ihrer Verlagerung nach Osteuropa, wo eine Blüte der traditionellen jüdischen Religionsgelehrtheit einsetzte. Dennoch behielten die verbliebenen städtischen Gemeinden, hier besonders Frankfurt a. M., Worms, anfänglich auch Friedberg und später Prag eine wichtige Stellung innerhalb der europäisch-jüdischen Gelehrtenwelt, waren aber von nun an in ein Netzwerk eingebunden, das seine Schwerpunkte eindeutig in den Osten verlagert hatte. Dies erschwerte auch die Rechtspflege innerhalb der den Juden gewährten Autonomie. Um Streitfälle vor einem rabbinischen Gericht (hebr.: Beit Din) zu klären, mussten die Parteien oft lange und strapaziöse Reisen unternehmen, weshalb zunehmend auch die Entscheidung vor nichtjüdischen Gerichten gesucht wurde, natürlich gegen den Widerstand der Rabbiner.

Innerjüdische Krise

In Hinsicht auf die religionsgesetzlichen Traditionen und Auslegungen waren die Juden Europas am Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts keineswegs auf die vielfach neue Situation eingestellt. Der Wegbruch Spaniens (1492) als unbezweifeltem Zentrum der geistigen Traditionen für das Gesamtjudentum und die Vertreibungen und Ausweisungen in Mitteleuropa konnten nicht sofort kompensiert werden, so dass sich auch in der geistig-religiösen Vorstellungswelt Gräben öffneten, die erst im weiteren Verlauf der Frühen Neuzeit durch eine neue Dynamik allmählich geschlossen werden konnten. Oft wurde daher durch die Forschung für die Phase des Umbruchs von einer Krise gesprochen, da die neuen realen Lebensumstände für viele Juden kaum noch mit den bisherigen mittelalterlichen Denkmustern erklärt und verarbeitet werden konnten. Das Aufkommen messianischer Hoffnungen und Strömungen gehört deshalb beinahe untrennbar zur jüdischen Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit.

Geschichte der Juden Mitteleuropas 1500-1800

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