Читать книгу Geschichte der Juden Mitteleuropas 1500-1800 - Stefan Litt - Страница 19

Schon im Mittelalter waren die Juden in ihrer Berufsausübung stark eingeschränkt. Durch den Zwang der Zugehörigkeit zum Christentum für den Eintritt in Handwerkszünfte war den Juden im Reich die Ausübung von Handwerken wie auch der Landbesitz beinahe völlig untersagt. Somit konnten sie auch keine Landwirtschaft betreiben und blieben auf Handel und Geldverleih beschränkt. Jedoch nahm ihre Bedeutung in diesen Wirtschaftszweigen im Verlauf des Mittelalters kontinuierlich ab, weshalb sie letztlich für die städtische Wirtschaft des 15. Jahrhunderts entbehrlich wurden.

Haupterwerbszweige

In den ersten Dekaden des 16. Jahrhunderts war die Situation nicht besser geworden. Die meisten Handwerksberufe blieben den Juden weiterhin verschlossen, und nur nichtzünftische Handwerke konnten von ihnen ausgeübt werden, dabei an erster Stelle die zur Selbstversorgung, wie die des rituellen Schächters, des Bäckers und des Toraschreibers. Später kamen noch weitere hinzu, beispielsweise das Handwerk des Scheidenmachers (Hersteller von Messer- und Schwerthüllen) und Petschierstechers (Hersteller von Siegelstempeln). In Polen, Prag und Mähren hingegen war den Juden durchaus handwerkliche Tätigkeit gestattet. Landwirtschaft konnte von polnischen Juden auf eigenem Grund und Boden betrieben werden. Andere Erwerbszweige waren der Kleinhandel, oft gekoppelt mit Geldverleih in kleinem Maßstab, und zunehmend der Handel mit landwirtschaftlichen Produkten, eine logische Folge der zunehmenden Verländlichung der mitteleuropäischen Juden in der Zeit der Epochenwende. Der Wegfall der urbanen Umwelt für zahlreiche jüdische Menschen bedeutete auch den weitgehenden Verlust der wirtschaftlich attraktiven Städte als Grundlage für den Lebensunterhalt. Das im Verlauf der Frühen Neuzeit zunehmende Hofjudenwesen, das ohnehin immer nur einer zahlenmäßig sehr kleinen Oberschicht offenstand, hatte zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch keine Bedeutung erlangt. Somit sind auch eindeutig ökonomische Faktoren zu den oft konstatierten Krisenerscheinungen der jüdischen Welt zu Beginn des 16. Jahrhunderts zu zählen.