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a) Innerhalb des Heiligen Römischen Reiches

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1543 – 1562

mehrfache Vertreibung und Wiederzulassung der Prager Juden

1565

Wiederaufnahme von Juden in Metz

1571

Ausweisung der Juden aus Berlin

1595

Ausweisung der Juden aus Hildesheim

1601

erneute jüdische Ansiedlung in Hildesheim

1606

Beginn der jüdischen Ansiedlung in Halberstadt

1649

Vertreibung der inoffiziell in Hamburg lebenden Aschkenasen

1652

erste Juden lassen sich in der neu gegründeten Stadt Mannheim nieder

1670 / 71

Vertreibung der Juden aus Wien und Niederösterreich

1671

Edikt Kurfürst Friedrich Wilhelms von Brandenburg zur Aufnahme von 50 wohlhabenden jüdischen Familien aus Wienfür 20 Jahre in Berlin

1744 / 45

Vertreibung der Juden aus Böhmen und Mähren, einschließlich Prag und internationale diplomatische Bemühungen zuderen Rückkehr

Konsolidierung jüdischer Lebensräume

Nach einer Periode der starken Einengung jüdischer Lebensräume in Mitteleuropa seit dem Spätmittelalter bis hin in das 16. Jahrhundert hinein, ist seit dem Zeitraum 1570 – 1600 eine allmähliche Konsolidierung feststellbar. Begleitet wurde diese von der allmählichen Ausdehnung des Siedlungsraumes, vor allem innerhalb des Reiches. Im Verlauf des 16. Jahrhunderts kam es noch zu einer Reihe von größeren Vertreibungen, worunter die schon vorher erwähnten von Prag 1541 und 1557, sowie Berlin 1571 fallen. Hielten sich bis 1600 Vertreibungen und Aufnahmen von Juden im besten Fall die Waage (meist jedoch zuungunsten der Aufnahmen), so ist danach eine deutliche Abnahme von Ausweisungen zu beobachten, während mehr und mehr Territorien sich den Juden öffneten. Überhaupt fanden die letzten Vertreibungen nur noch im Süden des Reiches statt: 1670 / 71 wurden die Juden aus Wien und Niederösterreich ausgewiesen und noch 1744 / 45 auch die aus Böhmen und Mähren, während im nördlichen Reich die letzte Vertreibung die der inoffiziell in Hamburg lebenden Aschkenasen 1649 war.

Vertreibung und Zerstreuung der Wiener Juden

Hin und wieder ist zu beobachten, dass eine Vertreibung an der einen Stelle durchaus die Zulassung andernorts begünstigen konnte. Als die Wiener und die niederösterreichischen Juden 1670 / 71 ihre angestammten Heimatorte verlassen mussten, wanderten viele von ihnen in andere Gemeinden, darunter in die so genannten Siebengemeinden im ungarischen Burgenland, nach Nikolsburg und Kremsier in Mähren, aber auch zum Beispiel nach Fürth. Sie gründeten ebenfalls die Gemeinschaft in Berlin, die durch das Edikt des Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1620 – 1688) von 1671 möglich gemacht wurde. Ähnlich zu anderen Territorialherrschern im Reich war Friedrich Wilhelm an einer Politik der „Peuplierung“ interessiert, um die noch immer unter den dauerhaften Schäden des Dreißigjährigen Krieges leidenden Länder im Rahmen des Kameralismus wirtschaftlich wieder mit Bevölkerung anzufüllen und zu beleben. Neben den vertriebenen Hugenotten aus Frankreich wurden in Berlin 50 wohlhabende Wiener jüdische Familien zugelassen, denen verhältnismäßig günstige Bedingungen für die Ansiedlung gewährt wurden. In der Folge sollte sich diese Gemeinde schnell entwickeln: nur wenig mehr als 100 Jahre nach der Gründung lebten in Berlin 1784 offiziell bereits 3670 Juden.

E

Siebengemeinden

Siebengemeinden ist der Gemeindeverband der sieben burgenländischen jüdischen Gemeinden in Eisenstadt, Mattersburg, Deutschkreutz, Frauenkirchen, Kittsee, Kobersdorf und Lackenbach, die besonders durch ihre Jeschiwot und die dort lehrenden Rabbiner bekannt waren.

Wachsende Gemeinden

Ähnlichen Zuwachs konnten auch andere Gemeinden verzeichnen: Halberstadt, das nach 1648 ebenfalls zu Preußen gehören sollte, sah 1606 wieder erste jüdische Bewohner und hatte 1728 eine um die 800 Seelen zählende Gemeinde. Halle und Dresden entstanden zu Beginn des 18. Jahrhunderts neu als Gemeinden, woran der vermögende Halberstädter Hofjude und sächsische Resident Behrend Lehmann (1661 – 1730) einigen Anteil hatte. Auch außerhalb dieser Region waren ähnliche Entwicklungen zu beobachten: einige fränkische Gemeinden hatten während des späten 17. und des 18. Jahrhunderts bemerkenswerten Zulauf. Neben dem bereits erwähnten Fürth (um 1720 ca. 1500 Juden) seien auch Bamberg (1633: ca. 50 Juden, 1763: 483), das oberpfälzische Floss (1684: 4 Familien, 1799: 42) oder auch das schwäbische Ichenhausen (1567: ca. 80 Juden, 1770: ca. 750) genannt.

Weiter im Norden entwickelte sich in Hildesheim seit 1601 eine Gemeinde, nachdem von dort 1595 die Juden ausgewiesen worden waren. Lebten in der Bischofsstadt zu Beginn 13 Familien, so waren es nach 200 Jahren 1801 schon 71. Sehr viel bedeutender war die Geschichte der jüdischen Ansiedlung im Raum Hamburg. Neben der Hansestadt waren dort von Bedeutung das schaumburgische Altona unter dänischer Oberhoheit und das dänische Wandsbek. Alle diese drei Orte beherbergten Juden, die zusammen den Gemeindeverband „AHU“ bildeten, wobei die hebräischen Anfangsbuchstaben der Orte für diese Bezeichnung als Akronym zusammen gezogen wurden.

E

Gemeindeverband

Ein Gemeindeverband wurde oftmals dort gebildet, wo Juden in geografischer Nähe und unter ähnlichen Bedingungen in mehreren Gemeinden lebten. Ziel war es dabei, im Zusammenschluss mehrerer Gemeinden einige Institutionen gemeinsam zu nutzen und zu betreiben (etwa das Rabbinat), aber auch, die eigenen Interessen gegenüber den christlichen Behörden konzentrierter durchsetzen zu können. Neben Altona-Hamburg-Wandsbeck und den genannten Siebengemeinden ist hier als weiteres Beispiel der Gemeindeverband von AShPaH zu nennen, der sich aus den vier fränkischen Gemeinden Ottensoos, Schnaittach, Forth und Hüttenbach zusammensetzte. (Auch hier entstand der Name aus dem Akronym der Anfangsbuchstaben der Ortsnamen.) In vielem kommen diese Gemeindeverbände den Landesjudenschaften gleich, wobei diese sich jedoch meist über größere territoriale Einheiten mit meist nur wenigen echten Gemeinden erstreckten.

In Altona ließen sich schon Ende des 16. Jahrhunderts die ersten aschkenasischen Familien nieder, während zeitgleich in Hamburg selbst zuerst die sefardischen Exulanten aus Portugal ihre Gemeinschaft gründeten und sich nach 1603 auch offen als Juden zu erkennen gaben. Die Gemeinden unterschiedlicher Herkunft blieben jedoch getrennt bestehen, wobei die Anzahl der Aschkenasen die der Sefarden bald übertraf. In der Mitte des 18. Jahrhunderts lebten in und um Hamburg insgesamt ca. 4500 Juden, um 1800 waren es bereits um die 9000.

Abschließend sei noch das außergewöhnliche Beispiel der 1606 neu gegründeten Stadt Mannheim erwähnt, wo sich ab 1652, aufgrund der toleranten Politik des Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz (1617 – 1680) die ersten Juden niederlassen durften. 1663 siedelten in der Stadt ca. 70 Juden, 1770 waren es bereits etwa 1500. Die größten Gemeinden des Reiches waren jedoch um 1700 Prag mit 11.517 Juden und Frankfurt um die 3000.

Wien und die österreichischen Kerngebiete

Beachtliche Dimensionen hatte auch die Gemeinschaft in Wien, die mit der Vertreibung von 1670 für fast zwei Jahrhunderte aufhörte, offiziell zu existieren. Um 1670 lebten in dem engen Wiener Getto an die 2000 – 3000 Individuen. Für sie bedeutete der für die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts bereits ungewöhnliche Schritt einer massenhaften Vertreibung von Juden einen gewaltigen Einschnitt. Ausgelöst wurde die Ausweisung unter anderem durch einen Brand in der Wiener Hofburg 1668, der von Seiten zahlreicher Bürger und des Rates der Stadt den Juden angelastet wurde. Ein weiterer Grund dürfte die den Juden gegenüber ablehnende Haltung der Gemahlin Kaiser Leopolds I. (1640 – 1705), der aus Spanien stammenden Margarethe Theresia, gewesen sein. Den Anschuldigungen folgte ein Pogrom noch 1668, und 1669 schließlich gab der Kaiser den städtischen Forderungen nach einer Vertreibung nach, die 1670 vollzogen wurde. In den übrigen österreichischen Kerngebieten konnten sich, bedingt durch die restriktive Judenpolitik der Habsburger in Verbindung mit der ablehnenden Haltung der Landstände, keine jüdischen Gemeinden dauerhaft bilden. Für das heutige Gebiet Österreichs waren nur das Burgenland und Vorarlberg für die jüdische Geschichte nach 1670 von einiger Bedeutung.

Vertreibung der böhmischen Juden

Bezeichnender Weise erfolgte die letzte große Vertreibung der Frühen Neuzeit aus Prag wiederum durch ein Mitglied des Hauses Habsburg. Maria Theresia (1717 – 1780) entschloss sich 1744, die Juden aus Böhmen und Mähren, einschließlich Prag, auszuweisen. Dieser Beschluss sollte nicht nur das Schicksal vieler Menschen schwer treffen, sondern stand auch im völligen Widerspruch zur aufgeklärten Haltung der meisten europäischen Landesherren und Herrscher in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Die allgemeine Tendenz war mit graduellen Unterschieden ein gewisses aufgeklärtes Entgegenkommen gegenüber den Juden. Der Grund für die Ausweisung war im Vorwurf des Verrats zu suchen, den die Königin den Prager Juden machte und der angeblich durch die entgegenkommende Haltung der Prager Gemeinde gegenüber den Preußen während der Besatzung 1744 begangen worden sein sollte. Maria Teresia, selbst stark antijüdisch eingestellt, ließ sich von zahlreichen diplomatischen Interventionen europäischer Herrscher bis hin zum Papst nicht umstimmen und setzte die Ausweisung durch, durch die Tausende von jüdischen Familien vorübergehend heimatlos wurden. Allerdings scheint im Rahmen der angestrebten Erlangung der Kaiserwürde für Franz Stephan von Lothringen (1708 – 1765), dem Gemahl Maria Theresias, schließlich eine Einigung zwischen den Kurfürsten und ihr zustande gekommen zu sein, wobei ein Bestandteil die Wiederaufnahme der Vertriebenen ab 1748 war. Es ist beinahe unnötig zu erwähnen, dass die Königin auch durch eine nicht unbedeutende finanzielle Zuwendung seitens der Juden umgestimmt werden konnte.

Die breite Front des Widerstands, die sich relativ schnell und durch geschicktes diplomatisches Agieren der Hofjuden an den meisten Höfen Europas bildete, zeigte ein neues Denken der Eliten gegenüber den Juden auf, das mit den spätmittelalterlichen Vorstellungen nicht mehr viel gemein hatte. Die Juden hatten zwar noch längst keine vollen Bürgerrechte erlangt, waren aber auch nicht mehr als rechtlose Objekte willkürlich auf dem Spielbrett der landesherrlich-absolutistischen Politik verschiebbar.

Lothringen und Elsass

Im Grenzgebiet zwischen dem Reich und Frankreich ist als einzig bedeutende Gemeinde die von Metz erwähnenswert, die seit 1565 in der damals schon französisch dominierten Reichsstadt wieder entstand. Im Jahr 1620 gab es dort etwa 400 Juden, um 1700 schon mehr als 1000 und in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dann bereits um die 3000. Im Elsass lebten verstreut nur einige hundert Familien, ohne dass es zur Bildung von Großgemeinden kommen konnte. Der übrige Raum Frankreichs blieb den Juden weitgehend verschlossen, abgesehen von sehr wenigen und kleinen Handelsgemeinden in Südfrankreich, die fast ausschließlich von sefardischen Juden gebildet wurden.

Schweizer „Judendörfer“

In der Schweiz, die in der Frühen Neuzeit nur noch locker mit dem Reichsgebiet verbunden war, war jüdisches Leben seit dem Mittelalter fast unmöglich geworden. Lediglich im Kanton Aargau durften sich in den zwei so genannten „Judendörfern“ Lengnau und Endingen Juden niederlassen und bildeten dort Gemeinden.

Geschichte der Juden Mitteleuropas 1500-1800

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