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a) Allgemeines

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Die Norm führt einfachgesetzlich einen Grundgedanken von Art. 133 Abs. 2 Satz 2 WRV fort. Bereits dort war geregelt, dass „zur Erfüllung [der] Aufgaben und zur Erhaltung der Manneszucht einzelne Grundrechte…“ der Soldaten durch das Reichswehrgesetz einschränkbar waren, obwohl zu dieser Zeit die Vorstellung des besonderen Gewaltverhältnisses für Staatsdiener die generelle Nicht-Geltung von Grundrechten enthielt.[6]

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Der Soldat ist Grundrechtsträger wie jede andere Person, die sich auf das GG berufen kann. Ihn als rechtloses Instrument des Staatszweckes anzusehen, verstieße gegen das Menschenwürdeprinzip. Weiterhin hat sich die Rechtsfigur eines „besonderen Gewaltverhältnisses“, in dem Grundrechte ohne Gesetzesvorbehalt einschränkbar sein sollten, überlebt.[7] Für Grundrechtseinschränkungen aus der „Natur der Sache“ oder aus dem Wehrdienstverhältnis als solchem ist kein Raum.[8] Aber auch für Soldaten sind Grundrechte durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes einschränkbar, wenn und soweit dies nach der Verfassung für jedermann möglich ist oder im Fall des Art. 17a Abs. 1 GG speziell ermöglicht wird. Außerdem stellt sich das Soldatenverhältnis immer noch als ein Näheverhältnis zum Dienstherrn dar – kein übliches Distanzverhältnis von Staatsbürger zum Staat.[9] Das zeigt sich insbes. daran, dass jede Tätigkeit des einzelnen Soldaten grds. dem Staat zugerechnet wird; der Soldat ist nicht frei in seiner Tätigkeit – bewegt er sich aber im zugewiesenen Rahmen, ist er frei von Verantwortung. Das bedeutet, dass der Soldat Grundrechtsträger bleibt, Grundrechtseinschränkungen einem (modifizierten) Gesetzesvorbehalt unterliegen, aber trotzdem der Staatszweck regelnde Wirkung hat. Damit eröffnet sich die in diesem Zusammenhang relevante Frage einer Unterscheidung vom Grund- und Betriebsverhältnis (vgl. die Komm. zu § 82). Dabei geht es nicht darum, ob Grundrechte Geltung entfalten – es geht um die Reichweite grundrechtlicher Betätigung, abhängig von dessen Sinnzusammenhang. Innerhalb des Grundverhältnisses (= Beziehung von Soldat gegenüber dem Staat) gilt das allgemeine Staat-Bürger-Verhältnis.[10] Demgegenüber ist innerhalb des Betriebsverhältnis zu differenzieren: vollzieht der Soldat unmittelbar staatlichen Willen (= „Soldat als Staat“), stellt sich die Frage nach rechtlicher Gewährleistung grds. nicht – bspw. ist im Moment der Schussabgabe der Soldat ganz Funktionsträger, der nur die Staatsaufgabe Verteidigung wahrnimmt; seine bürgerliche Rechtssphäre tritt in diesem Moment hinter die Staatsaufgabe zurück. Lediglich in den Bereichen, wo der Soldat zwar nicht unmittelbar staatlichen Willen formt und exekutiert, dem Staat aber auch nicht gegenübersteht (= „Soldat im Staat“), bleibt Raum für die Ausübung von Grundrechten. Diese werden dann nur und soweit beschränkt, als eine Gewährleistung mit der Erfüllung der soldatischen Pflichten unvereinbar ist.[11] So ist dem Soldaten bspw. im Rahmen der Unterkunft, zu deren Inanspruchnahme er nach § 18 verpflichtet ist, ein Mindestmaß an Rückzugsmöglichkeit zu gewährleisten, um seinem (aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG resultierenden) Anspruch auf Privatsphäre[12] gerecht zu werden.

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Ob ohne Weiteres die allg. Regeln gelten,[13]ist zumindest streitig.[14] Das besondere Rechtsverhältnis[15] spricht eher dagegen. Denn bei der Frage, inwieweit der Soldat zwecks Funktionsfähigkeit in die SK eingebunden ist, geht es gerade nicht um die (aus staatsbürgerlicher Sicht übliche) Frage nach etwaigem staatlichen Zwangseingriff in eine grundrechtlich geschützte Freiheitssphäre. Vielmehr ist der Staatsbürger als Soldat in den Staatsapparat eingebunden und soll diesem nach Möglichkeit störungsfrei zur Zweckerreichung dienen. Zwar ist dieses Näheverhältnis – zurecht – kein rechtsfreier Raum und also der Staat keineswegs frei in der Ausgestaltung des innerbetrieblichen Umgangs mit seinem Staatsdienstpersonal. Jedoch sind Regelungen des Gesetzgebers nur soweit erforderlich, als sie das Wesentliche regeln müssen;[16] weil es aber nicht das übliche Schema vom Eingriff in einen Schutzbereich ist, müssen diese Normen auch nur bedingt den Vorgaben von Art. 19 GG Abs. 1 gerecht werden.[17] Es stehen sich vielmehr im Einzelfall die Pflichtenforderung des Dienstherrn und die (mittels § 6 SG in das Näheverhältnis eingebrachten) staatsbürgerlichen Rechte gegenüber – beides muss nach Lage des Einzelfalls in einen schonenden Ausgleich gebracht werden.

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Auch dass unbeschränkte Grundrechte stets Vorrang genießen, kann ebenfalls gerade nicht angenommen werden (sonst dürften sich auch bspw. Strafgefangene gem. Art. 8 Abs. 1 GG uneingeschränkt in geschlossenen Räumen versammeln)[18]. Für Soldaten gelten ungeschriebene, immanente Schranken aus dem Zweck des Näheverhältnisses. Das führt auch bei unbeschränkten Grundrechten innerhalb des Näheverhältnisses zu einem Abwägungsprozess zwischen dem Recht und der in der soldatischen Pflicht konkretisierten Zweckforderung. Dabei ist jede Pflicht hinsichtlich ihrer Bedeutung und grundrechtsbegrenzenden Wirkung, aber auch zur Gewährleistung wirksamer Streitkräfte auszulegen[19] – eine generell restriktive Auslegung der Pflichtenbindung ist ausgeschlossen.[20]

Gem. Art. 19 Abs. 2 GG darf in keinem Fall ein – durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes – eingeschränktes Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden. Diese Wesensgehaltsgarantie gilt auch für das soldatische Dienstrecht.

Absolute Grenze für jegliche Eingriffe in Rechte der Soldaten ist die Menschenwürde, die unangetastet bleiben muss (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG), deren Achtung und Schutz Verpflichtung auch innerhalb der Streitkräfte ist (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG) und an der die Gehorsamspflicht endet (§ 11 Abs. 1 Satz 3).

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Auch unterhalb dieser Grenze müssen Beschränkungen von Rechten auf gesetzl. oder untergesetzl. Ebene – also aufgrund eines Gesetzes – sich ungeachtet der verfassungsrechtl. Bedeutung der Verteidigungsbereitschaft stets am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit messen lassen.[21] „Erfordernisse des militärischen Dienstes“ i.S.v. § 6 Satz 2 oder die von der Rspr. entwickelte Formel von der „Funktionsfähigkeit der Bundeswehr“[22] können als Interpretationshilfe bei der Prüfung des Grds. der Verhältnismäßigkeit herangezogen werden.[23]

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