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3.Die einzelnen Dienstpflichten des Beamten

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12a) Die Dienstleistungspflicht, § 34 Satz 1 BeamtStG. Die Dienstleistungspflicht beinhaltet, dass sich der Beamte mit vollem persönlichen Einsatz seinem Beruf zu widmen hat. Diese Pflicht bedeutet im Einzelnen:

13aa) Die Verpflichtung zur uneingeschränkten Dienstleistung. Der Beamte ist danach zur vollen und uneingeschränkten Arbeitsleistung verpflichtet.30 Der Beamte darf danach Vorgänge nicht einfach unbearbeitet liegen lassen oder schuldhaft verzögern.31 Er darf keine Privatangelegenheiten während des Dienstes ausüben. Er darf auch keine Nebentätigkeiten in übermäßigem Umfang oder während der Arbeitszeit ausüben, §§ 62 Abs. 3 und 64 Abs. 1 LBG. Aus der Dienstleistungspflicht kann sich die Verpflichtung zur Mehrarbeit ergeben, § 67 Abs. 3 LBG. Für Beamte der Polizei, Feuerwehr oder des Strafvollzuges kann sich im Einzelfall auch die Verpflichtung zu lebensgefährlichen Einsätzen ergeben, wenn dies zur Rettung von hochrangigen Rechtsgütern, also insbesondere Leib und Leben anderer Menschen, erforderlich und im Übrigen nicht unverhältnismäßig ist.32 Für den Vorgesetzten bedeutet § 34 Satz 1 BeamtStG, dass er danach zur Dienstaufsicht, also der Kontroll- und Weisungsbefugnis, und zur Fürsorge gegenüber seinen Mitarbeitern verpflichtet ist.33

Aus der Dienstleistungspflicht des Beamten leitet sich auch das im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnte Streikverbot ab. Es zählt zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG und untersagt dem Beamten sowohl Streiks als auch streikähnliche Maßnahmen wie Bummelstreik oder „Dienst nach Vorschrift“.

Die Frage, ob das Streikrecht für Beamte mit Art. 33 Abs. 5 GG und der Dienstleistungspflicht vereinbar ist, wurde aufgrund einer Entscheidung des EGMR34 wieder diskutiert.35 Nachdem mehrere unterschiedliche erstinstanzliche Entscheidungen zu dieser Frage ergangen waren,36 kamen zwei Oberverwaltungsgerichte zu dem Ergebnis, dass sich aus Art. 9 Abs. 3 GG nach wie vor kein Streikrecht für Beamte ableiten lasse.37 Das Bundesverwaltungsgericht kommt daraufhin zu dem Ergebnis, dass Beamte aufgrund von Art. 33 Abs. 5 GG nicht streiken dürfen. Allerdings gewähre Art. 11 EMRK allen Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die nicht in den Streitkräften, der Polizei und der genuinen Hoheitsverwaltung tätig sind, ein Recht auf kollektive Kampfmaßnahmen. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist es Aufgabe des Gesetzgebers, diese Kollisionslage aufzulösen und im Wege der praktischen Konkordanz einen Ausgleich herbeizuführen.38 Ein Beamter, der Mitglied einer Gewerkschaft ist, hat keinen Anspruch auf Dienstbefreiung unter Fortzahlung der Dienstbezüge für einen Einsatz als Ordner bei einem Warnstreik.39 Schließlich ist das Streikverbot für Beamte nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts40 ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG. Das Streikverbot sei eine zulässige Einschränkung der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG. Es sei auch mit den Regelungen der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar.

14Zu beachten ist in diesem Zusammenhang aber, dass der Beamte nur zu einer im Ganzen durchschnittlichen Arbeitsleistung verpflichtet ist.41 Deshalb liegt in Arbeitsmängeln, die jedem einmal unterlaufen können, noch kein Verstoß gegen § 34 Satz 1 BeamtStG. Vielmehr muss eine vorwerfbare dauerhaft unterdurchschnittliche Arbeitsleistung vorliegen. Der Dienstherr ist insoweit beweispflichtig und der Beamte wird diesen Beweis in vielen Fällen schon mit dem Hinweis auf seine letzte dienstliche Beurteilung in Frage stellen können, wenn ihm dort eine gute dienstliche Leistung bescheinigt worden ist. Einmalige Mängel in der Arbeitsleistung können nur dann einen Verstoß gegen die Dienstleistungspflicht des § 34 Satz 1 BeamtStG darstellen, wenn sie entweder vorsätzlich oder zumindest bewusst fahrlässig, etwa durch bewusst gleichgültiges oder bewusst nachlässiges Verhalten und im Kernbereich der dem Beamten obliegenden Pflichten begangen worden sind.42 Im Kernbereich der Dienstleistungspflicht kann auch ein einmaliges fahrlässiges Verhalten die Annahme eines Dienstvergehens rechtfertigen, etwa wenn ein Beamter bei einem wichtigen Einsatz der Informationspflicht gegenüber dem Vorgesetzten nicht nachgekommen ist und bei seiner Ablösung den Nachfolger nicht genügend in die Lage eingewiesen hat43 oder wenn ein Polizeibeamter den Notarzt nicht mit der gebotenen Eile an den Einsatzort gefahren hat.44 Bei einem Vorgesetzten kann ein Verstoß gegen die Dienstleistungspflicht vorliegen, wenn er der von ihm geforderten Dienstaufsicht über seine Mitarbeiter nicht oder nur unzureichend nachgekommen ist.45 Ein schweres Dienstvergehen liegt dann vor, wenn ein Beamter über einen Zeitraum von einem Jahr die ihm übertragene Arbeit mehrfach hartnäckig und unbelehrbar verweigert,46 obwohl er vom Dienstvorgesetzten mehrfach und wiederholt auf seine Verpflichtung zur Arbeitsaufnahme hingewiesen worden ist.

15bb) Unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst. Ein Beamter, der während der Arbeitszeit unentschuldigt dem Dienst fernbleibt, verstößt gegen die Dienstleistungspflicht des § 34 Satz 1 BeamtStG (i. V. m. § 68 LBG).47 Dies gilt sowohl für tage- als auch stundenweises Fernbleiben.48 Kein schuldhaftes Fernbleiben vom Dienst und damit auch keine Pflichtverletzung liegt dann vor, wenn der Beamte durch Krankheit oder aus anderem Grund dienstunfähig war und deshalb dem Dienst ferngeblieben ist.49 Das Erfordernis der Dienstfähigkeit ist ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst. Dies gilt auch dann, wenn der Beamte seine Dienstunfähigkeit selbst schuldhaft herbeigeführt oder es schuldhaft versäumt hat, die Dienstfähigkeit wiederherzustellen.50 In diesen Fällen ist aber eine mögliche Pflichtverletzung nach § 34 Satz 1 BeamtStG unter dem Gesichtspunkt der Gesunderhaltungspflicht zu prüfen.51

Bei beamteten Lehrern ist zu beachten, dass sie nur während der Zeit ihrer festgesetzten Unterrichtsstunden als sog. Pflichtstunden sowie weiterer anlassbezogener Dienstpflichten (z. B. Teilnahme an Klassenkonferenzen, Gespräche mit Eltern, Pausenaufsicht und dergl.) zur Anwesenheit in der Schule verpflichtet sind. Dagegen bleibt es ihnen überlassen, wo und wann sie die Dienstpflichten der Vor- und Nachbereitung des Unterrichts einschließlich der Korrektur von Klassenarbeiten u. ä. erfüllen.52

16Der Dienstherr ist in Zweifelsfällen sowohl hinsichtlich der Frage, ob der Beamte tatsächlich dem Dienst ferngeblieben ist, als auch, ob das Fernbleiben schuldhaft war, beweispflichtig.53 Der Beamte hat allerdings hinsichtlich der Klärung seiner Dienstfähigkeit eine Mitwirkungspflicht.54 Er hat seine Dienstunfähigkeit infolge Krankheit auf Verlangen nachzuweisen, § 68 Abs. 2 Satz 2 LBG. Bestehen hinsichtlich der Dienstfähigkeit oder Dienstunfähigkeit des Beamten Zweifel, so hat die Behörde nach § 53 LBG die Möglichkeit, die amtsärztliche Untersuchung des Beamten anzuordnen. Die Behörde ist zu einer solchen Untersuchungsanordnung berechtigt, wenn Zweifel an der Dienstfähigkeit oder über die Dienstunfähigkeit des Beamten bestehen. Dies ist anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die bei vernünftiger lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, der betroffene Beamte sei dienstfähig bzw. dienstunfähig. Die Behörde muss die tatsächlichen Umstände, auf die sie die Zweifel an der Dienstfähigkeit bzw. an der Dienstunfähigkeit stützt, in der Aufforderung angeben. Der Beamte muss anhand dieser Begründung die Aufforderung der Behörde nachvollziehen können. Er muss erkennen können, welcher Vorfall oder welches Ereignis zur Begründung der Aufforderung herangezogen wurde. Ferner muss die Anordnung Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung enthalten. Die Behörde darf dies nicht dem Arzt überlassen.55

Diese Untersuchungsanordnung nach § 53 LBG kann sowohl bei Zweifeln an der Dienstunfähigkeit als auch an der Dienstunfähigkeit ergehen.56 Die Untersuchungsanordnung ist nach neuerer Rechtsprechung kein Verwaltungsakt,57 ein dagegen eingelegter Widerspruch des Beamten hat demnach keine aufschiebende Wirkung. Für die Anordnung einer psychiatrischen Untersuchung gelten aber wegen des damit verbundenen Eingriffs in die private persönliche Sphäre des Beamten strengere Voraussetzungen.58 Die Mitwirkungspflicht des Beamten nach § 53 LBG kann auch darin bestehen, die ihn behandelnden Privatärzte gegenüber dem Amtsarzt insoweit von der Schweigepflicht zu entbinden, wie dies zur Feststellung seiner Dienstfähigkeit erforderlich ist. Hierzu ist der Beamte aufgrund des dienstrechtlichen Treueverhältnisses verpflichtet.59

17Bei der Frage, ob der Beamte dienstfähig ist oder nicht, hat ein amtsärztliches Zeugnis gegenüber einem privatärztlichen Attest einen höheren Beweiswert, weil der Amtsarzt die Belange der öffentlichen Verwaltung besser kennt und eine größere Erfahrung bei der Beurteilung der Dienstfähigkeit hat.60 Der Beurteilung des Amtsarztes kommt unter folgenden Voraussetzungen der Vorrang vor dem Attest des Privatarztes zu:61 Es dürfen keine begründeten Zweifel an der Sachkunde des Amtsarztes bzw. eines von ihm hinzugezogenen Facharztes bestehen. Die medizinische Beurteilung muss auf Tatsachengrundlagen beruhen sowie in sich stimmig und nachvollziehbar sein. Hat der Privatarzt seinen medizinischen Befund näher erläutert, so muss der Amtsarzt auf diese Erwägungen eingehen und nachvollziehbar darlegen, warum er ihnen nicht folgt. Die Grundsätze beanspruchen in gleicher Weise Geltung, wenn sich der Amtsarzt der medizinischen Beurteilung eines von ihm eingeschalteten Facharztes anschließt.

18Verletzt der Beamte seine Mitwirkungspflicht nach § 53 LBG durch vorwerfbares Verhalten, etwa indem er sich trotz rechtmäßiger schriftlicher Aufforderung weigert, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, gilt für den Nachweis der Dienstunfähigkeit die Beweislasterleichterung des § 53 Abs. 1 Satz 2 LBG. Allerdings sind hier strenge Anforderungen zu stellen.62 Daneben bedeutet eine wiederholte grundlose Verweigerung der ärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Dienstfähigkeit oder der Dienstunfähigkeit ein Dienstvergehen, welche zu disziplinarrechtlichen Konsequenzen führen kann.63

19Die Pflichtverletzung eines unentschuldigten Fernbleibens entfällt nicht dadurch, dass der Dienstvorgesetze nachträglich eine Verrechnung mit dem dem Beamten zustehenden Urlaub oder Freizeitausgleich vornimmt. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Urlaub für den betreffenden Zeitraum vorher bewilligt worden ist.64 Ist der Beamte krankheitsbedingt dienstunfähig, so ist er nach § 34 Satz 1 BeamtStG auch verpflichtet sicherzustellen, dass ihn Mitteilungen seiner Dienststelle erreichen können.65 Unterlässt er dies schuldhaft, so liegt zwar kein unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst vor, aber eine Verletzung dieser sich aus § 34 Satz 1 BeamtStG ergebenden Pflicht kann auch eine Dienstpflichtverletzung darstellen.

20Ein schuldhaftes Fernbleiben vom Dienst hat für den Beamten zwei mögliche Konsequenzen: Neben dem Verlust der Bezüge für den Zeitraum des unentschuldigten Fernbleibens nach § 11 LBesGBW muss er mit einem Disziplinarverfahren wegen eines Verstoßes nach § 34 Satz 1 BeamtStG, § 68 LBG rechnen.

21cc) Die Gesunderhaltungspflicht. § 34 Satz 1 BeamtStG beinhaltet schließlich auch die Gesunderhaltungspflicht.66 Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Gesunderhaltungspflicht nur insoweit gilt, wie konkrete Bezüge zum Dienst bestehen. Denn für seine private Lebensführung steht dem Beamten das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG zu. Von dem Beamten kann daher keine umfassende Verpflichtung zur enthaltsamen und gesunden Lebensführung verlangt werden, also etwa der Verzicht auf unfallträchtige Sportarten oder übermäßiges ungesundes Essen und Trinken.67 Ist der Beamte krank geschrieben und kann er deshalb keinen Dienst leisten, so ist er aufgrund der Gesunderhaltungspflicht gehalten, seine Gesundheit und Dienstfähigkeit wiederherzustellen, sich der erforderlichen ärztlichen Behandlung zu unterziehen und alles zu unterlassen, was einer raschen Wiederherstellung der Dienstfähigkeit entgegenwirken könnte.68 Eine Pflichtverletzung kann daher vorliegen, wenn der Beamte sich bei einer Erkrankung weigert, sich der für den Heilungserfolg unumgänglichen Therapie zu unterziehen.69 Dies gilt auch, wenn er sich weigert, sich einer notwendigen und erforderlichen Operation zu unterziehen, soweit diese verhältnismäßig und zumutbar ist.70 Ein Verstoß gegen die Gesunderhaltungspflicht liegt auch dann vor, wenn der Beamte zwar wegen Krankheit dem Dienst fernbleibt, aber in dieser Zeit einer Nebentätigkeit nachgeht.71 Denn in diesen Fällen ist der Beamte vorrangig verpflichtet, alles zu tun, um seine Dienstfähigkeit wiederherzustellen. Außerdem hat der Bürger wenig Verständnis, wenn ein mit Steuergeldern alimentierter Beamter zwar wegen Krankheit keinen Dienst leisten kann, gleichwohl aber eine Nebentätigkeit ausübt.

22dd) Alkohol im Dienst. Ein Verstoß gegen die Dienstleistungspflicht des § 34 Satz 1 BeamtStG liegt auch dann vor, wenn ein Beamter während des Dienstes alkoholisiert ist und deswegen in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist. Dies ist ab einem Blutalkoholwert von 0,5 ‰ regelmäßig der Fall,72 ohne dass es dann noch des Nachweises einer Minderleistung bedarf. Dasselbe gilt, wenn der Beamte wegen übermäßigen Alkoholgenusses nicht zum Dienst erscheinen kann.73 Daneben ist Alkoholgenuss dienstrechtlich nach § 35 Satz 2 BeamtStG relevant, wenn der Beamte gegen ein bestehendes absolutes Alkoholverbot während der Arbeitszeit verstoßen hat.74 Ein solches Alkoholverbot während der Arbeitszeit ist möglich durch eine allgemeine Dienstanweisung75 des Dienstvorgesetzten oder durch eine entsprechende Anordnung des Vorgesetzten. Der Vorgesetzte ist aufgrund seiner Kontroll- und Weisungsbefugnis nach § 34 Satz 1 BeamtStG und daneben aufgrund seiner Fürsorgepflicht dienstrechtlich verpflichtet, alkoholbedingte Verfehlungen seiner Mitarbeiter zu verhindern. Dies gilt in besonderem Maß, wenn es, wie etwa bei Polizeibeamten, zu einem möglichen Einsatz von Dienstfahrzeug oder Dienstwaffe kommen kann.76 Diese im Wesentlichen mit der Vorgesetztenfunktion verbundene Pflicht kann auch bedeuten, dass der Vorgesetzte bereits im Vorfeld möglicher Auswirkungen von Alkoholverfehlungen tätig werden muss.77

In vielen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, etwa im Bereich der Schulen und der Polizei, ist durch eine Dienstvereinbarung geregelt, wie und nach welchem Stufenverfahren die Dienststelle bei Alkoholverfehlungen vorzugehen hat.

23Ist aufgrund des Verdachts einer Alkoholisierung die Klärung der Dienstfähigkeit des Beamten erforderlich, ist ein sogenannter Alkotest nur auf freiwilliger Basis möglich. Eine Verpflichtung des Beamten, sich in einem solchen Fall einem Alkotest zu unterziehen, besteht nicht wegen des Passivitätsprinzips nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 GG, wonach niemand verpflichtet ist, sich selbst strafrechtlich oder disziplinarrechtlich belasten zu müssen.78 Denn der Beamte müsste dann befürchten, dass der Dienstvorgesetzte den Alkotest auch disziplinarrechtlich gegen ihn verwenden würde.79 Dagegen ist in diesen Fällen die Anordnung einer Untersuchung durch den Amtsarzt nach § 53 LBG zur Klärung der Dienstfähigkeit jederzeit möglich und im Einzelfall auch sinnvoll, wenn nur auf diese Weise geklärt werden kann, ob der Beamte dienstfähig ist oder nicht.

24Alkoholgenuss in Zusammenhang mit dem Dienst ist dann disziplinarrechtlich nicht relevant, wenn der Beamte nach Feststellungen des Amtsarztes alkoholkrank ist.80 Denn dann entfällt wegen der festgestellten Krankheit der Vorwurf einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung. In diesen Fällen ist der Beamte aber aufgrund der Gesunderhaltungspflicht gehalten, sich einer vom Amtsarzt vorgeschlagenen und verordneten und vom Dienstvorgesetzten angeordneten Therapie zu unterziehen, um auf diese Weise seine Gesundheit und Dienstfähigkeit wiederherzustellen.81 Weigert der Beamte, sich einer solchen vom Dienstvorgesetzten angeordneten Therapie zu unterziehen, ist dies als Verstoß gegen die Gesunderhaltungspflicht disziplinarrechtlich dann relevant, wenn der Beamte vorher über seine Verpflichtung zur Teilnahme an der Therapie und die Folgen einer solchen Verweigerung belehrt wurde und ihm die Konsequenzen einer Verweigerung klar waren.82 Wird der Beamte nach erfolgreicher Therapie wieder rückfällig,83 so ist dies disziplinarrechtlich dann relevant, wenn die Therapie erfolgreich abgeschlossen wurde und eine mehrmonatige Abstinenz vorgelegen hat. Weiterhin ist erforderlich, dass der Rückfall Auswirkungen auf den Dienst hatte und dass der Beamte über die Gefahren eines Rückfalls und über seine Verpflichtung zur Abstinenz sowie über die disziplinarrechtlichen Konsequenzen des Rückfalls vorher belehrt worden ist.84

25ee) Rechtsprechung zu § 34 Satz 1 BeamtStG

– Ein schweres Dienstvergehen nach § 34 Satz 1 BeamtStG begeht, wer die ihm übertragene Arbeitsleistung über einen Zeitraum von einem Jahr hartnäckig und unbelehrbar verweigert.85

– Ein Beamter hat im Lauf von vier Jahren über 200 Stunden zu wenig gearbeitet und ist in einer Vielzahl von Fällen zu spät zum Dienst erschienen oder hat den Dienst zu früh beendet: Zurückstufung.86

– Zum Dienstvergehen eines Polizeibeamten nach § 34 Satz 1 BeamtStG, der außerhalb der regulären Dienstzeit als sog. Polizeiführer vom Dienst in einem bedeutsamen Einsatz seiner Informationspflicht gegenüber dem Vorgesetzten nicht hinreichend nachgekommen ist und bei seiner Ablösung den Nachfolger nicht genügend in die Lage eingewiesen hat: Verweis.87

– Das Gebot zum Dienst zu erscheinen, ist Grundpflicht eines jeden Beamten. Die fordert vom Beamten vor allem, sich während der vorgeschriebenen Zeit an dem vorgeschriebenen Ort aufzuhalten und dort die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben wahrzunehmen. Wer dem Dienst vorsätzlich unerlaubt fernbleibt, missachtet damit zwangsläufig die Dienstpflichten zum vollen beruflichen Einsatz und zur Befolgung dienstlicher Anordnungen. Das Erfordernis der Dienstleistung und die Bedeutung ihrer Unterlassung sind für jeden Beamten leicht zu erkennen. Setzt ein Beamter sich über diese Erkenntnis hinweg, zeigt er ein hohes Maß an Verantwortungslosigkeit. Das vorsätzliche unerlaubte Fernbleiben vom Dienst führt regelmäßig zur Entfernung aus dem Dienst, wenn es über Monate andauert oder in der Summe einen vergleichbaren Gesamtzeitraum erreicht.88

– Bestehen hinsichtlich der Dienstfähigkeit oder über die Dienstunfähigkeit des Beamten Zweifel, so hat die Behörde nach § 53 LBG die Möglichkeit, die amtsärztliche Untersuchung des Beamten anzuordnen. Dies ist anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die bei vernünftiger lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, der betroffene Beamte sei nicht dienstfähig bzw. nicht dienstunfähig. Die Behörde muss die tatsächlichen Umstände, auf die sie ihre Zweifel stützt, in der Aufforderung angeben. Der Beamte muss anhand dieser Begründung die Aufforderung der Behörde nachvollziehen und prüfen können, ob die angeführten Gründe tragfähig sind. Er muss erkennen können, welcher Vorfall oder welches Ereignis zur Begründung der Aufforderung herangezogen wurde.89

– Die Anordnung nach § 53 LBG ist kein Verwaltungsakt.90

– Die Beweislast für das schuldhafte Fernbleiben vom Dienst trägt der Dienstherr.91

– Äußerungen eines Amts- oder Polizeiarztes haben gegenüber privatärztlichen Attesten bezüglich der Beurteilung der Dienstfähigkeit eines Beamten einen höheren Beweiswert.92

– Verweigert ein arbeitsunfähig erkrankter Beamte jegliche Angaben zu seiner Erkrankung, so darf der Dienstherr dem ersten Anschein nach von der Ausübung einer körperlich und/oder psychisch anspruchsvollen Freizeitaktivität (hier der Teilnahme an Reitturnieren) während des Genesungszeitraums auf eine Beeinträchtigung der Wiedergenesung und damit einen Verstoß gegen die Gesunderhaltungspflicht schließen.93

– Der Rückfall in die nasse Phase der Alkoholsucht ist nur dann disziplinarrechtlich relevant, wenn die Entziehungskur erfolgreich war, d. h. den Beamten in die Lage versetzt hat, der Gefahr eines Rückfalls mit Erfolg zu begegnen, und wenn die erneute Alkoholabhängigkeit negative Auswirkungen auf den Dienstbetrieb hat.94

– Wer schuldhaft und immer wieder für mehrere Tage eine alkoholbedingte Dienstunfähigkeit herbeiführt, verstößt gegen § 34 Satz 1 BeamtStG. Weigert sich der Beamte, nachdem ihm eine Vielzahl solcher alkoholbedingter Dienstversäumnisse zum Vorwurf gemacht wurden, generell, durch Inanspruchnahme therapeutischer Hilfen für die Zukunft an diesem Zustand etwas zu ändern, so verstößt er wiederum gegen § 34 Satz 1 BeamtStG. Dieses gesamte Verhalten macht eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis unausweichlich.95

– Wer eine Nebentätigkeit ausübt, obwohl er wegen Krankheit dem Dienst fernbleibt, verstößt gegen § 34 Satz 1 BeamtStG. Der Beamte hat im Falle einer Erkrankung alles ihm Zumutbare zu tun, um eine rasche Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit herbeizuführen. Außerdem hat die Öffentlichkeit wenig Verständnis dafür, dass ein staatlich alimentierter Beamte zwar keinen Dienst leisten kann, aber zur gleichen Zeit einer Nebentätigkeit nachgeht.96

26b) Die Pflicht zur Uneigennützigkeit, § 34 Satz 2 BeamtStG. Die Pflicht zur Uneigennützigkeit ist betroffen, wenn der Beamte sich unrechtmäßig bereichert und dadurch seinen Dienstherrn, einen Kollegen oder einen außenstehenden Dritten schädigt. Die Uneigennützigkeit erfordert einen redlichen und korrekten Umgang mit dienstlich anvertrauten und zugänglichen Geldern, Arbeitsmitteln oder sonstigen Vermögensgegenständen. Dabei kommt es auf die Strafbarkeit des Verhaltens (z. B. §§ 242, 246, 263, 266, 332 StGB) nicht unbedingt an.97 Ist das Verhalten strafbar, so kommt neben dem Verstoß gegen § 34 Satz 2 BeamtStG auch eine Pflichtverletzung nach § 34 Satz 3 BeamtStG in Betracht (vgl. unten Rn. 37 ff.). Die uneigennützige, auf keine privaten Vorteile bedachte Führung der Dienstgeschäfte durch den Beamten ist eine ganz wesentliche Grundlage des Berufsbeamtentums.98 Sie stellt eine Kernpflicht des Beamten dar. Deshalb stellen Verstöße gegen die Pflicht nach § 34 Satz 2 BeamtStG in aller Regel ein mittelschweres oder schweres Dienstvergehen dar, insbesondere wenn der Beamte unberechtigt Geld annimmt oder auf andere Weise sich verschafft.99 Bei Verstößen gegen die Pflicht zur Uneigennützigkeit lassen sich folgende Fallgruppen unterscheiden:100

27aa) Unerlaubter Zugriff auf Geld und sonstige Vermögensgegenstände. Hierunter fallen das unberechtigte Beschaffen von Geld oder sonstiger Vermögensgegenstände des Dienstherrn, eines Kollegen oder eines außenstehenden Dritten.101 Die Beschaffung des Geldes kann sowohl durch direkten Zugriff als auch durch (Kassen-)Manipulation, etwa in Form des Nichtabführens eingegangener Gelder, erfolgen. Auch eine nur kurzfristige private Verwendung oder teilweise Aneignung von Geld oder Sachen beseitigt die Pflichtwidrigkeit nicht.102 Der Tatbestand ist auch dann erfüllt, wenn der Beamte den Zugriff durch einen Dritten ermöglicht.103 Beispiele für ein solches Zugriffsdelikt sind etwa der Diebstahl, die Unterschlagung oder Veruntreuung dienstlich erlangter oder anvertrauter Gelder104 oder sonstiger Gegenstände105.

28Die frühere Rechtsprechung, wonach bei Zugriffsdelikten zu Lasten des Dienstherrn oder einem gleich gestellten Delikt die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die Richtschnur für die Maßnahmebemessung sein soll,106 hat das BVerwG und ihm folgend auch der VGH BW aufgegeben. Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vorsätzliche Straftat des Beamten hervorgerufen worden ist, ist nunmehr bei innerdienstlichen Straftaten auf den gesetzlichen Strafrahmen zurückzugreifen. Begeht der Beamte innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für mögliche Disziplinarmaßnahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.107

Im Übrigen steht für die Ahndung von fehlsamen Umgang mit öffentlichen Mitteln, ohne dabei die Strafbarkeitsschwelle zu erreichen, wegen der Vielfalt der möglichen Pflichtverstöße grundsätzlich der gesamte disziplinarrechtliche Maßnahmenkatalog zur Verfügung.108

Bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens maßgebendes Bemessungskriterium.109 Für die Schwere des Dienstvergehens können bestimmend sein die objektive Handlung (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung sowie besondere Umstände der Tatbegehung wie etwa Häufigkeit und Dauer des Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Fehlverhalten) sowie die unmittelbaren Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und Dritte, zum Beispiel der materielle Schaden.110 Im Falle einer veruntreuenden Unterschlagung zum Nachteil des Dienstherrn ist der Beamte in der Regel aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn im Einzelfall Erschwerungsgründe vorliegen, denen keine Milderungsgründe von solchem Gewicht gegenüberstehen, dass eine Gesamtbetrachtung nicht den Schluss rechtfertigt, der Beamte habe das Vertrauen in die pflichtgemäße Amtsführung endgültig verloren.111 Dasselbe gilt bei einem innerdienstlichen Betrug zum Nachteil des Dienstherrn.112

Erschwerungsgründe können sich aus der Anzahl der Handlungen, der Höhe des Gesamtschadens, der missbräuchlichen Ausnutzung der dienstlichen Stellung oder dienstlich erworbener Kenntnisse ergeben.113

Als von der Rechtsprechung114 anerkannte Milderungsgründe115 kommen in Betracht:

– eine unverschuldete ausweglose wirtschaftliche Notlage

– eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer psychischen Ausnahmesituation

– eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit entsprechend § 21 StGB

– die freiwillige Offenbarung des Fehlverhaltens oder die Wiedergutmachung des Schadens vor Tatentdeckung

– die Geringwertigkeit der Sache (etwa bis 50 Euro)

– die Entgleisung während einer negativen inzwischen überwundenen Lebensphase.

Darüber hinaus verlangen das Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass über die in der Rechtsprechung anerkannten Milderungsgründe hinaus bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sämtliche be- und entlastende Gesichtspunkte ermittelt und berücksichtigt werden, vgl. auch § 12 LDG.

29bb) Betrug gegenüber dem Dienstherrn. Dabei muss nicht in jedem Fall der Straftatbestand des § 263 StGB erfüllt sein, der Beamte muss aber in Bereicherungsabsicht handeln.116 Hierunter fallen etwa Beihilfe- oder Reisekostenbetrug,117 das Führen privater Telefongespräche unter Kennzeichnung als Dienstgespräche118 oder das günstige Beziehen von Waren für private Zwecke unter der Bezeichnung als Dienstgut.119 Der Betrug kann auch durch Unterlassen begangen werden, wenn die Pflicht bestand, eine veränderte Sachlage zu melden. Diese Meldepflicht besteht für dienstlich erhebliche Umstände schon aus der allgemeinen Wahrheits- und Unterstützungspflicht und daneben speziell aus vorangegangener Veranlassung.120

30cc) Der Missbrauch dienstlicher Möglichkeiten für private Zwecke. Die Pflicht zur Uneigennützigkeit bedeutet auch, dass der Beamte sich aus dem Dienst ergebende Kenntnisse und Möglichkeiten nicht zum Schaden des Dienstherrn mit privaten Interessen verknüpfen darf. Hierunter fällt etwa der Einsatz von Mitarbeitern für private Zwecke, der Gebrauch von Dienstfahrzeugen für Privatfahrten oder die Beschaffung oder Reparatur auf Kosten des Dienstherrn.121

31dd) Vorteilsannahme, Bestechlichkeit und das Verbot der Annahme von Belohnungen, Geschenken und sonstigen Vorteilen (§§ 331 ff. StGB, 42 BeamtStG) – Korruption.

Wer eine Straftat nach §§ 331 ff. StGB (Vorteilsannahme, Bestechlichkeit) begeht, begeht zugleich einen Verstoß gegen § 34 Satz 2 und 3 BeamtStG und damit ein in der Regel schweres Dienstvergehen,122 welches die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigt, wenn kein Milderungsgrund vorliegt.

32Daneben liegt ein Dienstvergehen vor, wenn der Beamte gegen das Verbot der Annahme von Belohnungen, Geschenken und sonstigen Vorteilen nach § 42 BeamtStG verstößt, auch wenn das Verhalten nicht strafbar ist.123 Danach darf der Beamte keine Belohnungen, Geschenke oder sonstige Vorteile für sich oder eine dritte Person fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. Als Belohnung oder Geschenk genügt jeder vermögenswerte Vorteil,124 also auch ein verbilligter Einkauf, ein kostenloser Urlaub, ein zinsgünstiges Darlehen125 oder die Nutzung eines PKW über einen längeren Zeitraum.126 Der Vorteil muss nicht unbedingt dem Beamten gewährt werden. Die Vorteilsgewährung an einen Dritten genügt dann, wenn der Beamte dies noch als eigenen Vorteil empfinden kann (z. B. nahe Angehörige oder Freunde).127 Nicht erforderlich ist, dass dabei eine Gegenleistung des Beamten für die Vorteilsgewährung versprochen oder in Aussicht gestellt worden ist. Entscheidend bei § 42 BeamtStG ist vielmehr, dass bereits jeder Anschein einer Käuflichkeit oder Gefälligkeit vermieden werden soll.128 Die Belohnung, das Geschenk oder der sonstige Vorteil muss in Bezug auf das Amt gefordert, versprochen oder gewährt werden. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Geber sich nach den konkreten Umständen davon hat leiten lassen, dass der Beamte Inhaber des betreffenden Amtes ist oder war.129 Dabei ist die amtliche Tätigkeit weit zu sehen. Sie umfasst alle Möglichkeiten, die mit der Dienststellung des Beamten verbunden sind.130 Ein Verstoß gegen § 42 BeamtStG liegt dann nicht vor, wenn die Geschenkannahme vom Dienstvorgesetzten genehmigt worden ist, § 42 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, oder das Geschenk wegen der geringen Höhe angenommen werden durfte.131 Bei Verstößen gegen das Verbot der Geschenkannahme handelt es sich um eine schwere Pflichtverletzung. Dienstgeschäfte müssen uneigennützig erfüllt werden und dürfen nicht von privaten Vorteilen geprägt sein. Andernfalls nimmt die Integrität des Berufsbeamtentums Schaden.132 Ein Verstoß gegen § 42 BeamtStG führt jedenfalls dann zu einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, wenn der Beamte eine ihm als Äquivalent angesonnene pflichtwidrige Amtshandlung tatsächlich vorgenommen hat oder wenn er erhebliche Geldzuwendungen angenommen hat.133

33ee) Rechtsprechung zu §§ 34 Satz 2 und 42 BeamtStG

– Entfernung eines Lehrers aus dem Beamtenverhältnis wegen der Veruntreuung von Schülergeldern.134

– Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat (wie Diebstahl, Unterschlagung oder Betrug) hervorgerufen worden ist, ist bei innerdienstlich begangenen Straftaten auf den gesetzlichen Strafrahmen zurückzugreifen, weil dies eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinare Ahndung gewährleistet. Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.135

– Für die Ahndung fehlsamen Umgangs mit öffentlichen Mitteln steht, auch wenn die Strafbarkeitsschwelle der Untreue nicht erreicht wird, wegen der Vielfalt möglicher Pflichtverstöße grundsätzlich der gesamte disziplinarrechtliche Maßnahmenkatalog zur Verfügung.136

– In Fällen des innerdienstlichen Betrugs zum Nachteil des Dienstherrn ist der Beamte in der Regel aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn im Einzelfall Erschwerungsgründe vorliegen, denen keine Milderungsgründe von solchem Gewicht gegenüberstehen, dass eine Gesamtbetrachtung nicht den Schluss rechtfertigt, der Beamte habe das Vertrauen in seine Amtsführung endgültig verloren. Bei solchen innerdienstlichen Pflichtverletzungen wirkt sich die Stellung als Polizeibeamter erschwerend aus, wenn sie unter Ausnutzung der dienstlichen Stellung begangen werden. Denn Dienstherr, Öffentlichkeit und betroffene Bürger müssen sich auf die Ehrlichkeit und Gesetzestreue von Polizeibeamten im Einsatz unbedingt verlassen können.137

– Der Umgang mit öffentlichen Mitteln kann, auch wenn die Strafbarkeitsschwelle der Untreue nicht erreicht wird, objektiv dienstpflichtwidrig sein, wenn ein Beamter, zu dessen funktionellen Amtspflichten der Umgang mit öffentlichen Mitteln gehört, innerhalb seines dienstlichen Verantwortungsbereichs gegen das allgemeine Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstößt, indem er öffentliche Mittel objektiv unwirtschaftlich verwendet oder der öffentlichen Hand zustehende Einnahmen nicht oder nicht rechtzeitig erhebt. Unwirtschaftlich kann auch die Anschaffung objektiv nicht geeigneter Gegenstände sein, insbesondere wenn diese zur objektiven Aufgabenwahrnehmung nicht zur Verfügung gestellt werden.138

34c) Die Pflicht zum achtungswürdigen Verhalten, § 34 Satz 3 BeamtStG. § 34 Satz 3 BeamtStG verlangt, dass das Verhalten des Beamten der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordert. Dabei muss auch unterschieden werden, ob es sich um ein Verhalten während des Dienstes oder außerhalb des Dienstes handelt, vgl. auch § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG.139 Nicht mehr jedes außerdienstliche Verhalten hat Auswirkungen auf die Achtung und das Vertrauen, das mit der besonderen Rechtsstellung des Beamten verbunden ist (vgl. unten Rn. 39 ff.). Bei der Pflicht zum achtungswürdigen Verhalten nach § 34 Satz 3 BeamtStG können folgende Fallgruppen unterschieden werden:

35aa) Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Die Pflicht zum achtungswürdigen Verhalten nach § 34 Satz 3 BeamtStG kann verletzt sein bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Der Begriff der sexuellen Belästigung ist definiert in § 3 Abs. 4 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz140). Sexuelle Belästigung liegt danach dann vor, wenn ein unerwünschtes sexuell bestimmtes Verhalten bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Der Gesetzeswortlaut macht auch deutlich, dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz sowohl in tätlicher als auch in verbaler Form, etwa durch obszöne oder kompromittierende Äußerungen oder Anmerkungen, möglich ist. Entscheidend für die Erfüllung des Tatbestandes dabei ist auch, dass das Verhalten von der belästigten Person erkennbar abgelehnt wird. Die bisherige Rechtsprechung zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz bleibt auch nach Inkrafttreten des AGG aktuell.141 Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz wird heute sowohl von der Öffentlichkeit als auch von den Verwaltungsgerichten erheblich kritischer und strenger beurteilt als dies früher der Fall war. Besonders schwerwiegend sind die Fälle, in denen dabei ein Abhängigkeitsverhältnis, etwa in der Ausbildung, ausgenutzt wird, oder wenn berufliche Vorteile versprochen oder Nachteile angedroht werden.142 Das Dienstvergehen der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz wird in der Regel mit einer Kürzung der Bezüge geahndet. Kommen erschwerende Umstände wie etwa das Ausnutzen eines Abhängigkeitsverhältnisses dazu, ist auch die Zurückstufung oder die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis möglich.143

Zudem besteht seit dem 4.11.2016 auch der Straftatbestand der sexuellen Belästigung nach § 184i StGB. Hat sich ein Beamter nach § 184i StGB strafbar gemacht, so ist auch ein Verstoß gegen § 34 Satz 3 BeamtStG zu prüfen.

36bb) Mobbing. Unter Mobbing ist ein systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Beschäftigten untereinander oder durch den Vorgesetzten zu verstehen, welches über gewöhnliche von jedermann zu bewältigende Schwierigkeiten hinausgeht und eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts, der Ehre oder der Gesundheit des Betroffenen darstellen kann.144 Dabei muss im konkreten Einzelfall jedoch genau dargestellt werden, welches konkrete Verhalten als Mobbing in Betracht kommt, auch weil der Begriff „Mobbing“ heute oft vorschnell verwendet wird, ohne dass oft wirklich die oben genannten Voraussetzungen vorliegen.145 Liegt allerdings der Tatbestand des Mobbing vor, ist ein möglicher Verstoß gegen § 34 Satz 3 BeamtStG zu prüfen. Unternimmt ein Vorgesetzter nichts dagegen, wenn er derart schädigende Verhaltensweisen von Mitarbeitern gegenüber Kollegen erkennt, verstößt er sowohl gegen die Pflicht zum achtungswürdigen Verhalten nach § 34 Satz 3 BeamtStG als auch gegen die Dienstleistungs- und Fürsorgepflicht nach § 34 Satz 1 BeamtStG.146

37cc) Straftaten des Beamten während und außerhalb des Dienstes. Die Pflicht zum achtungswürdigen Verhalten nach § 34 Satz 3 BeamtStG kann auch verletzt sein, wenn der Beamte Straftaten begeht. Dabei muss hinsichtlich der disziplinarrechtlichen Bewertung zwischen Straftaten während und außerhalb des Dienstes unterschieden werden, vgl. auch § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG. Entscheidend, ob es sich um eine Straftat während oder außerhalb des Dienstes handelt, ist dabei der funktionale Bezug der Tat zum Dienst und nicht etwa die Zeit oder der Ort der Begehung (vgl. im Übrigen oben Rn. 6).147

38Straftaten während des Dienstes sind regelmäßig zugleich auch ein Verstoß gegen § 34 Satz 3 BeamtStG und damit eine Dienstpflichtverletzung, weil die Wohlverhaltenspflicht auch beinhaltet, keine Straftaten in Zusammenhang mit dem Dienst zu begehen.148 Soweit der Beamte sich durch die Straftat unrechtmäßig bereichert hat zu Lasten des Dienstherrn, von Kollegen oder Bürgern, mit denen dienstlicher Kontakt besteht, liegt zugleich auch ein Verstoß gegen die Pflicht zur Uneigennützigkeit nach § 34 Satz 2 BeamtStG vor,149 vgl. oben Rn. 26 ff.

39Bei Straftaten außerhalb des Dienstes ist zu berücksichtigen, dass der Beamte dabei in erster Linie Privatperson ist und deshalb die Anforderungen an ein Dienstvergehen höher sind als bei einem Fehlverhalten während des Dienstes, vgl. auch § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG. Ein Dienstvergehen liegt nur dann vor, wenn es im Einzelfall ein konkret bestimmbares dienstliches Interesse an der disziplinaren Verfolgung gibt.150 In diesem Zusammenhang ist auch die neuere Rechtsprechung des BVerwG151 zu beachten, wonach die geänderten gesellschaftlichen Anschauungen hinsichtlich des außerdienstlichen Verhaltens eines Beamten zu beachten sind. Als Dienstvergehen ist das außerdienstliche Verhalten nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG nur dann zu qualifizieren, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Dabei reicht eine Pflichtverletzung selbst zur Annahme eines Dienstvergehens nicht aus. Hinzutreten müssen weitere auf die Eignung zur Vertrauensbeeinträchtigung bezogene Umstände. Nur soweit es um die Wahrung des Vertrauens des Bürgers in die Integrität der Amtsführung und damit um die künftige Aufgabenwahrnehmung geht, vermag das durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Interesse an der Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums die im privaten Bereich des Beamten wirkenden Grundrechte einzuschränken. Dies ist bei einem gegen den Staat gerichteten Verhalten (§§ 80 bis 120 StGB), wenn das Vermögen des Staates betroffen ist oder bei vorsätzlich begangenen schwerwiegenden und mit einer Freiheitsstrafe bedrohten Straftaten regelmäßig der Fall.152 Unterhalb dieser Schwelle erwartet der Gesetzgeber vom Beamten kein wesentlich anderes Sozialverhalten als von jedem anderen Bürger. Private Straßenverkehrsdelikte etwa erfordern daher in der Regel kein disziplinarrechtliches Sanktionsbedürfnis.153

40Ein Verstoß gegen die Pflicht zum achtungswürdigen Verhalten außerhalb des Dienstes kann aber dann vorliegen, wenn der Pflichtenverstoß einen Bezug zum Amt des Beamten hat. Bezugspunkt hierfür ist das Amt des Beamten im statusrechtlichen Sinn und nicht der gegenwärtig innegehabte Dienstposten. Je näher der Bezug des außerdienstlichen Fehlverhaltens des Beamten zu dem ihm übertragenen Aufgabenbereich ist, umso eher kann davon ausgegangen werden, dass das Vertrauen beeinträchtigt ist, welches sein Beruf erfordert.154 Deshalb haben außerdienstlich begangene Straftaten einen hinreichenden Bezug zum Amt eines Polizeibeamten, weil Polizeibeamte von Berufs wegen Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen haben.155 Sie genießen daher in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung. Ebenso wiegt bei Lehrern der außerdienstliche Besitz von Kinderpornografie besonders schwer, weil ein enger dienstlicher Bezug gegeben ist. Denn ein derartiges Verhalten gibt begründeten Anlass zu Zweifeln an der Eignung für den Lehrerberuf.156

41dd) § 34 Satz 3 BeamtStG als Auffangtatbestand. Die Pflicht zum achtungswürdigen Verhalten nach § 34 Satz 3 BeamtStG ist daneben auch ein Auffangtatbestand für alle Dienstpflichten, die keine spezielle Regelung im Beamtenrecht gefunden haben.157 Hierunter fallen etwa:

– Der Verstoß gegen die Pflicht zur Kollegialität.158 Diese erfordert Achtung, Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme gegenüber Kollegen und Mitarbeitern. Meinungsverschiedenheiten sind sachlich und in einer für die weitere Zusammenarbeit förderlichen Weise auszutragen. Daher können beleidigende oder ausfallende Äußerungen oder Tätlichkeiten gegen einen Kollegen oder Vorgesetzten einen Verstoß gegen § 34 Satz 3 BeamtStG darstellen.159 Dasselbe gilt bei einer wissentlich falschen oder leichtfertigen Strafanzeige gegen einen Kollegen oder Vorgesetzten.160

– Ein schwerwiegender Verstoß gegen die Pflicht nach § 34 Satz 3 BeamtStG liegt vor, wenn ein Beamter einer Weisung nach § 53 LBG zur ärztlichen Untersuchung seiner weiteren Dienstfähigkeit keine Folge leistet (vgl. hierzu oben Rn. 16) und aus diesem Grund weder über seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand entschieden noch eine Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit versucht werden kann.161

– Ein Beamter, der in behördeninternen Gesprächen Menschen jüdischer Abstammung eine eigene Schuld an den ihnen im Nationalsozialismus widerfahrenen Schicksal zuweist, verstößt gegen die Pflicht nach § 34 Satz 3 BeamtStG.162

Leichtfertiges Schulden machen bedeutet nur dann einen Verstoß gegen § 34 Satz 3 BeamtStG, wenn der Beamte dabei betrügerisch vorgeht, etwa die Kreditwürdigkeit durch Vorlage eines Dienstausweises vortäuscht oder sonst beim Eingehen oder Abwickeln der Verbindlichkeit sich unredlich verhält.163

– Ein Beamter, der seit zwei Jahren wegen Dienstunfähigkeit keinen Dienst leistet, in diesem Zeitraum aber an Wahlkampfauftritten für seine Kandidatur als Bürgermeister teilnimmt, verstößt gegen § 34 Satz 3 BeamtStG.164

– Ein Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht des § 34 Satz 3 BeamtStG liegt vor, wenn ein Beamter, der wegen Dienstunfähigkeit keinen Dienst leistet, in dieser Zeit körperlich und psychisch anstrengende Wettkämpfe bestreitet (hier Teilnahme an Reitturnieren), weil ein verständiger außenstehender Betrachter hierfür kein Verständnis hat.165

42ee) Rechtsprechung zu § 34 Satz 3 BeamtStG

– Bei Lehrern wiegt der außerdienstliche Besitz kinderpornografischen Materials besonders schwer, weil hier stets ein enger dienstlicher Bezug gegeben ist. Ein derartiges Verhalten gibt begründeten Anlass zu Zweifeln an der Eignung für den Lehrerberuf. Demnach führt nach neuerer Rechtsprechung des BVerwG der Besitz kinderpornographischer Schriften hier auch bei geringer Anzahl oder niederschwelligem Inhalt in der Regel zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.166

– Polizeibeamte haben Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen; sie genießen in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung. Das zur Ausübung dieser Ämter erforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte außerhalb des Dienstes selbst erhebliche Straftaten begehen (hier der private Besitz kinderpornografischer Bild- und Videodateien).167

– Ein Polizeibeamter mit Vorgesetztenstellung, der sich in nicht unerheblichem Umfang wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften und wegen deren Weitergabe an Dritte strafbar gemacht hat, ist regelmäßig aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

– Begeht ein Polizeibeamter eine Körperverletzung im Amt an einer im Polizeigewahrsam befindlichen Person, ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die typischerweise in Betracht kommende Disziplinarmaßnahme, es sei denn, dem Übergriff ging eine schwere Provokation oder ein Angriff voraus.168

– Ein Polizeibeamter, der sich wiederholt des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (Cannabisprodukte) schuldig macht und dabei engen Kontakt zum Milieu der Drogenlieferanten pflegt, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.169 Dasselbe gilt, wenn ein Polizeibeamter mehrfach außerhalb des Dienstes in einer Diskothek Amphetamine ankauft und dabei Kontakt zum Drogenmilieu pflegt.170

– Ein (Polizei-)Beamter, der in seiner Freizeit an Veranstaltungen der rechten oder rechtsextremen Szene teilnimmt, verstößt gegen die Pflicht nach § 34 Satz 3 BeamtStG. Ein Polizeibeamter ist im Interesse des Vertrauens der Öffentlichkeit in eine dem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat verpflichtete Beamtenschaft gehalten zu vermeiden, dass er durch sein öffentliches außerdienstliches Verhalten den Anschein erweckt, sich mit dem Nationalsozialismus oder rechtsextremen Strömungen zu identifizieren, oder auch nur zu sympathisieren. Pflichtwidrig handelt dabei auch derjenige, der zwar kein Gegner der freiheitlich demokratischen Grundordnung ist, durch konkretes Handeln aber diesen Rechtsschein hervorruft. Dies gilt insbesondere für Polizeibeamte, zu dessen Aufgaben es gehört, Straftaten zu verhüten und drohende Gefahren für die freiheitlich demokratische Grundordnung abzuwehren.171

– Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz stellt ein Dienstvergehen nach § 34 Satz 3 BeamtStG dar. Ein schwerer Fall, der im Einzelfall auch zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen kann, liegt dann vor, wenn dies unter Ausnutzung der Vorgesetzteneigenschaften erfolgt ist.172

– Ein Beamter hat mehrere dienstliche Weisungen, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, nicht befolgt, weisungswidrig an einem dienstlich angeordneten Personalgespräch nicht teilgenommen und angekündigt, er werde in Zukunft Weisungen, sich beim Amtsarzt vorzustellen, nicht mehr befolgen: Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.173

– Die sexuellen Aktivitäten eines Beamten (hier eines Lehrers) außerhalb des Dienstes sagen grundsätzlich nichts über seine charakterliche Eignung aus und sind deshalb für das Beamtenverhältnis nur dann von Bedeutung, wenn der Beamte dadurch Strafgesetze verletzt, die öffentliche Ordnung stört oder er sein Sexualleben in einer Form öffentlich macht, die geeignet ist, den Dienstbetrieb zu beeinträchtigen oder das Ansehen des Dienstherrn herabzusetzen.174

– Den Beamten trifft bei Meinungsäußerungen in Form und Inhalt eine Mäßigungspflicht auch und erst recht bei Kritik am Vorgesetzten. Im Rahmen von einer Beschwerde darf sich der Beamte deutlich ausdrücken, muss aber sachlich bleiben. Er darf keine verleumderische, diffamierende oder beleidigende Aussage über Andere oder sonst wissentlich falsche oder unwahre Aussagen machen.175

– Außerhalb des Dienstes unter Alkoholeinfluss begangene Straftaten sowie durch Aggressivität und Unbeherrschtheit geprägte Verhaltensweisen eines Polizeibeamten: Kürzung der Bezüge.176

43d) Die Pflicht zur Neutralität und zur politischen Mäßigung, § 33 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 BeamtStG. Hierbei sind folgende Fallgruppen zu beachten.

44aa) Die Pflicht zur Neutralität. Die Pflicht zur Neutralität nach § 33 Abs. 1 Satz 1 und 2 BeamtStG besagt, dass der Beamte seine dienstlichen Aufgaben unparteiisch und gerecht erfüllen muss. Er muss allein nach sachlichen Gesichtspunkten handeln und entscheiden und darf niemanden ohne Grund bevorzugen oder benachteiligen.177 Der Beamte ist nur dem Allgemeinwohl und nicht bestimmten Einzelinteressen verpflichtet. Die Neutralitätspflicht ist Bestandteil der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG.178 Die Neutralitätspflicht gilt im Verhältnis des Beamten zum Bürger, aber auch im Verhältnis des Vorgesetzten zum Mitarbeiter. Ein Verstoß gegen die Neutralitätspflicht liegt zum Beispiel auch dann vor, wenn der Leiter eines Personalreferats in einem Kantinengespräch ausländerfeindliche Äußerungen macht und dadurch die Besorgnis rechtfertigt, dass er bei der Erfüllung seiner Aufgaben Personen solcher Herkunft gegenüber anderen benachteiligen werde179 oder wenn ein Polizeibeamter versucht, eine bei der Polizei aufbewahrte Blutprobe eines Bekannten als Beweismittel für eine Ordnungswidrigkeit zu vernichten.180

45Folge der Neutralitätspflicht ist darüber hinaus, dass der Beamte nach § 52 LBG von solchen Amtshandlungen zu entbinden ist, die sich gegen ihn selbst oder Personen richten, zu deren Gunsten ihnen wegen familienrechtlicher Beziehungen im Strafverfahren ein Zeugnisverweigerungsrecht zustünde, um mögliche Konflikte mit der Pflicht zur Neutralität und Unbefangenheit zu vermeiden. Daneben sind die §§ 20 und 21 LVwVfG zu beachten, wonach der Beamte in den Fällen einer Befangenheit nicht für seine Dienststelle tätig werden darf und darüber hinaus zur Information gegenüber dem Vorgesetzten verpflichtet ist. Um eine neutrale und objektive Amtsführung zu gewährleisten und jeden Verdacht einer möglichen Befangenheit auszuschließen, sind diese Regelungen weit auszulegen und anzuwenden.181 Unabhängig davon bedeutet die Neutralitätspflicht auch, dass der Beamte in allen Fällen, in denen ein Grund vorliegt, der mögliche Zweifel an seiner Neutralität oder Unbefangenheit aufkommen lässt, eine Informations- und Offenbarungspflicht gegenüber dem Vorgesetzten hat, damit dieser dann entscheiden kann, ob er dem Beamten die Fallbearbeitung entzieht oder nicht.182 Folge der Neutralitätspflicht ist auch, dass der Beamte keine Nebentätigkeit ausüben darf, die mit seinen dienstlichen Interessen und Pflichten kollidieren kann und deshalb seine Unparteilichkeit und Unbefangenheit beeinträchtigen kann, § 62 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 LBG (vgl. unten Rn. 73). Folge der Neutralitätspflicht ist schließlich auch, dass der Beamte für sich oder eine dritte Person keine Belohnungen und Geschenke in Bezug auf sein Amt fordern, sich versprechen lassen oder annehmen darf, § 42 BeamtStG, weil dadurch seine Unparteilichkeit oder Unbefangenheit beeinträchtigt werden kann (vgl. oben Rn. 32).

46bb) Die Pflicht zur politischen Mäßigung. Sinn und Zweck der Pflicht zur politischen Mäßigung nach § 33 Abs. 2 BeamtStG ist, dass der Bürger auf die Unparteilichkeit der öffentlichen Verwaltung vertrauen darf183 und der Dienstherr auf die Loyalität seiner Mitarbeiter angewiesen ist.184

Deshalb ist bei der politischen Betätigung während des Dienstes die entsprechende Zurückhaltung geboten.185 Das Tragen einer Plakette mit einer politischen Parole im Dienst kann deshalb einen Verstoß gegen die Pflicht zur politischen Zurückhaltung darstellen, ebenso – auch wegen § 68 Abs. 2 LPVG – der Aufruf eines beamteten Personalrates an die Mitarbeiter seiner Dienststelle zu einem zulässigen Warnstreik.186 Allerdings steht die Pflicht zur politischen Mäßigung im Spannungsverhältnis zu den Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1, 8 und 9 GG. Die Güterabwägung zwischen den Beamtenpflichten und den Grundrechten des Beamten führt hier dazu, dass der Beamte sich außerhalb des Dienstes uneingeschränkt politisch betätigen darf, solange er keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterstützt und bei seinem politischen Engagement keinen Bezug zum Dienst herstellt.187 Denn der Beamte ist verpflichtet, zwischen seinem Amt und seiner privaten politischen Betätigung eine klare Trennung vorzunehmen.188

47cc) Rechtsprechung zu § 33 Abs. 1 Satz 1 und 2 und Abs. 2 BeamtStG

– Ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrkräfte an öffentlichen Schulen ist mit der Verfassung, nämlich mit Art. 4 Abs. 1 GG, nicht vereinbar. Von einer religiösen Bekundung muss nicht nur eine abstrakte, sondern vielmehr eine hinreichend konkrete Gefahr der Beeinträchtigung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität ausgehen, um ein solches Verbot im Einzelfall zu rechtfertigen.189

– Eine Referendarin, die sich aus religiösen Gründen verpflichtet sieht, auch beim Unterrichten ein Kopftuch zu tragen, kann der Zugang zur Lehrerausbildung im öffentlichen Schulwesen nicht allein deshalb verweigert werden, um einer abstrakten Gefährdung des religiös-weltanschaulichen Schulfriedens vorzubeugen.190

– Benutzt ein Beamter sein dienstliches Telefon zur Wahlwerbung als Kandidat für die Bundestagswahl oder im Rahmen seiner politischen Betätigung, verstößt er gegen die Pflicht zur Neutralität.191

– Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn einer Gewerkschaft vom Dienstherrn untersagt wird, während des Dienstes im Dienstgebäude eine Unterschriftenaktion zur Einstellung von zusätzlichen Beamten durchzuführen. Die staatliche Neutralität und das öffentliche Vertrauen in die Objektivität und gemeinwohl-orientierte Ausführung der Amtsgeschäfte können beeinträchtigt werden, wenn sich eine Gewerkschaft den Bereich der staatlichen Aufgabenerfüllung zur Durchsetzung ihrer politischen Forderungen zu Nutze zu machen versucht.192

– Das Gebot zur politischen Mäßigung kann verletzt sein, wenn Lehrer in einem Brief die Eltern der Schüler ihrer Schule zur Unterstützung in einer tarif- und schulpolitischen Frage auffordern und dabei psychologischen Druck ausüben.193

– Das Gebot, eine klare Trennung zwischen dem Amt und der politischen Betätigung einzuhalten, bedeutet auch, dass Polizeibeamte bei ihrer privaten politischen Betätigung keine Uniform tragen dürfen. Anders verhält es sich jedoch, wenn es sich dabei um eine Veranstaltung einer der Öffentlichkeit ohnehin bekannten Polizeigewerkschaft handelt. Denn bei diesen Veranstaltungen gehen die Zuschauer ohnehin davon aus, dass es sich bei den Teilnehmern ausnahmslos um Polizeibeamte handelt.194

– Ein beamtetes Mitglied des Personalrates, welches die Tarifbeschäftigten seiner Dienststelle zu einem (zulässigen) Warnstreik aufruft, verstößt als Personalratsmitglied gegen die Neutralitätspflicht und außerdem gegen die Pflicht zum achtungswürdigen Verhalten nach § 34 Satz 3 BeamtStG.195

48e) Die Pflicht zur Verfassungstreue, § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG. Hierbei sind folgende Gesichtspunkte wichtig.

49aa) Die Pflicht zur Verfassungstreue beinhaltet, dass der Beamte sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten muss. Sie ist eine Kernpflicht des Beamten und Bestandteil von Art. 33 Abs. 5 GG.196 Die Vorschrift knüpft an die Regelung des § 7 Abs. 1 Nr. 2 BeamtStG an, wonach in das Beamtenverhältnis nur berufen werden darf, wer die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Bei der freiheitlich-demokratischen Grundordnung handelt es sich um eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt.197 Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteiensystem und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.198

50bb) Verfassungstreues Verhalten bei der Dienstausübung erfordert positiv, dass der Beamte über die korrekte Erfüllung seiner einzelnen Pflichten hinaus etwaige Handlungsspielräume im Sinne der Verfassungsordnung nutzt. So muss zum Beispiel ein Lehrer im Unterricht auch die Grundwerte und Grundentscheidungen der Verfassung glaubhaft vermitteln.199 Die Pflicht zur Verfassungstreue besteht auch außerhalb des Dienstes. Sie verlangt, dass der Beamte sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren.200 Der Beamte darf deshalb keine Vereinigungen und Parteien unterstützen, deren Zielsetzungen mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unvereinbar sind. Ob die bloße Mitgliedschaft in einer solchen Partei oder Organisation schon ausreicht, um einen Verstoß gegen die Pflicht nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG anzunehmen, erscheint zweifelhaft201 und ist eine Frage des Einzelfalles. Entscheidend ist jedenfalls das konkrete Verhalten des Beamten. So kann die Pflicht zur Verfassungstreue jedenfalls dann verletzt sein, wenn der Betreffende aktiv und erkennbar für die Ziele dieser Organisation eintritt und Ämter oder Funktionen in dieser verfassungsfeindlichen Partei oder Vereinigung anstrebt oder ausübt.202 Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Partei oder Organisation wegen ihrer verfassungsfeindlichen Betätigung verboten ist oder nicht. Entscheidend ist nur, ob ihre Zielsetzung und ihr politisches Programm mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar ist oder nicht.203

51cc) Rechtsprechung zu § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG

– Ein Polizeibeamter ist im Interesse des Vertrauens der Öffentlichkeit in eine dem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat verpflichtete Beamtenschaft gehalten zu vermeiden, dass er durch sein öffentliches außerdienstliches Verhalten in vorhersehbarer und damit ihm zurechenbarer Weise den Anschein setzt, sich mit rechtsextremen Strömungen zu identifizieren oder auch nur zu sympathisieren. Er ist im Interesse der Akzeptanz und der Legitimation staatlichen Handelns verpflichtet, bereits den Schein der Identifikation mit einem dem freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegengesetzten Gedankengut zu vermeiden. Pflichtwidrig handelt also auch derjenige, der zwar kein Gegner der freiheitlich demokratischen Grundordnung ist, durch konkretes Handeln aber diesen Rechtsschein hervorruft.204

– Verletzt ein Beamter durch sein dienstliches oder außerdienstliches Verhalten seine Pflicht, sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten, kann dies geeignet sein, das zwischen dem Beamten und seinem Dienstherrn bestehende Vertrauensverhältnis unheilbar zu zerstören und somit die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu rechtfertigen.205

– Die Pflicht zur Verfassungstreue verlangt von dem Beamten, sich mit der Idee der freiheitlich-demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren, dem er als Beamter dienen soll. Sie fordert vom Beamten insbesondere, dass er trotz einer durchaus erwünschten kritischen Einstellung den Staat und seine geltende Verfassungsordnung bejaht, und dass er sich durch Wort und sonstiges Verhalten in äußerlich erkennbarer Weise aktiv für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einsetzt. Die Pflicht zur Verfassungstreue ist auch vereinbar mit Art. 10 und 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Die bloße Mitgliedschaft in einer Partei mit Zielen, die mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind, schließt nicht zwingend ein verfassungstreues Verhalten aus. Sie kann aber bei der gebotenen Berücksichtigung der Einzelumstände des jeweils zu entscheidenden Falles gleichwohl Schlüsse auf die fehlende Verfassungstreue rechtfertigen.206

Disziplinarrecht Baden-Württemberg

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