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Einführung

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Nur wenige Menschen erkennen, wie machtvoll eine Liebesbeziehung als ein Medium gemeinsamer Heilung sein kann – sowohl im körperlichen als auch im emotionalen oder spirituellen Sinne. Ebenso selten sind wir uns der Kraft des „treuen Herzens“ bewußt, uns aus der emotionalen Trance zu erwekken, die eine Beziehung bisweilen hervorruft. Auch sind wir kaum der Möglichkeit gewahr, unseren Liebespartner als den Göttlichen Geliebten, als die Göttliche Geliebte* zu erfahren.

Dieses Buch handelt nicht davon, wie man zu einer „netten“ Partnerschaft findet, sondern beschäftigt sich damit, wie man eine Partnerschaft als Mittel zu tiefgreifendem inneren Wachstum einsetzen kann. Zum großen Teil befaßt es sich damit, den leidenden Verstandesgeist in die Arme zu schließen, der es einfach nur „nett haben“ möchte, der zur Wahrung eines sicheren Territoriums in der Ecke hockt und keine Lust hat, sich mit den Ursachen seiner Angst und seiner Unbesonnenheit zu beschäftigen. In diesem Buch geht es darum, eine Liebesbeziehung zu entwickeln, die den denkenden Geist erleichtert und das Herz entflammt. Es geht um die Erleuchtung der Beziehung.

Alles hier Dargelegte betrachtet die Liebesbeziehung als spirituelle Praxis. Und es läßt die Techniken zur Klärung des Geistes und zur Öffnung des Herzens verschmelzen. Es bietet die Chance heilender Partnerschaft – einer Vereinigung auf dem Pfad zum Herzen, wo die Wunden der Vergangenheit und die Wirrnisse der Gegenwart von Güte und Gewahrsein empfangen werden. Eine Beziehung, die uns vollständig in die Gegenwart bringt, die es uns erlaubt, unsere wahre Natur zu vollenden.

Es geht darum, wie man eine Beziehung nutzen kann, um das Bewußtsein zu erkunden und eine Achtsamkeit und Herzenswärme zu entfalten, die auf immer neue Stufen der Einsicht führt. Und die vielleicht jedem Partner die seltene Möglichkeit bietet, in die eigenen Tiefen vorzustoßen, indem sie uns in einer mystischen Vereinigung mit etwas Größerem in beiden verbindet.

Wir wollen damit nicht sagen, daß eine Beziehung der einzige Weg sei oder auch nur ein besserer Weg als die ernsthaft unternommene Reise eines einzelnen, suchenden Herzens. Was wir hier mit den Lesern teilen möchten, läßt sich in Wahrheit auf einen Beziehungskreis anwenden, der weit über unsere normale „Paarbindung“ hinausreicht. Auch an der Seite des Partners geht jeder auf einem eigenen Weg.

Was wir hier vermitteln möchten, ist ein „Überlebenstraining am Rande der flachen Erdscheibe“. Es fordert uns dazu heraus, einen Schritt weiterzugehen, über sicheres Territorium hinauszuschreiten und in die Unermeßlichkeit zu gelangen. Unsere Angst vor dem Fallen hinter uns zu lassen. Die Furcht des Geistes zu beobachten, der meint, beim nächsten Schritt allen Halt zu verlieren und in die Tiefe zu stürzen. Und zu erkennen, daß wir mit diesem außergewöhnlichen Schritt ins All völlig in unser Leben eingedrungen sind – in die Erforschung unserer Urnatur, die jenseits unserer Grenzen in der unermeßlichen Weite schwebt. Und statt zu fallen, erheben wir uns sanft, lösen uns von unserem Leid und werden gewahr, daß es nur unsere Angst ist, die jene Schwerkraft, jene Bedrückung rings um unser Herz erzeugt.

So sind wir weder erschrocken noch deprimiert, wenn wir hören, daß fünfzig Prozent aller Eheschließungen in einer Scheidung enden. Statt dessen bestätigt dies eine tiefe Hoffnung, daß die Hälfte der Menschen, die heute heiraten, ihrem Liebespartner vielleicht auch noch am Totenbett zur Seite stehen werden. Die Hälfte aller heutigen Ehepartner werden also ihr ganzes Leben miteinander verbringen! Das Glas ist halb gefüllt, und jeder von uns erhält genug. Für den kleinen Geist sind fünfzig Prozent des Lebens zu wenig. Für den großen Geist aber ist es schon eine Gnade, wenn die Hälfte zur Verfügung steht.

Und wenn wir entdecken, daß unsere Beziehung alle Kraft einer spirituellen Praxis in sich bergen kann, weil in ihr die Erkundungen von Körper, Geist und Herz zu einer einzigen Praxis zusammenfließen, dann kann sich, zuerst nur für Augenblicke und später für Tage oder sogar Jahre, eine unbeugsame Verbundenheit, eine seelische Interexistenz entwickeln. Diese mystische Verbindung ist die Frucht einer bewußten, engagierten Beziehung.

Solche Beziehungen sind selten und lohnen alle Mühe, die wir auf sie verwenden. Sie laufen nach ihrem eigenen Zeitplan ab. Am Anfang fordern sie von uns alles, was wir haben. Kommen sie zur Reife, verlangen sie alles, was wir sind.

Daß dieses Buch in der ersten Person verfaßt wurde, folgt allein aus der Einzelrolle des Schreibenden. Sein Inhalt, der auf jahrelangem Experimentieren und Forschen beruht, leitet sich hauptsächlich von Aufzeichnungen ab, in denen Ondrea und ich die Erfahrungen unseres lebendigen Austausches festgehalten haben. Unsere Bindung an das Manuskript zwang uns dazu, die intuitiven, manchmal präverbalen Vorgänge unseres gemeinsamen Prozesses aus der Tiefe heraus in die Form der Sprache zu bringen. Aus dieser Formalisierung für die Praxis und vielleicht auch zum Nutzen anderer haben wir eine Menge gelernt.

Ondrea und ich arbeiten in der Weise, daß wir erst ein Brainstorming über ein Thema durchführen und unserem Geist Gelegenheit geben, die Strukturen und Nuancen dieses Themas zu ergründen. Dann ermuntern wir das Herz dazu, dies auf Papier zu reflektieren. Anschließend „essen und verdauen“ wir es. Und sehen zu, was sich offenbart!

Das Pronomen „Ich“ findet so oft Verwendung, weil Stephen – wie Ganesha von Vishnu – die gemeinsame Erfahrung eines vereinten Forschens überträgt. Das „Ich“, welches diese (an einem guten Tag) niederschreibt, ist nur ein Bote aus dem Herzen jener Zusammenarbeit.

Als wir nach einer Bezeichnung für unseren gemeinsamen Prozeß suchten, erwogen wir zuerst den Begriff „Tandem“, verwarfen ihn dann aber wieder. Denn das Wörterbuch definierte ihn als ein Individuum, das ein anderes führt. Dennoch: wie bei zwei Kletterern an einem einzigen Seil geht einer von zweien oft voraus und erleichtert dem anderen sein Weiterkommen. Und da man morgens nie vorhersehen kann, wer an diesem Tag ein wenig heller und klarer sein wird, erscheint uns die Bezeichnung „Tandem“ gar nicht einmal so unpassend.

In Wahrheit brauche ich, wenn irgendein Aufstieg zu bewältigen ist, nur den Kopf zu wenden, um Ondrea zu sehen, die sich über dieselbe schroffe Felskuppe emporzieht. Meist hängt das Seil locker zwischen uns.

* Der/die Leser/in möge sich vor Augen halten, daß diesem Begriff (the Beloved) eigentlich kein grammatisches Geschlecht zuzuordnen ist, die Grenzen der deutschen Sprache jedoch eine solche Zuordnung verlangen. So wird in diesem Buch zwischen männlichem und weiblichem Genus gewechselt – in derselben Weise, die der Autor später gebraucht, um eine geschlechtliche Fixierung des ichbezogenen Geistesaspektes „Narziß“ zu umgehen. (Anm. d. Übers.)

In Liebe umarmen

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