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3.2 Stellung des Theaters im Surrealismus

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Breton stand der Institution Theater aus mehreren Gründen skeptisch gegenüber: Theater war ein Zeichensystem und als solches nicht wahrhaftig, es war finanziellen Zwängen unterworfen, außerdem war es für Breton ein Ausdrucksmittel unter vielen und stand im Dienste eines erweiterten Poesiebegriffs, weshalb eine Beschäftigung mit Theater als Kunstform drohte, ins Ästhetizistische abzugleiten. In der Introduction au discours sur le peu de réalité (1924) erklärt Breton:

Ô théâtre éternel, tu exiges que non seulement pour jouer le rôle d’un autre, mais encore pour dicter ce rôle, nous nous masquions à sa ressemblance, que la glace devant laquelle nous posons nous renvoie de nous une image étrangère. L’imagination a tous les pouvoirs, sauf celui de nous identifier en dépit de notre apparence à un personnage autre que nous-même. La spéculation littéraire est illicite dès qu’elle dresse en face d’un auteur des personnages auxquels il donne raison ou tort, après les avoir créés de toutes pièces. 'Parlez pour vous, lui dirai-je, parlez de vous, vous m’en apprendrez bien davantage. Je ne vous reconnais pas le droit de vie ou de mort sur de pseudo-êtres humains, sortis armés et désarmés de votre caprice. Bornez-vous à me laisser vos mémoires; livrez-moi les vrais noms, prouvez-moi que vous n’avez en rien disposé de vos héros.' Je n’aime pas qu’on tergiverse ni qu’on se cache.1

Er kritisiert am Theater, dass die Akteure hier in eine andere Rolle schlüpften und nicht sich selbst spielten. Und auch der Autor komme am Theater nicht direkt zu Wort, sondern immer nur gefiltert durch seine Figuren. Breton sieht das von ihm geforderte unmittelbare Wirken des subjektiven Geistes am Theater kompromittiert: auf der Bühne, wo die physische Materialität eine große Rolle spielt und die psychische Kontrolle zu einem gewissen Grad an Regisseure und Schauspieler abgegeben werden muss, war der surrealistische „Cult of Self“2, der eine ungehemmte und unmittelbare Vermittlung subjektiver psychischer Erfahrungen erforderte, beeinträchtigt. Hier zeigt sich Bretons Ablehnung des Theaters als Zeichensystem, das einer Zeit-Ort-Figuren-Matrix gehorcht und in dem die Dinge immer auf etwas anderes verweisen als auf sich selbst. Ein solches Theater war für ihn nicht wahrhaftig, sondern reine Imitation und Blendung.

Breton war der Institution Theater auch deshalb abgeneigt, weil sie finanziellen Zwängen ausgesetzt war. Im Second manifeste rechnet er diesbezüglich mit Artaud ab, der im Juni 1928 mit seinem „Théâtre Alfred Jarry“ Strindbergs Le Songe aufgeführt hatte. Die Aufführung wurde finanziell von der schwedischen Botschaft unterstützt. Die Premiere wurde von einigen anwesenden Surrealisten, darunter Breton, so gestört, dass Artaud die Polizei rufen ließ, um die Störenfriede zu beseitigen.

Im selben Manifest wird Vitrac wegen seines Hangs zum Ästhetizismus gescholten: der Theatermann habe sich der „poésie pure“ hingegeben und wolle seine Spektakel „en beauté“3 inszenieren. Aufgrund seines Interesses am Theater, das er als eigenständige Kunstform betrachtete und das er von innen heraus revolutionieren wollte, hatte Vitrac seinen Platz innerhalb der Surrealistengruppe aufs Spiel gesetzt. Jacques Baron schrieb über ihn: „Seul Vitrac s’est réservé la part théâtrale. C’était déjà se situer un peu à côté. Et quand on est un peu à côté avec Breton, on est tout à fait en dehors.“4

Das poetische Theater Frankreichs im Zeichen des Surrealismus

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