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3.4.4 Traum

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Im Traum ist alles möglich, hier herrscht die absolute Freiheit. Deshalb ist der Traum ein so fundamentales Element der surrealistischen Ästhetik. Im Manifeste beklagt Breton, dass dem Traum zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt werde. Nach konventioneller Auffassung sei der Wachzustand ein Kontinuum, das kurzzeitig vom Traum unterbrochen werde. Dabei verhalte es sich genau andersherum: der Wachzustand sei die Interferenz, der Traum dagegen ein Kontinuum, das einer genauen Organisation unterliege. Diese Organisation soll untersucht werden, um dem Geheimnis der menschlichen Existenz auf den Grund zu fühlen. Breton ist auf der Suche nach einer absoluten Realität, die in der Überwindung der Trennung zwischen Traum und Wachzustand liegt: „Je crois à la résolution future de ces deux états, en apparence si contradictoires, que sont le rêve et la réalité, en une sorte de réalité absolue, de surréalité, si l’on peut ainsi dire.“1 In Entrée des médiums (1923) nennt er drei Traumtechniken, um den Traum und das Unbewusste zu erkunden: erstens die Wiedergabe von Sätzen, die einem der Geist im Halbschlaf oder im halbschlafähnlichen Zustand diktiert (dieses Verfahren wurde in Les Champs magnétiques angewendet); zweitens Traumprotokolle; drittens und vor allem das Versetzen hypnosebegabter Personen in einen tranceartigen Schlaf. Ende 1922 hatten die Surrealisten mit dieser dritten Variante, dem provozierten Schlaf, experimentiert. Besonders Desnos und Crevel hatten Talent für diese Traumzustände gezeigt, doch wurden die Experimente nach kurzer Zeit aufgrund ihrer gefährlichen und destabilisierenden Wirkung auf die Beteiligten abgebrochen. Der Reiz lag für die Surrealisten darin, dass sich das Unbewusste hier ungehindert und ohne Intervention von Logik und Vernunft, Moral und Geschmacksfragen einen Weg an die Oberfläche bahnen konnte. Der Surrealismus ist somit nicht die Negation von Logik, sondern die Suche nach geheimen Gesetzen im bisher komplett vernachlässigten Bereich des Unbewussten. Ein besseres Verständnis der Mechanik des Traums, so glaubten die Surrealisten, erlaube ihnen auch ein besseres Verständnis des Menschen.

Der Traum spielt eine große Rolle in surrealistischen Theaterstücken. Vitracs Stück Entrée libre (1922 verfasst) basiert auf echten Träumen. Vitrac gab diese, so Béhar, „sans rien y ajouter, sans leur donner de sens particulier, sans les intégrer dans une action raisonnée“2 wieder. Der Titel des Stücks evoziert das Eintreten des Zuschauers in die verborgenen Bereiche des menschlichen Geistes. In Comme il fait beau! werden unter anderem Traumprotokolle Pérets und Desnos‘ verwendet, die Breton im Jahr 1922 aufgezeichnet hatte. Und in La Place de l’Etoile verhilft der Traum Fabrice zumindest kurzzeitig zu einem besseren Leben:

Heureux ceux qui dorment. […] Ce n’est pas moi. C’est une autre Fabrice qui vit en rêve, une autre… une vie si merveilleuse. Et rien de commun avec la vie […] avec son sens restreint que vous tous lui donnez. Et je voudrais dormir et rêver éternellement. (76)

Das poetische Theater Frankreichs im Zeichen des Surrealismus

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