Читать книгу Sperrgebiet! - Susanne Klein - Страница 14
ACHT
Оглавление„Polizeidienststelle Siegburg, Sie sprechen mit Sebastian Börne. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“
Die Polizeidienststelle Siegburg wurde am 4. April 2017 über das Verschwinden von Lena Grimm informiert, ungefähr vier Wochen nachdem sie ihren Wagen auf einem Parkplatz in der Wahner Heide abgestellt und offenbar nicht wieder bewegt hatte. Der Anruf war kein Notruf, sondern ging über die amtliche Leitung ein, sodass er zunächst als harmlose Information über eine möglicherweise vermisste, erwachsene Person bewertet wurde. Der diensthabende Börne hatte die Hinweise eines Oliver Neyer entgegengenommen, der nicht mit Frau Grimm verwandt, verschwägert oder nach dessen eigener Aussage anderswie verbandelt war. Er sei, so sagte er, ihr Chef im Sportstudio „Die Fitmacher“ in Lohmar. Dort leitete sie bis vor wenigen Wochen als selbstständige Trainerin verschiedene Gymnastikkurse und hatte ihre Tätigkeit für die Zeit einer geplanten Abwesenheit unterbrochen. So war jedenfalls ihr Plan gewesen. Außer ihm hatte Lena Grimm zuvor niemand vermisst. Zum einen hatte dies mit der angekündigten Reise zu tun – zum anderen war der Kreis ihrer Kontaktpersonen wohl ohnehin in den letzten Jahren nicht mehr sehr groß. Das meinte jedenfalls Herr Neyer. Der Rest war aktenkundig.
Ihre Familie lebte nicht mehr und sie war von ihrem Ex-Mann seit Jahren getrennt und offiziell geschieden. Grund für das Scheitern ihrer Ehe waren seine vermerkten zahlreichen körperlichen Übergriffe, wegen derer es sogar ein Verfahren gegen Herrn Grimm gegeben hatte. Zu einer Verurteilung war es seinerzeit nicht gekommen, weil seine Frau die Anzeige gegen ihn zurückgezogen hatte. Da er sie danach aber immer wieder stalkte und ihr gerne an dunklen Plätzen auflauerte, und ihr mehrfach erneut mit seiner Faust drohte, wurde er verwarnt. Er bekam ein Kontaktverbot und einen Platzverweis für die gemeinsame Wohnung. Ihm wurde in mehreren Gefährderansprachen untersagt, sich seiner Ex-Frau bis auf 20 Meter zu nähern. Es schien aber überwunden, denn seitdem war es zu keinerlei Zwischenfällen mehr gekommen. Im Hier und Jetzt lebten beide unauffällig und zurückgezogen.
Lena Grimm galt als meditativ, sehr sportlich und naturverbunden. Laut der späteren Zeugenaussagen einiger Mitdozenten und Studenten war sie in der Tat Anfang März aufgebrochen, um in eine etwa vierwöchige Auszeit nach Lanzarote zu starten. Sie lehrte hauptberuflich Sportmedizin an der Uni Köln und hatte sich noch während des Semesters beurlauben lassen, um eine Ruhephase auf der Insel dafür zu nutzen, sich von der Ausarbeitung einer medizinisch, wissenschaftlichen Studie zu erholen, an der sie in den Monaten zuvor Tag und Nacht gearbeitet hatte. Ziel war die Veröffentlichung der Studie und eine damit einhergehende Professur. Intellektuelles Fundament für das Thema „Biochemische Prozesse und Unfruchtbarkeit bei Frauen, bedingt durch den Wirkstoff Syptonil, nach mehrjähriger, illegaler Einnahme leistungssteigernder Mittel im Spitzensport“ waren ihre absolvierten Semester in Medizin und Biochemie.
Ihr Verschwinden wurde tatsächlich erst bemerkt, als sie nach der geplanten Rückkehr nicht zu ihrem Nebenjob im Fitnessstudio erschienen war. Die Bauch-Beine-Po-Fraktion und der Studioinhaber, Oliver Neyer, warteten an dem besagten Morgen um 09.00 Uhr vergeblich auf die ersehnte Rückkehr der Trainerin. Der Anruf des Besitzers bei der Wache in Siegburg wurde getätigt, nachdem Lena Grimm nachmittags auch nicht ihrer Verpflichtung als Power Plate-Spezialistin nachgekommen war und diejenigen, die die Rüttelplatte für Sport hielten, an diesem Tag ohne Training blieben.
Mit viel Getöse hatte Neyer seine Annahmen zum Abgang von Frau Grimm in einem langatmigen Telefonat mitgeteilt, sodass sein Gesprächspartner gereizt reagierte. „Herr Neyer, es ist wirklich nett, dass Sie uns anrufen. Aber bei erwachsenen Menschen können wir nicht viel machen. Sie verschwinden eben manchmal. Nicht immer ist ein Verbrechen die Ursache dafür. Wenn Sie verstehen, was ich meine.“ Den gelangweilten Unterton konnte er kaum verbergen. Und er legte noch einen drauf. „Sie tauchen meistens aber nach ein paar Tagen wieder auf oder schicken irgendwann eine Postkarte aus der Karibik oder von sonst wo.“
„Hören Sie Herr Börne, ich sage Ihnen nur das, was ich wahrnehme. Und das ist das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt. Was Sie jetzt mit den Informationen anfangen, ist Ihre Sache. Guten Abend!“ Neyer legte auf. Er war unüberhörbar sauer und verfluchte sich dafür, überhaupt angerufen zu haben.