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9. Spuren im Schnee

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….fühlen und spüren….

Langsam wurde Tabea am nächsten Morgen wach und spürte Peppi immer noch in ihrem Arm liegend. Zufrieden schnarchte der Hund vor sich hin. Sie spürte die Entspannung in ihrem Inneren, die die Wärme des Hundes in ihr auslöste.

„Wir beide haben einander viel zu geben,“ seufzte sie vor sich hin. Der Hund war sofort hellwach und zog seine nasse Zunge quer durch Tabeas Gesicht. Alle Müdigkeit begann sofort zu schwinden. Sie rappelte sich hoch und schlurfte zur Terrassentür, freudig umsprungen von Peppi. Draußen hatte es geschneit, die Äste bogen sich unter der schweren, weißen Last.

Es war kurz vor sieben Uhr und immer noch stockdunkel. Tabea drückte auf den Lichtschalter und der Garten wurde durch verschiedene LED Leuchtstoffröhren sofort erleuchtet und verwandelte sich in eine blau funkelnde Landschaft.

Peppi jagte kläffend - wild hin und her springend - durch den Obstgarten, dann zu den Ställen und den Paddocks, um danach eine Runde ums ganze Haus zu toben. Sie verrichtete ihre Geschäfte und Tabea vergaß nicht, die Hündin über den Klee zu loben. Sie holte ihren Bademantel und zog ihn über den Flanellschlafanzug, setzte sich in einen dicken Korbstuhl und beobachtete Peppi, die sich durch den Schnee biss und versuchte die Flocken zu fangen, die von den Ästen fielen. Die Luft war herrlich zu dieser Stunde und Tabea atmete tief ein und aus, während sie gedankenverloren den Waldrand absuchte. Sie lächelte, als ihr bewusst wurde, wer da gerade durch ihre Gedanken marschiert war.

Nach einer Weile hatte Peppi keine Lust mehr Schneeflocken zu jagen und lief rein, Tabea folgte ihr und schloss die Terrassentür. Sie griff sich ein altes Badehandtuch, das sie schon bereit gelegt hatte, und rubbelte den Hund trocken. Peppi freute sich über die Zuwendung und ebenso über das danach folgende Durchbürsten. Tabea legte das Tuch über die Ofenumrandung zum Trocknen und machte den Kamin an. Gierig fraßen sich die Flammen in das trockene Holz und schnell verbreitete sich eine wohlige Wärme aus. Sie legte noch 2 große Holzscheite nach. Sie begaben sich in die Küche, wo die Kaffeemaschine bereits auf ihren Einsatz wartete. Tabea stellte ihren Lieblingskaffeepott unter den Hahn und drückte auf den Knopf. Während die Maschine die Bohnen mahlte und das Wasser sich erhitzte, füllte sie Peppis Napf mit Trockenfutter, einem Stück Hefe und goss einen Esslöffel Olivenöl über das Futter. Peppi verfolgte die Handlungen in freudiger Erwartung. Während Peppi erst schnüffelte und dann anfing zu fressen, kontrollierte Tabea den Wassernapf. Sie holte frisches selbstgebackenes Dinkelbrot, Butter, Käse und die selbstgemachte Leberwurst ihres Nachbarn Frieso zum Tisch, ebenso die frische Kuhmilch von Frieso. Gedankenverloren kaute Tabea an ihrem Leberwurstbrot und dachte dabei an ihren Nachbarn und sein schreckliches Ende.

Ihr wurde bewusst, dass sie sich gerade mit Peppi auf einer Insel des Wohlseins befand, während rund um sie herum ein Albtraum den nächsten jagte und auch die Frau auf ihrer Terrasse fand wieder den Weg in ihre Erinnerung und an ihren Zusammenbruch.

Peppi hatte mittlerweile ihren Napf leer und fand die Gerüche, die vom Tisch zu ihr herüberwehten, auch sehr interessant und so setzte sie sich in freudiger Erwartung auf Leckerbissen direkt neben Tabea, die gerade ihre Gedanken sortierte und ihr angekautes Leberwurstbrot völlig selbstverständlich dem Hund hin hielt. Dem war diese Geste natürlich sehr willkommen, wissend, dass die Erziehung gerade ein Stück den Bach runterging.

„Scheiß was drauf“, murmelte Tabea und schmierte noch zwei Leberwurstbrote, eins für sich und eins für Peppi. Sie schmunzelte bei dem Gedanken, dass sich genau dies zum morgendlichen Ritual entwickeln würde. Nach dem Genuss einer zweiten Tasse Tee räumte sie den Tisch ab, begab sich ins Bad und duschte.

Peppi lag mittlerweile im Korb neben dem Kamin und stellte für sich fest, Fersen und Zehen an Socken werden völlig überbewertet. Sie machte es sich zur Aufgabe, Tabeas Stricksocken, die über der Lehne des Ohrensessels hingen, von diesen zu befreien. Danach verbuddelte sie die Reste unter der Decke in ihrem Hundekorb und schlief zufrieden ein.

Nachdem Tabea sich dick angezogen hatte, rief sie Peppi und gemeinsam begaben sie sich nach draußen, um die anderen Tiere zu versorgen und die Gehwege vom Schnee zu befreien. Als erstes bahnten sie sich einen Weg zum Stall, ließen die Pferde zum Toben auf den Paddock und füllten die Raufe draußen mit Silage. Danach waren Hühner, Gänse und Enten dran, die eher missmutig in den Schnee äugten. Tabea ließ die Hühnerklappe oben.

„Macht doch, was ihr wollt,“ brummte sie ihnen zu und verließ mit Peppi den Stall, um auf der Auffahrt und auf dem Weg zum Postkasten Schnee zu schieben. Zuerst befreiten sie die Auffahrt und den Gehweg von Tamme und Elfriede von den Schneemassen. Dabei stellte sie fest, dass irgendjemand wohl heute Morgen dort gewesen sein musste.

Tiefe Stiefelabdrücke waren im Schnee zu erkennen, dem Sohlenmuster nach eine Art von Jagdstiefel, wie sie fast alle hier trugen. Konnte also einer der Nachbarn gewesen sein, der schauen wollte, ob Elfriede schon wieder zu Hause war. Elfriede war jedoch seit 3 Wochen im örtlichen Landeskrankenhaus, da die Trauer sie völlig überwältigt hatte und das Fehlen von Tamme ein riesiges schwarzes Loch hinterlassen hatte, was sie psychisch völlig an den Abgrund brachte. Derjenige, mit dem sie immer gehadert hatte, war aus ihrem Leben verschwunden und hinterließ gähnende Leere, so dass sie auf einmal gezwungen war, sich mit sich selbst auseinandersetzen zu müssen und ohne

professionelle Begleitung war sie total überfordert. Tabea hatte tiefes Mitgefühl für Elfriedes Lage, denn sie wusste, tief im Inneren waren sich Elfriede und Tamme sehr zugetan gewesen. Auch wenn das Leben sie daran zu hindern schien, liebevoll miteinander umzugehen. Jeder saß fest in seinem eigenen Käfig und schien nicht in der Lage, die Käfigtür zu finden.

Peppi untersuchte weiterhin das Grundstück, während Tabea ihren Weg zum Postkasten und die Auffahrt mit dem Schneeschieber bearbeitete. Zwischendurch stellte sie sich aufrecht hin, um sich den Schweiß aus dem Gesicht zu wischen. Sie waren seit 2 Stunden draußen und Energiebündel Peppi zeigte keine Anzeichen von Müdigkeit.

Vorne und hinten war sie fertig, sie wollte aber noch die Veranda und den Weg ums Haus und vom Obstgarten zum Haus und zum Stall freilegen. Sie lief zur Seite des Hauses und erstarrte. Vor ihr ragte eine dicke Fußspur durch den Schnee, Jagdstiefel, wie bei Elfriede und Tamme. Ganz offensichtlich hatte jemand ganz lange unter ihrem Schlafzimmerfenster gestanden und sie beim Schlafen beobachtet. Ein beklemmendes Gefühl beschlich sie, wer konnte so dreist sein? Trotz der Unruhe, die sich im Inneren breit machte, besah sie sich die Spuren genau. Eindeutig Männergröße, mindestens 48. Sie folgte der Spur und konnte nur noch feststellen, dass der Mann von Elfriedes und Tammes Grundstück zu ihrem herübergelaufen, sich eine Zeitlang vor ihrem Schlafzimmerfenster aufgehalten hatte und dann zurückgelaufen war. Dort verliefen sich die Spuren und es war nicht mehr nachvollziehbar, wo die Spur herführte, nur ganz offensichtlich nicht vom Wald.

Sie fotografierte einen besonders klaren Abdruck mit ihrem Handy und notierte sich den Verlauf der Spuren. Danach steckte sie das Handy in ihre Tasche zurück und begann den Weg um die Veranda herum freizulegen.

Peppi interessierte sich nicht für die Spuren, sie hatte sie schon ausgiebig bei den Nachbarn beschnüffelt. Jetzt waren sie uninteressant. Sie versuchte stattdessen die Hühner durch den Zaun anzuspielen und freute sich über deren aufgeregtes Gegackere und Geflattere. Nach einer Weile war ihr das zu langweilig, zumal sie durch den Maschendraht gehindert wurde, an die Hühner zu gelangen. Also lief sie zurück zu Tabea, um wenigstens noch ein paar Mal in den Schneeschieber und in den zur Seite fliegenden Schnee zu beißen.

Gegen dreizehn Uhr war Tabea fertig und durch die Garage betraten beide wieder das Haus. Peppi wurde abgerubbelt und Tabea entledigte sich ihrer dicken Kleidung. Sie schlüpfte in ihre Hausschuhe und legte innen sofort Holz nach. Das ganze Haus war mittlerweile angenehm warm und komplett durchgeheizt und Peppi legte sich sofort in ihren Korb neben dem Kamin.

Nach einer gepflegten Ruhepause begab sich Tabea an ihren Schreibtisch und plakatierte die Wände ihres Arbeitszimmers mit weißem Flipchartpapier. Mit verschiedenfarbigen Eddings begann sie mit einem brainstorming, das in einem mindmap endete. Nach 2 Stunden war sie fertig und sie besah sich ihr Werk. Sie ließ alles auf sich wirken und erstellte dann zum Abschluss ein Zeitraster.

Befriedigt zog es sie zur Kaffeemaschine und auch Peppi erwachte aus ihrem Traumland und stellte sich winselnd an die Terrassentür.

„Schlauer Hund“, murmelte Tabea und ließ Peppi in den Garten. Während Tabea auf ihren Kaffee wartete, wanderten ihre Gedanken zurück zu dem Mann, der sie ganz offensichtlich in ihrem Schlaf beobachtet hatte. Insgeheim hoffte sie, es möge doch der tolle Typ vom Waldrand sein.

Sie beobachtete Peppis Treiben im Schnee und schalt sich ob ihrer Gedanken an einen Mann, während um sie herum Freunde und Nachbarn niedergemetzelt wurden. Bewaffnet mit frischem Kaffee zog es sie zu Peppi in den Garten, wo sie feststellte, dass ihre Tiere schon von Wübbo versorgt worden waren.

….Blutgier…..


Es war jetzt um einiges kälter als mittags. Die eisige Kälte schien alles zu umklammern. Die von Tabea gefegten Wege hatten sich in Eisflächen verwandelt. Das Einatmen wurde begleitet von einem unangenehmen Stechen und plötzlich registrierte sie den unangenehmen Brandgeruch, der schwer in der Luft hing. In ihrem Inneren schrillten alle Alarmglocken los und sofort rief sie Peppi zu sich, die zwar bereitwillig folgte, aber ihre Nase schnüffelnd in die Luft hielt. Das Nackenhaar stand zu Berge und trotz ihrer erst 6 Monate machte sie einen bedrohlichen Eindruck, was auch Tabea wohlwollend zur Kenntnis nahm. Panisch und zitternd verriegelte Tabea alle Türen und Fenster, ließ die Rollläden runter und holte ihre Dienstwaffe aus dem Waffenschrank.

„Trügerische Sicherheit“, murmelte sie, legte die Waffe aber trotzdem gesichert auf ihren Schreibtisch, während Peppi die Angst ihres Frauchens begriff.

Leefke hatte die Frau und den Hund beobachtet und spontan beschlossen, ihnen einen Besuch abzustatten. Jetzt saß die Frau in ihrem Haus wie in einer Festung.

Der Brandgeruch im Haus wurde intensiver und Peppi hob immer wieder schnüffelnd ihre Nase. Tabea spürte, dass die Frau draußen auf sie lauerte und Beklommenheit machte sich in ihr breit. Peppi lief langsam, aber wild knurrend die Außenwand des Büros und Wohnzimmers ab.

„Der Hund scheint keine Angst zu kennen“, flüsterte Tabea vor sich hin und ihr fiel das Verhalten der Jagdhunde ein. Der Wind schien draußen zuzunehmen und auf den Jalousien schabte es unheimlich, begleitet von einem leisen Raunen. Trotz der Angst, die sich in ihrem Inneren manifestierte, schaffte Tabea es den Notruf zu wählen. Mit zitternder Stimme erklärte sie ihren Kollegen den Sachverhalt.

„Wir kommen sofort!“, bellte ihr Kollege ins Telefon, „und bleib ja im Haus, komme, was da wolle!“

Draußen steigerte sich das Schaben zu einem Kratzen und der ekelerregende Geruch von Tod und Verdammnis breitete sich immer mehr im Haus aus. Peppi rannte mittlerweile wild knurrend im Haus hin und her, was Leefke nur noch wütender machte. Ihre Wut steigerte sich ins Unermessliche, als sie begriff, dass sie hier im Moment nichts ausrichten konnte.

Angestachelt durch ihre Wut begab sie sich wieder zum Hof von Frieso. Dort versorgten die beiden Betriebshelfer Bernhard und Harm Jansen zu Scherreburg die Rinder mit Silo und Heu. Die beiden Brüder aus Isums bemerkten zwar den Brandgeruch, arbeiteten aber weiter. Da rundherum mit Öfen geheizt wurde, setzten sich oft Gerüche frei, die nach Verbranntem rochen. Harm stellte als erster fest, dass es immer kälter wurde und sich tief in seinem Innersten festsetzte.

„Verdammte Kälte!“, rief er seinem Bruder zu, dem es auch nicht besser ging, denn er überprüfte gerade die Knöpfe seiner Jacke.

„Lass uns bloß nach dem Füttern hier verschwinden, ich mag den Hof nicht!“, rief er seinem Bruder zu. „Gott sei Dank sind wir heute das letzte Mal hier. Morgen übernehmen die Bagbander Kollegen!“

Während beide mit der Forke weiter Heu und Silo verteilten, kroch langsam eine Nebelwand auf sie zu, die bekannte, unerbittliche Kälte mit sich führend. Tänzelnd bewegte sie sich die Stallgasse entlang, umspielte Spreu und Halme und setzte sich doch unbeirrbar Richtung Mensch fort.

Die Rinder, die sonst ihre dicken Mäuler und Nasen sofort ins Futter tauchten, standen alle eng gedrängt am Ende des Laufstalls und jetzt bemerkten auch die beiden jungen Männer die Veränderungen. Sie registrierten den Brandgeruch und auch den wild um ihre Füße tanzenden Nebel, der unaufhaltsam weiter nach oben stieg, so dass sie in kurzer Zeit völlig in Nebelschwaden eingehüllt ihre Forken fest umklammerten, so fest, bis die Knöchel kalkweiß unter der Haut hervorschauten.

Die Augen traten aus ihren Höhlen und die Stimmen versagten ihnen beim Anblick einer wunderschönen Frau mit wehenden Haaren, die zusammen mit dem Nebel um sie herum tanzte. Fasziniert von ihrer Schönheit bemerkten sie nicht den durchdringenden Gestank, den die Frau ausströmte. Entsetzen machte sich in ihnen breit, als die Gestalt plötzlich ihr Äußeres veränderte und wehendes Haar wie Sisal vom Kopf abstand, Hautfetzen in Lappen auf teilweise blanken Knochen herunter hing, Spinnen aller Art durch die Nasen- und Augenhöhlen krabbelten. Ihr restlicher Verstand verließ sie, als die Hexe eine besonders fette Spinne aus ihrem Auge pflückte und sich schmatzend und saugend in die Höhle steckte, die einmal der Mund gewesen sein musste. Riesige Fangzähne leuchteten gelb und bedrohlich und in ihren Augen schienen orange Lichter zu tanzen. Die beiden Männer standen sich wie festgefroren gegenüber, nicht in der Lage zu schreien oder sich zu bewegen. Sie spürten nicht einmal mehr, wie sich Darm und Blase vor Angst entleerten und der Inhalt sich warm über ihre Oberschenkel ergoss.

Sie hörten nicht mehr die Sirenen der Einsatzfahrzeuge, die am Hof vorbeifuhren und zu Tabea auf die Auffahrt preschten.

Wie in Trance erhoben beide plötzlich ihre Forken und rammten sie sich gegenseitig in den Bauch. Noch im Tode umklammerten sie die Stiele, was sie am Umkippen hinderte. Auch als Leefke ihnen mit einem Ruck die Köpfe von der Schulter riss, blieben sie stehen, während sich Unmengen von Blut über ihre Körper ergoss, um den Futtergang in ein einziges rotes Meer zu verwandeln.

Leefke hielt beide Köpfe an den Haaren gepackt und schlenkerte sie sanft hin und her während sie den Stall verließ, ihren Begleiter, den Nebel, mit sich führend. Sie hinterließ eine blutige Spur im Schnee, so eine völlig andere Art von Spur, die Tabea heute Morgen unter ihrem Schlafzimmerfenster gefunden hatte.

Leefke

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