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2. Tabea und die erste Suche
Оглавление....Angst.....
Tabea suchte sich warme Sachen zusammen, feste und wasserdichte Wanderschuhe, wetterfeste Kleidung. Ihre Kollegen würden gleich hier sein. Sie zog eine Jeans über ihren „langen Hinni“, die ortsübliche lange, warme Unterhose. Ihren Oberkörper bekleidete sie mit einem warmen, atmungsaktiven Pullover. Sie entschied sich für wasserabweisende Schutzkleidung über ihren Sachen und steckte ihre in Wollsocken verpackten Füße in das bereitgestellte Schuhwerk. Nachdem sie Mütze, Schal und Handschuhe angelegt hatte, nahm sie den mit Proviant und heißem Kaffee gespickten Rucksack vom Küchenstuhl und ging vor die Tür. Sie schloss ab und legte den Schlüssel in einen entsprechenden Behälter, eine Kunststoffente, deren Flügel zur Seite geschoben werden konnten und Raum gaben für Kleinigkeiten. Das ideale Versteck für einen Haustürschlüssel, den man nicht mitschleppen wollte.
Knapp 10 Minuten später fuhren mehrere Fahrzeuge auf ihren Hof, Polizei und Jägerschaft. Onno Gerjets, Mattes Folkerts und Harm Harmsen waren mit ihren Hunden dabei, die Polizei war vertreten durch Polizeianwärterin Jantje Fredriksen und Heino Dirks, sowie Polizeioberkommissar Reent Saathoff, der im Übrigen Ehemann von Tabeas Freundin Netti war. Man kannte sich seit Jahren und so war die Begrüßung warmherzig mit Umarmung. Wenigstens in diesem kleinen Moment war der Grund ihres Zusammentreffens vergessen.
Alle waren warm eingepackt, man kontrollierte Handys und Funk. Kommissarin Marta Habben würde im Funkwagen sitzenbleiben, sie war im 7. Monat schwanger und musste sich solchen Strapazen nicht aussetzen. Sie hielt den Kontakt zur Gruppe und auch zur Einsatzleitung nach Aurich und konnte von hier aus bei Bedarf die Kriminaltechniker anfordern.
Den ersten Teil der Strecke planten sie zusammen zu gehen, danach sollte eine Trennung erfolgen. Zuerst wollten sie den Rundweg ablaufen, die für Touristen ausgewiesene Wanderstrecke durch Moor und Wald und auch Hauptlaufstrecke von Tamme. Sollten sie nichts finden, wären die Nebenwege abzusuchen, Wege, die Tabea oft mit ihm zusammen gelaufen war und die auf keinen offiziellen Karten verzeichnet waren.
Die Hunde wurden in ihren Boxen immer unruhiger. Harm, Onno und Mattes legten ihnen die Geschirre an und befestigten die Laufleinen. Die Hunde sprangen aus ihren Boxen und schnupperten aufgeregt die nasse, kalte Luft ein.
Es hatte aufgehört zu regnen, aber die Feuchtigkeit war allgegenwärtig, legte sich wie ein nasser Film auf jede Oberfläche. Die Hunde schienen zu spüren, dass etwas nicht in Ordnung war. Tabea hatte den Eindruck, sie kamen ihrer Aufgabe nur widerwillig nach. Das passte überhaupt nicht zu ihnen. Normalerweise liefen sie schon aufgeregt hin und her bevor es los ging, und ihr permanentes Gekläffe dabei sorgte stets dafür, dass der Adrenalinspiegel bei ihnen und den Jägern stieg. Heute verhielten sie sich anders, sie blieben bei ihren Besitzern und machten keine Anstalten loszustürmen oder eine Fährte aufzunehmen. Statt Gekläffe ließen sie nur manchmal ein kurzes Winseln hören und Unwohlsein beschlich alle, bevor sie überhaupt einen Fuß auf die Strecke gesetzt hatten. Die Jäger beschlossen die Hunde an die kurze Leine zu nehmen und dankbar pressten sich die Hunde an die Oberschenkel dieser, als ob sie von ihrer Aufgabe erlöst worden seien.
Angst beschlich alle und so traute sich keiner dem anderen in die Augen zu schauen, aus Angst, dass sich dort im Inneren etwas Ähnliches abspielte. Harm tat den ersten Schritt und sein Hund folgte dicht an sein Bein gepresst.
Die anderen Hunde verhielten sich nicht anders und so ertappten sich die Jäger und ebenso die Polizisten dabei, dass eine Hand nah an der Waffe ruhte und ihnen so eine trügerische Sicherheit vermittelte.
Langsam liefen sie den Weg hoch, wie besprochen suchte ein Teil der Gruppe links des Weges, der andere Teil rechts des Weges.
„Vielleicht sollten wir uns nicht trennen!“, schlug Reent Saathoff vor.
„Den Hunden scheint es hier auch nicht zu gefallen!“, ergänzte Mattes und so beschloss man die Hauptstrecke zusammen abzulaufen.
Der Regen hatte den Boden aufgeschwemmt, so dass ihre Schritte beängstigende Geräusche erzeugten und schon ein paar Meter neben dem befestigten Weg ließ sich brauner, nasser Morast erkennen.
Tabea fiel das Gedicht von Annette Droste - Hülshoff ein und so rezitierte sie: „Oh schaurig ist`s übers Moor zu gehen!“ Besser ging es ihr und ihren Wegbegleitern dadurch nicht.
Links und rechts erstreckte sich das unwirtliche Land, abgefaulte Vegetation klebte nass am Boden. Von den wunderschönen gelben Birkenblättern war nichts mehr zu erkennen. Sie lagen alle verklebt und braun am Boden. Die Stämme der Birken wirkten tot durch die spindeldürren Äste, die sich wie knochige Finger vom grauen Hintergrund abhoben und bizarr vom Stamm abstanden. Weiter hinten lagen einige Findlinge aufgetürmt am Wegesrand, vermutlich von Menschen hierher geschafft vor vielen Jahren, als das Moor noch dazu diente, Götter anzubeten und ihnen Opfer zu bringen.
Während jeder versuchte, im grauen Tageslicht etwas zu erkennen und heimlich damit beschäftigt war, seine Angst zu bekämpfen, setzte feiner Nieselregen ein. Das Tageslicht schien noch undurchdringlicher. Als sich der Himmel dunkler färbte und ein heftiger Dauerregen einsetzte, beschloss man die Suche für heute abzubrechen, da keiner sich konzentrieren konnte. Die Angst im Einzelnen steigerte sich immer mehr, denn mit dem Regen schienen urplötzlich auch die Temperaturen zu fallen.
Die Hunde preschten jetzt nach vorn und jeder war bemüht, diesen Ort schnell zu verlassen. Sie redeten sich ein, des Regens wegen. Die Wahrheit stand jedoch auf allen Gesichtern. Keiner konnte und wollte die Angst mehr verleugnen. Das Erkennen der Verletzlichkeit des Anderen schweißte Menschen und Hunde zusammen und so schossen sie den Weg zurück. Keiner blickte nach rechts oder links, keiner hörte mehr die Geräusche, die sich langsam - aber unaufhörlich - wie ein grunzendes Schmatzen in ihre Richtung bewegten.
Sie stapften so schnell es ging durch den Regen, hoffend, es würde bald vorbei sein. Die Hunde zogen und zerrten ihre Besitzer vorwärts, die Polizisten rannten hinterher. Jeder versuchte so schnell wie möglich und es seine Kräfte erlaubten, um zurück zu Tabeas Parkplatz zu gelangen. Alle fühlten, dass sie verfolgt wurden von etwas Dunklem, Grauenhaften, aber sie konnten es nicht in Worte fassen.
Am Parkplatz angekommen, wurden noch ein paar Worte gewechselt. Man einigte sich darauf, die Suche bei Besserung der Wetterlage wieder aufzunehmen. Alle suchten so schnell wie möglich das Innere ihrer Autos auf und waren bemüht, gelassen den Hof zu verlassen.
Tabea blieb allein zurück, ihre Haustür schnell aufschließend. Sie stellte den Rucksack ab, ließ die Jalousie an der Eingangstür nach unten gleiten, wissend, das Grauen ließ sich nicht aussperren und war im Übrigen bereits mit eingetreten.
Sie trug ihre wetterfeste Kleidung zum Trocknen in den Wäscheraum und schnappte sich ein Handtuch um ihr Gesicht zu trocknen. Bekleidet mit Hinni, Wollsocken und T-Shirt nahm sie im Flur ihren Rucksack vom Boden auf und trug ihn in die Küche.
Während sie die Thermoskanne mit dem Kaffee auf den Küchentisch stellte und ihre Brotdose herausnahm, dachte sie darüber nach, was geschehen war. Im Geiste sah sie noch einmal vor sich, wie sieben bodenständige Menschen gepeinigt von Furcht das Moor schnellstmöglich verließen.
Währenddessen öffnete sie die Dose und goss sich zusätzlich heißen Kaffee ein. Gedankenverloren starrte sie aus dem Küchenfenster und biss dabei in eine Leberwurststulle, hoffend, der Kaffee möge sie von Innen wärmen. Sie schluckte Kaffee und Leberwurstbissen mit Genuss herunter, versuchte, das Geschehene zu verdrängen.
Es war jetzt 14 Uhr und der Tag so dunkel, dass sie überall im Haus die Jalousien herunterließ, zusätzlich die Vorhänge zuzog und sich dann, mit Wolldecke bewaffnet, an den Kamin zurückzog. Etwas Glut glimmte noch auf dem Rost. So legte sie erst Holzscheite und danach zusätzlich etwas Torf in den Kamin, schloss die Glastüren und öffnete unten die Lüftungsklappe. Sie zog sich in ihren heißgeliebten Ohrensessel zurück, legte die Beine auf den Hocker und kuschelte sich in die Decke, aber selbst nach einer Weile in dieser geborgenen Atmosphäre wollte sich im Inneren keine Wärme einstellen und so zog sie um ins Bett und fiel kurz darauf in einen unruhigen Schlaf.
.....Seelenfinsternis.....
Kurz vor 18.00 Uhr wurde sie wach, fröstelnd, trotz der Bettdecke und der Wärme im Raum. Ihre Glieder waren schwer wie Blei und so rollte sie sich noch mehr zusammen.
Die gute Stimmung des frühen Morgens war verschwunden und Traurigkeit ergriff sie, legte sich düster auf ihre Seele, saugte jeden noch verbleibenden Tropfen Fröhlichkeit auf wie ein Schwamm.
„Nicht schon wieder ein Absturz!“, stieß sie hervor, bevor unruhiger Schlaf sie wieder heimsuchte, nur für einen kurzen Moment und somit keine Erlösung darstellte. Sie fühlte sich wie in 1000 Teile zersprungen. Wellen der Traurigkeit und Dunkelheit schwappten über sie hinweg, stülpten sich wie eine zweite Haut über sie. Kein Entrinnen, wie ein verzweifeltes Tier in der Falle, verloren und ängstlich.
Während die Dunkelheit ihre Seele umarmte, suchte ein kleiner Teil von ihr nach heiteren Erinnerungen, die sie aus dem Tal der großen Stille heraustragen würden, vorbei an Ängsten und Geräuschen ohne Gesichter.
„Es gibt keine Begrenzung der Möglichkeiten in dir!“, flüsterte eine Stimme ihr zu, „lass die Flamme in Dir lodern!“
Zärtlich berührte die Stimme ihr Herz, öffnete es und legte sich wie eine schützende Hülle um ihre innere Flamme, weckte die innere Wärme und ließ sie die Pforte aus der Tiefe durchschreiten, bereit, die Schönheit des Lebens wiederzufinden.
Langsam rappelte sie sich hoch, blieb noch eine Zeitlang auf der Bettkante sitzen und dachte über das gerade Geschehene nach. Zum ersten Mal war es ihr gelungen, sich selbst aus dem Morast der seelischen Abgründe zu befreien. Dem depressiven Abstürzen ein Ende zu setzen, bevor sie sich manifestieren konnten. Sie starrte in den gegenüber im Schrank eingelassenen Spiegel und versuchte, was sie sah zu akzeptieren, sich in ihrer ganzen eigenen Art anzunehmen. Theoretisch klappt so etwas und hört sich simpel an, die Praxis spricht ihre eigene Sprache. Sofort war sie auf der Suche nach Falten und Fettpolstern.
„Egal“, entfuhr es ihr. Es war mittlerweile 23.00 Uhr und sie war hellwach.
Während sie den Flur durchquerte, bemerkte sie das Lämpchen des Anrufbeantworters. Das Klingeln vorher war gar nicht zu ihr durchgedrungen. Drei Nachrichten, eine von Okka, die ihr mitteilte, dass Elfriede jetzt ansprechbar sei. Reent Saathoff, der ihr steckte, der Alte flippe aus, weil sie die Ermittlungen unterstützt habe, usw….und drittens der Alte selbst, blaffend, motzend wie immer, weit entfernt von irgendwelchen Führungsqualitäten. Sie sei krankgeschrieben und habe sich aus laufenden Ermittlungen rauszuhalten.
„Blablabla“, dachte Tabea und schlenderte in die Küche, während Polizeioberrat Helmuth Hillerns weiterhin seinem Unmut auf ihrem Anrufbeantworter freien Lauf ließ.
Tabea lief zum Fenster, öffnete Vorhänge und Jalousien. Sie stellte fest, dass eine wunderschöne Nacht über dem Moor und dem zu ihrem Grundstück gehörenden Wald lag. Es war nahezu windstill, der Mond stand hell am dunklen Himmel, die Sterne funkelten.
Sie beschloss sich einen Tee zu kochen, mummelte sich in dicke Jacke, Hose und Schuhe und verließ mit Teepott in der Hand die Küche durch die Terrassentür. Sie setzte sich in einen der großen Korbstühle und starrte hinaus in die Nacht, während sie ihren wärmenden Tee schlürfte.
Sie hatte den schönsten Platz zum Leben, den man sich nur vorstellen konnte, ein uraltes Bauernhaus, das jahrelang als Hauptschule genutzt worden war und später dann zum Verkauf stand, Pferdeweiden rundherum, einen Offenstall hinten auf dem Grundstück für ihre Stute, dahinter eine 6 ha große Wiese. Diesen Weg entlang der Wiese waren sie heute Morgen auch gegangen, entlang an ihrem Wäldchen, mit dem von Menschenhand geschaffenen See, vorbei an Wiesen, die irgendwann direkt ins Zwischenmoor führten.
.....Feen oder Geister....
Die Nacht war klar, die Luft so herrlich frisch. Irgendetwas irritierte sie plötzlich, es wurde merklich kälter, richtig kalt und zudem stieg ihr plötzlich der Geruch von brennendem Fleisch in die Nase.
„Welcher Idiot grillt denn nachts um zwölf Uhr?“, entfuhr es ihr spontan.
Immer intensiver wurde der Geruch, aber auch von alten Kohlen, die nicht richtig durchglühen wollten und mehr dampfend und qualmend vor sich hin vegetierten.
„Keine Ahnung vom Grillen!“, murmelte sie vor sich hin und doch beschlich sie gleichzeitig ein ungutes Gefühl. Ihre direkten Nachbarn waren durch die Bank Spießer, keiner von denen würde nachts um zwölf Uhr an einem Wochentag grillen.
Vor ihrer Terrasse baute sich die Kälte scheinbar wie eine Mauer auf, eiskalt, nass und unbarmherzig. Richtung Wald und Moor schien es plötzlich unruhig zu werden, sonderbare Geräusche drangen an ihr Ohr, das Rascheln von Riedgras und Rohrkolben, das Schmatzen und Singen des Sumpfes, alles Geräusche, die hier eigentlich nicht zu hören sein dürften und doch hörte sie sie ganz real, als hätte sie jemand mitgebracht.
Der Brandgeruch wurde stärker. Plötzlich dachte sie nicht mehr an Grillen sondern an verbranntes Fleisch. Sie sah Umrisse, eine Frau in einem langen Kleid. Braune Haare umrahmten ein wunderschönes Gesicht, volle Lippen ein ebenmäßiges Gebiss. Langsam schritt sie auf Tabea zu, während der Geruch von Feuer und verbranntem Fleisch zunahm.
Tabea kannte die Frau nicht und hatte plötzlich auch nicht mehr das Bedürfnis auf der Terrasse zu verweilen. Sie sprang auf, war mit drei Sätzen an der Tür, öffnete sie und sprang ins Haus. Sofort knallte sie die Tür zu und draußen polterte etwas gegen die Scheibe. Tabea floh zum Küchentisch.
Dumpfes Grollen ertönte hinter der Tür, der Brandgeruch schien sich dort zu vervielfachen. Tabea drehte sich langsam um und erstarrte. Wage nahm sie die Umrisse der Frau wahr. Das lange, braune Haar stand verdreckt und teilweise verbrannt vom Kopf ab. Dort, wo sie gerade noch ein wunderschönes Gesicht gesehen hatte, hingen Haut und Fleisch in Fetzen vom Knochen. Das ehemals schöne, braune Kleid bestand nur noch aus zerschlissenem Tuch, über das Spinnen und anderes Getier krabbelte, direkt in ihre Gesichtshöhlen hinein und wieder hinaus. Dort wo einst dunkelbraune Augen das Gesicht krönten, leuchteten jetzt zwei orange Lichter. Das ehemals ebenmäßige Gebiss hatte Zuwachs bekommen. Zwei riesige gelbe Reißzähne lugten weit über ihre Unterlippe hinaus.
Was Tabea den Rest gab, war der Inhalt der rechten Hand dieses Monsters. Es war Tammes Kopf, grob abgerissen von seinen Schultern, seine Haare blutgetränkt und seine Augen aus den Höhlen tretend.
„Leefke hat ein Geschenk für dich!“, sang die Frau immer wieder, während sie gnadenlos mit Tammes Kopf auf die dicke Glasscheibe einprügelte, bis diese nur noch aussah wie die Wand eines Schlachthauses bei Hochbetrieb.
Tabea rannte aus der Küchentür, verrammelte diese und rannte mit dem Telefon ins Schlafzimmer. Sie wählte den Notruf und schrie hysterisch ins Telefon, während am anderen Ende jemand nichts verstand und beruhigend auf sie einsprach. Tabea wurde von einer Ohnmacht erlöst und jetzt wurde der Mann am anderen Ende unruhig. Im Hintergrund hörte er jemanden singen und dumpfe Schläge, die gegen etwas trommelten.
Es dauerte einen Moment, bis sie die Telefonnummer zuordnen konnten und als sie bemerkten , dass es sich um ihre Kollegin Tabea handelte, wurde die Routine durch Angst um einen geliebten und geschätzten Menschen ersetzt. Die hiesigen Polizeibeamten wurden alarmiert und in Aurich schmissen sich Ewald Hayen und die beiden Kriminaltechniker Eiko Ennen und Ivo Frerichs in den Passat.
Als sie kurz darauf auf Tabeas Hof ankamen, bot sich Ihnen ein seltsames Bild. Die beiden ortsansässigen Polizisten hockten über der Hecke und ergossen ihren Mageninhalt weinend in diese. Tränen vermischten sich in Strömen mit dem Mageninhalt.
Während sich die beiden Kriminaltechniker um die spuckenden Polizisten kümmerten, lief Ewald in die Garage und holte Tabeas Ersatzschlüssel für die Hintertür aus dem Versteck. Er rannte zur Seite des Hauses, öffnete die Tür und betrat, ihren Namen rufend, das Haus. Er fand sie halb ohnmächtig und weinend im Schlafzimmer auf dem Fußboden. Sie klammerte sich an ihn und zeigte auf das Fenster im Schlafzimmer. Viel erkennen konnte Ewald nicht, denn ein braunroter Schmierfilm bedeckte das Glas. Er forderte über code Notarzt und Krankenwagen für Tabea an, während sich draußen die beiden Polizisten beruhigten. Sie zeigten mit den Fingern nach hinten und die beiden Kriminaltechniker fragten sich, was die beiden gestandenen Mannsbilder so aus der Fassung gebracht hatte. Sie ergriffen ihre Taschenlampen und machten sich auf den Weg hinters Haus, als Ewald plötzlich aus der Seitentür kam.
„Tabea ist genauso fertig wie die beiden draußen, Notarzt kommt gleich. Habt ihr schon was gefunden?“
„Die beiden Polizisten zeigten nach hinten“, meinte Eiko.
„Wart mal“, entgegnete Ewald, „Tabeas Grundstück hat ringsherum Fluter. Ich such mal die Schalter.“
Wenig später loderten die Lampen rund ums Haus auf und die beiden Techniker machten sich auf den Weg nach hinten. Abrupt blieben sie stehen. Vorne im Geäst hing ein rundlicher Gegenstand in den Ästen und die Luft roch nach verbranntem Fleisch.
„Ungewöhnliche Jahreszeit und Uhrzeit zum Grillen!“, meinte Eiko, während er mit dem Strahl seiner Taschenlampe versuchte, den Gegenstand im Baum anzuleuchten. Ivo war auf der Terrasse angekommen, hier war auch der Geruch besonders intensiv.
Die Terrassentür war voll von einer braunroten Schleimschicht, mit kleinen Stückchen dazwischen, die er sofort als Fleisch identifizierte. Jetzt erahnte er schon, was die braunrote Schmierschicht darstellte. Vorsichtig wich er zurück und prallte gegen seinen Kollegen, der ihn fassungslos anstarrte.
„Es ist ein Kopf!“, sagte er und auch auf Ivos Gesicht zeichnete sich langsam Entsetzen ab.
„Was ist hier bloß für `ne Sauerei passiert!“, murmelte Ewald, der zu ihnen gestoßen war.
Drinnen wurde Tabea gerade vom Notarzt versorgt, der riet, sie ins Krankenhaus mitzunehmen.
Derweil Tabea ins Krankenhaus überführt wurde und die Techniker hinter dem Haus anfingen den Tatort großräumig abzusperren, rief Ewald Tabeas Freundin Femke an. Sie betrieb hier im Ort mit ihrem Mann Wilke Renken eine der vielen örtlichen Reithallen. Femke versprach sich sofort um Kleidung für Tabea zu kümmern und Tabeas Pferd abzuholen, damit die Versorgung der Stute für die nächsten Tage sichergestellt war. Hinter dem Haus hatte Ivo mittlerweile dank einer Leiter, die er in Tabeas Garage gefunden hatte, den Kopf aus dem Geäst befreit und sauber eingetütet. Eiko verstaute den Belag der Terrassentür und vom Schlafzimmerfenster in Röhrchen und Tüten. Sonst wurden keine weiteren Spuren während der nächsten Stunden gefunden, so dass die Techniker das Putzkommando anforderten.
Während die SPUSI - Koffer im Passat verstaut wurden, teilte einer der Örtlichen Ewald mit, dass der Kopf zu Tamme Franzen gehöre, ihrem Kegel, - und Schützenbruder.
Bevor alle den Schauplatz verließen, rief Ewald bei Thede Mensen an und berichtete über die gefundenen Leichenteile seines Schwagers. Während Thede zu weinen begann, wünschte Ewald ihm noch aufrichtiges Beileid und versprach sich in ein paar Stunden zu melden.
Das Grauen war in Vossbarg eingezogen.