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10 . Meeting bei Tabea

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….Schatten auf der Seele….

Der elendige Gestank verzog sich langsam, das Schaben hörte auf, Peppi beruhigte sich langsam. Leefke war nicht mehr am Haus, Tabea war sich dessen sicher. Trotzdem blieben alle Worte in ihrer Kehle gefangen, in ihrem Inneren hatte sich ein tiefer Abgrund aufgetan. Tabea spürte, Leefke hatte einen perversen Spaß, sich am Unglück und der Angst der Menschen zu erfreuen. Sie hatte sichtliches Vergnügen daran, Menschen ins Dunkel zu führen, zuzusehen, wie ihre Welt in Trümmer und Asche zerfielen.

Als ihre Kollegen die Auffahrt hochfuhren, war Tabea dabei die Scherben in ihrem Inneren zusammenzufügen, wissend, Risse würden bleiben. Traurigkeit, Angst und Chaos suchten ein Ventil nach draußen und zum ersten Mal glaubte sie zu fühlen, warum Menschen mit einem Rasiermesser ihre Unterarme, Oberschenkel, Bauch und Brust in Landkarten verwandelten.

Trügerische Sicherheit überall, freier Fall plötzlich und unerwartet. Mauern entstanden, innerlich und äußerlich. Bevor jedoch die Einsamkeit, die alle Hoffnung erdrücken würde und dann nichts als Leere zurückließ, die Oberhand gewann, wurde Tabea wütend. Wütend über ihre eigene Bereitschaft, ihr Herz durch die Melodien der Dunkelheit berühren zu lassen. Sie öffnete ihren Kollegen die Tür. Von außen wehte ihr eisige Kälte entgegen, klirrend durch Mark und Bein gehend. Die Kälte lähmte ihre Finger und sie versuchte sie mit dem Atem aufzutauen. Aber die Kälte brachte auch einen winzigen Funken Hoffnung und Klarheit zurück und sie wusste, sie musste sich nur hart genug ins Zeug legen.

Die Kollegen hatten das Grundstück mit gezogener Waffe abgesucht, konnten aber nichts oder niemanden sicherstellen. Sie alle wurden von Tabea ins Haus gebeten und 15 Minuten später saßen Tabea, Ewald Heyen, Reent Saathoff und die beiden Dorfpolizisten aus Wiesmoor, Karl Teens und Heinrich Hummels um den großen Küchentisch herum, tranken heißen Kaffee mit Havanna Club. Jeder war sich sicher, Leefke würde versuchen, wieder in Tabeas Leben einzudringen. Keiner hatte eine Idee, wer sie war, wo sie war und wie man sich ihrer entledigen konnte und so brüteten sie lange stillschweigend vor sich hin…Ostfriesen eben.


….Innenarchitektin Peppi….

Peppi ging diese Ignoranz ihrer selbst fürchterlich auf den Senkel und so versuchte sie trotz Tabeas Schelte, jedem auf den Schoß zu steigen. Irgendwann platzte Tabea der Kragen und sie sperrte Peppi kurzerhand ins Schlafzimmer. Frustriert suchte Peppi nach einem Wink zum Abbau ihrer Zurückweisung und wurde auch schnell fündig. Sie fand einen lockeren Zipfel an einer Tapetenbahn und sie zog so lange daran, bis die Bahn langsam zu Boden glitt. Sie zerriss sie in Streifen und Fetzen und verteilte sie hingebungsvoll durch das Schlafzimmer. Danach zerstückelte sie Tabeas heißgeliebten Ficus im Bett, darauf achtend, dass jeder Teil des Bettes ein Stück Ficus und nasse Blumenerde zugeteilt bekam. Sie grunzte zufrieden und setzte sich neben die Tür, wo sie voller Inbrunst die Arien der einsamsten Wölfe schmetterte.

Tabea befreite sie ohne ins Schlafzimmer zu blicken und schickte sie per Handbewegung in ihren Korb. Hoch erhobenen Hauptes durchschritt die Diva den Raum, um sich dann ausführlich der Körperpflege hinzugeben. Für sie war klar, jeder Hund besitzt in sich bereits alles was er braucht, um die von ihm gewünschten Änderungen zu bewirken. Ignoranzprobleme durch Besitzer lassen sich gut bewältigen, wenn Tapetenstücke nur klein genug geschreddert werden, denn Peppi wusste: Kommunikation findet immer statt.

…..Erwachen….


Alle waren sich einig, es musste was passieren und so verabredeten sie sich für den nächsten Tag bei Tabea nach dem Mittagessen, Reent kündigte an, dass er die „Leefke SOKO“ in Kenntnis setzen würde, zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnend, sie würden sich viel schneller sehen. Da Tabea in ihrem Haus bleiben wollte, ließen sie noch einmal Peppi durch den Garten streifen. Gegen 22.00 Uhr verließen sie ihre Kollegin, nachdem diese die Haustür geschlossen und verriegelt hatte.

Tabea ging in die Küche und räumte die Tassen und Gläser in die Berta. Sie fühlte sich wie erschlagen und wollte nur noch in ihr Bett und schlafen. Sie öffnete die Schlafzimmertür und die Tränen liefen ihr übers Gesicht, gleichzeitig lachte sie, da ihr Hund ganze Arbeit geleistet hatte, die geborene Innenarchitektin eben. Seufzend schloss sie die Tür, goss sich noch einen doppelten Havanna Club ein, fütterte den Kamin und zog sich mit dicker Decke in ihren Ohrensessel zurück, um die Nacht dort zu verbringen. Peppis Blick traf Tabeas und schien zu sagen: Ich teile mein Feuer mit dir, meine Kraft wird die deine sein, meine Liebe wird dein Herz mit Mut berühren, mein Lebensfeuer deins neu entfachen. Beflügelt schlossen beide die Augen, lächelnd ließ Tabea los und fiel in einen tiefen Schlaf.

Morgens um sechs Uhr betraten die beiden Betriebshelfer den Laufstall, sich draußen schon wundernd ob der Schreie der Rinder, die sich die Seele aus dem Leib brüllten. Der Anblick, der sich den beiden Männern bot, verschlug ihnen die Sprache. Wie angewurzelt blieben sie stehen und starrten auf die beiden kopflosen Gestalten. Irgendwann konnte sich einer der beiden von dem Anblick losreißen und griff nach seinem Handy, betätigte den Notruf und die SOKO „ Leefke“ rückte aus zusammen mit den Kriminaltechnikern und dem Polizeipsychologen. Die beiden Männer standen unter Schock und wurden ins Krankenhaus gebracht. Das Gelände wurde gesichert, wie immer keine verwertbaren Spuren gefunden. Nach diversen Fotos und ersten Untersuchungen trennte man die Leichen und transportierte sie nach Oldenburg. Ewald Heyen setzte sich mit dem Maschinenring in Verbindung, um die Versorgung der Tiere auf dem Anwesen sicher zu stellen. Um neun Uhr traf sich die gesamte SOKO in der Auricher Dienststelle, die Übergabe innerhalb der Schichten fand statt. Die Teams setzten sich jetzt folgendermaßen zusammen:

Spätschicht Frühschicht

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Jantje Fredrichsen (Anwärterin) Heino Dirks (Anwärter)

Reent Saathof (POK) Jelde Ortgießen (POK)

Ewald Hayen (POK) Diederike Weber (POK)

Marta Habben (PHK) Katharina Saathoff (PHK)

Hilmar Matthisen(POK) Martin Steenkamp (POK)

Sabrina Urbansky (PHK) Franz – Josef Kirchner (PHK)


Beide Teams wurden jeweils durch 2 Kriminaltechniker und einen Kriminalpsychologen/IN unterstützt und waren sich darüber einig, Tabea als Beratung vor Ort mit einzusetzen, stundenweise, nach Absprache mit dem Alten. Das Team der Spätschicht würde sich heute bei Tabea einfinden, Heino Dirks versuchte Tabea telefonisch in Kenntnis zu setzen, konnte aber nur eine Nachricht auf dem AB hinterlassen. Wahrscheinlich schlief sie noch oder war mit dem Hund draußen.

Im Dorf hatte sich die Sichtung eines Krankenwagen schnell herumgesprochen und man beruhigte sich nicht, als die Nachricht in Umlauf gebracht wurde, es handle sich nur um zwei verletzte Betriebshelfer, die von einem Bullen während der Fütterung angegriffen worden waren. Alle Personen, die es besser wussten, wurden unter Strafe zum Stillschweigen verdonnert, trotzde n Dorfkneipen begannen sich Gruppen zusammen zu rotten.

Zu viele Unglücksfälle in zu kurzer Zeit. Kein Erwachsener konnte das Unbehagen abschütteln, das sich langsam aber sicher Raum in jedem Haus suchte. Viele waren sich einig, es ging nicht mit rechten Dingen zu, nicht greifbar, innerlich verstörend. Keiner wusste eine Antwort, keine Alten, keine Behörde, auch wenn die verkündeten, sie hätten alles unter Kontrolle. Wer es konnte, verließ den Ort oder rückte näher mit Freunden und Verwandten zusammen. Unbehagen und Angst schmiedeten neue Freundschaften und ließen alte neu entflammen, Kinder wurden nicht mehr unbeaufsichtigt nach draußen gelassen, Schulwege wurden begleitet und so spürten auch die Kinder recht schnell, dass sich etwas Düsteres über den Ort gelegt hatte und die Erwachsenen veränderte und die Unschuld sterben ließ, wie eine frische Schneeflocke auf nasser Straße.

Tabea bereitete das Treffen vor, begleitet von Peppi, die jede Handlung genauestens beobachtete und alle Wege mitlief. Gegen kurz vor zwei Uhr startete sie die Kaffeemaschine, stellte Kaffeebecher und Teetassen auf den Tisch, Neujahrskuchen und Gläser für Wasser, Teesöpje und Havanna Club. Peppi staubte einen Keks ab und als die Spätschicht eintrudelte, ertrug sie es dank eines riesigen Kauknochens, nicht im Mittelpunkt zu stehen. Tabea wusste schon von den Betriebshelfern und der grausige Tod der beiden jungen Männer stachelte ihr Lebensfeuer und ihren Arbeitswillen an, so dass sie nach Tee und Kaffee die Tassen abräumten und sich danach vor die Wände in Tabeas Arbeitszimmer begaben und ihre mind maps und Zeitraster bestaunten. Zusammenfassend stellten sie fest:

1 Die ersten unerklärlichen Vorfälle begannen im Sommer letzten Jahres

2 Allen Opfern wurde mit Gewalt der Kopf abgerissen. Nach Aussagen der Pathologen konnte auf Grund des enormen Kräfteaufwands kein Mensch dafür verantwortlich sein. Die Spuren stammten aber auch nicht von einem bekannten Tier!

3 Alle Opfer waren männlich!

4 Wer war Leefke?

5 Woher kam der Brandgeruch?

6 Gab es Verdächtige?

7 Aus welchem Grund reagierten die Tiere so angstvoll?

Tabea war sich sicher, außer ihr glaubte niemand der hier Anwesenden an andere Welten. Außer ihr praktizierte niemand das Aufsuchen dieser. Aber wie sollte sie es formulieren, ohne dass man sie direkt ins Landeskrankenhaus einweisen würde? Polizeiarbeit gab es nur in der mittleren Welt und nicht in der oberen oder unteren Welt. Heino Dirks fasste es dennoch zusammen mit einer Frage:

„ Wie sollen wir jemanden oder etwas finden, dass nicht aus dieser Welt zu stammen scheint?“

Es gab keine Spuren, keine verwertbaren Hinweise und keine Verdächtigen. Da kein Lebender Leefke zu Gesicht bekommen hatte, fühlten sich alle überfordert.

Gegen sieben Uhr verließen sie Tabea ohne ein Resultat. Tabea ging mit Peppy zu den Stallungen und fütterte die Tiere, danach verschloss sie diese und zusammen tobten Tabbi und Peppi zurück zum Haus, vom Waldrand aus beobachtet von Bente.

Nachdem Peppy versorgt war, lief Tabea zum CD Player und legte eine CD mit Touareg Blues ein. Langsam zur Musik tanzend begab sie sich in die Küche und beseitigte die Spuren des Nachmittags, briet sich ein Nackenkotelett vom dörflichen Hofladen und aß es genüsslich mit einem Rest „ Updrögt Bohnen“ vom Vortag. Sie ließ den Nachmittag Revue passieren und wusste plötzlich, sie musste neue Wege beschreiten. Sie musste die obere und untere Welt bereisen, musste Antworten finden, an Lösungen dachte sie noch gar nicht. Zudem beschloss sie, sich aktiv mit dem Mann vom Waldrand auseinander zu setzen. Instinktiv spürte sie, dass hier ein Teil der Lösungen lag, auch wenn sie keine Idee hatte, wie sie vorgehen wollte. So begab sie sich mit einem frisch gedrehten joint und einem Glas Havanna Club in ihren Ohrensessel, genoss den Tuareg Blues von Tinariwen und Tamikrest und ließ den Tag friedvoll ausklingen, sehnsüchtig beobachtet von draußen, was sie jedoch nicht registrierte. Nur Peppy begab sich zur Terrassentür und wedelte mit dem Schwanz, wohl wissend, dass keine Gefahr bestand.

Leefke

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