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1. Teil Grundlagen › § 2 Historische Grundlagen

§ 2 Historische Grundlagen

Literatur:

Breuer Die rechtliche Natur der Patentlizenz, 1912; Emmerich Wettbewerbsrecht. Eine Einführung, 2. Aufl. 1976; Engel Produktionssysteme im Wettstreit. Wissensorganisation im Kampf um den Weltmarkt für Indigo, 1880–1910, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 50 (2005), 83; Klemm Geschichte der Technik, 3. Aufl. 1998; Kloeppel Der Licenzvertrag. Eine patentrechtliche Untersuchung, 1896; Kohler Zur Konstruktion des Urheberrechts, Archiv für Bürgerliches Recht 10 (1895), 273; Lerner/Tirole Efficient Patent Pools, American Economic Review, 94 (2004), 691; Liebenau The Management of High Technology: The Use of Information in the German Chemical Industry (1890–1930), in: Kudo/Hara (Hrsg.), International Cartels in Business History, 1992, S. 57; Munk Die Ausnutzung einer fremden patentierten Erfindung in rechtlicher und wirtschaftlicher Beziehung, Jahrbuch der Internationalen Vereinigung für vergleichende Rechtswissenschaft 5 (1899), 113; Nipperdey Deutsche Geschichte 1866–1918, Bd. 1, 3. Aufl. 1993; Nörr Die Republik der Wirtschaft, Bd. 2, 2007; Pahlow Zwischen unternehmerischer Verwertung und internationaler Verflechtung. Zur Geschichte des Patentrechts in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, ZGE/IPJ 4 (2012), 186; Petri (Hrsg.) Technologietransfer aus der deutschen Chemieindustrie (1925–1960), 2004; Seligsohn Patentgesetz und Gesetz betreffend den Schutz von Gebrauchsmustern, 1892; Stokes Assessing the Damages: Forced Technology Transfer and the German Chemical Industry, in: Judt/Ciesla (Hrsg.), Technology Transfer Out of Germany After 1945, 1996, S. 81; Wassermann Patentinhaber und Lizenznehmer, GRUR 1931, 319.

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Seit der Anerkennung eines einheitlichen gesetzlichen Erfindungsschutzes im Deutschland des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts wurden Patente als übertragbare Rechte definiert (§ 6 RPatG 1877 und 1891, § 9 RPatG 1936, § 9 PatG 1961 und 1967, § 15 PatG 1981). Gleiches gilt für die mit dem Patentrecht verwandten Schutzrechte wie das Gebrauchsmuster (§ 7 RGebrMG 1891, § 13 GebrMG 1961, § 22 GebrMG 1986). Anders als im Markenrecht, wo die freie Übertragbarkeit erst im Zuge der europarechtlichen Vorgaben im Laufe der 1990er Jahre eingeführt wurde, und im Gegensatz zum Urheberrecht, das seit 1965 unter Lebenden gar nicht mehr veräußert werden kann, ist die Verkehrsfähigkeit technischer Schutzrechte bis heute ein Kernelement ihrer Schutzregimes. Der Gesetzgeber hat – mit Ausnahme des Kartellrechts – keine verbindlichen Vorgaben für die vertragliche Verwertung von Patent- und Gebrauchsmusterrechten erlassen, allenfalls im Urheberrecht weitergehende Bestimmungen vorgesehen. Das indiziert bis heute ein hohes Maß an Privatautonomie, das auch von den Parteien entsprechend genutzt werden kann. Das PatG kannte lange Zeit nur die Vereinbarung von „Benutzungserlaubnissen“ sowie „beschränkten“ oder „unbeschränkten Übertragungen“ (vgl. §§ 4, 6 und 11 PatG 1877 und 1891). Erst spät, nämlich 1981, hat der Gesetzgeber die „Lizenz“ im Patentrecht anerkannt, die 1987 um einen gesetzlichen Sukzessionsschutz ergänzt wurde; die beschränkte oder unbeschränkte Übertragung – und damit eine weitgehende Gestaltungsfreiheit der Parteien – hat der Gesetzgeber in § 15 Abs. 1 S. 2 PatG ausdrücklich beibehalten.[1]

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Der vertraglichen und weitgehend privatautonomen Verwertung technischer Schutzrechte kam seit Beginn eines einheitlichen Patentschutzes eine wachsende Bedeutung zu. Das Zivilrecht als zuständige Fachdisziplin hat den Vertrag weitgehend anhand von Sachen und Forderungen konzipiert; immaterielle Rechte – das zeigt schon ein flüchtiger Blick in die Entstehungsgeschichte des BGB – spielten hier keine Rolle. Von Anfang an standen Vertragsrecht und Immaterialgüterrecht daher in einem Spannungsverhältnis, waren und sind die rechtswissenschaftlichen Debatten von der Frage dominiert, ob und inwieweit die vertragsrechtlichen Bestimmungen, auch zivilrechtliche Rechtsprinzipien im Immaterialgüterrecht Anwendung finden können bzw. ob Abweichungen vorzunehmen sind. Diese Diskussionen verliefen dort weniger kontrovers, wo die vertraglichen Regelungen sich von vornherein gut mit dem Vertragszweck vereinbaren ließen, etwa bei der Patentveräußerung im Rahmen eines Kaufgeschäfts, riefen aber zahlreiche offene Fragen hervor, wenn es um besondere Vertragsformen wie etwa den Lizenzvertrag ging.[2] An dieser Stelle können nur generelle Entwicklungstendenzen dargestellt werden.

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Rechtsgeschäfte über technische Schutzrechte sind erst im Laufe der Industrialisierung zu einem Gegenstand von Rechtsprechung und – wenn auch mit einiger Verzögerung – der Rechtswissenschaft geworden. Mit der Industrialisierung und dem beachtlichen technologischen Fortschritt in Deutschland gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam dem Technologie- und Wissenstransfer der Unternehmen – auch im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr – eine wachsende Bedeutung zu. Da die Akteure in der Regel ihre Monopolrechte nicht aufgeben wollten, spielten vertragliche Partizipationsformen wie die Lizenz eine entscheidende Rolle. Die Lizenz als Gebrauchs- und Nutzungsrecht am Patent lieferte den Zugang zu den wesentlichen Erfindungen in den Jahrzehnten um 1900, etwa auf dem Gebiet der Elektrotechnik, der Chemie und der Pharmazie, der Kraftfahr- und Flugzeugtechnik, bis hin zum Radio- und Rundfunkwesen.[3]

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Daraus folgte sehr schnell die Notwendigkeit eines effektiven rechtlichen Schutzes der industriellen Lizenznehmer, die nur mit erhöhtem finanziellem und technischem Aufwand die neuen Lizenzprodukte herstellen und vertreiben konnten. Die Geschichte der Lizenz und auch des Lizenzvertrages ist daher von einer zunehmenden Verrechtlichung der Position des Lizenznehmers gekennzeichnet. Während Patentlizenzen anfangs lediglich als eine vom Rechtsinhaber geduldete Nutzung der Erfindung erfasst wurden (sog. negative Lizenz),[4] sollte die Rechtsstellung des Lizenznehmers zunehmend verstärkt werden, sei es durch die Anerkennung eines „positiven“ Nutzungsrechts[5] oder die Begründung einer „Verdinglichung“ der Lizenz.[6] Diese Konstruktionen waren vom Gesetzeswortlaut gedeckt, der seit 1877 die „beschränkte Übertragung“ des Patentrechts zuließ und damit noch vor dem BGB und unabhängig von den engen Rechtskategorien des Zivilrechts „jede Art von Rechtsgeschäft über die in dem Patent enthaltenen Befugnisse [zuließ], welche nicht deren Gesamtheit umfaßt“.[7] Damit stand den Autoren – auch unter Modifizierung der sachenrechtlichen Prinzipien des späteren BGB – eine Fülle zivilrechtlicher Teilhabeformen an fremden Erfindungsleistungen zur Verfügung. Bei der Vertragsgestaltung und der Vertragsinterpretation spielten industrielle Interessen eine zentrale Rolle, war „auf die Interessen der Industrie und des Verkehrs Rücksicht zu nehmen“ und daran die „juristische Konstruktion“ anzupassen.[8]

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Im 20. Jahrhundert gingen bestimmte Industriebereiche dazu über, ihre Technologien – auch unternehmensübergreifend – zu bündeln und sog. Patentgemeinschaften zu bilden;[9] erste Anfänge sind im 19. Jahrhundert bereits in den USA nachzuweisen.[10] Mit Patentgemeinschaften führten selbstständige Unternehmen ähnliche oder identische Technologiebereiche zusammen und sicherten sich gegenseitig die Nutzung ihrer Schutzrechte zu. Konzerne und Holdinggesellschaften (sog. Trusts), aber auch Kartelle konnten auf diesem Weg für bestimmte Technologiebereiche gegründet werden. Sie verfolgten eine konsequente Kontrolle und Durchsetzung der darin zusammengefassten Schutzrechte und verfestigten dadurch die ohnehin schon bestehenden Bindungen der Unternehmen.[11] Der gezielte Einsatz von Gebrauchs-, Herstellungs- oder Vertriebsrechten in Lizenzvereinbarungen ermöglichte zugleich die Schaffung von geschlossenen Produktions- und Vertriebskanälen. In Verbindung mit den gesetzlich normierten Abwehrrechten war es damit möglich, die so geschaffenen Patentgemeinschaften zu kontrollieren und den Zugang Dritter zu den darin konzentrierten Technologien auszuschließen. Das rückte auch Übertragungsgeschäfte wieder stärker in den Blickpunkt, wenn einzelne Erfindungen in einem Technologiepool eingebracht werden mussten. Auch die Charakterisierung von Lizenzverträgen als gesellschaftsähnlich (§§ 705 ff. BGB analog) geht auf diese Patentgemeinschaften zurück, die zum Teil auch einen selbständigen wirtschaftlichen Zweck verfolgen konnten.

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Nach 1945 gerät die vertragliche Verwertung geschützter technischer Innovationen zunehmend in den Blick des Wettbewerbs- und Kartellrechts, und insoweit auch zunehmend in den Zuständigkeitsbereich trans- und internationaler Normgeber. Während z.B. die Pariser Verbandsübereinkunft seit 1883 das Vertragsrecht den nationalen Zuständigkeits- und Einflusssphären überließ, wurde das Kartellrecht zunehmend zu einem Korrektiv für die vertragliche Verwertung von Patenten und verwandten Schutzrechten. Das GWB sah ab 1958 in den §§ 20, 21 GWB u.a. Sonderregelungen für Verträge über den Erwerb und die Benutzung von Patenten und Gebrauchsmusterrechten vor. Sie waren unwirksam, soweit sie dem Erwerber oder Lizenznehmer Beschränkungen im Geschäftsverkehr auferlegten, die über den Inhalt des Schutzrechts hinausgingen. Der Zweck des § 20 GWB bestand also vor allem darin, einen Missbrauch der Schutzrechte zu Wettbewerbsbeschränkungen, die über den ihnen gezogenen Rahmen hinausgingen, zu verhindern.[12] Technische Schutzrechte wurden in dieser ordoliberalen Lesart als zulässiges Ordnungsprinzip des Wettbewerbs verstanden, soweit sie sich in den Schranken der spezialgesetzlichen Regelungen bewegten. Damit hat der deutsche Gesetzgeber – anders als das US-amerikanische Recht – dem Patentschutz grundsätzlich Vorrang vor dem Wettbewerbsschutz zugebilligt.

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Mit der Schaffung eines Binnenmarktes durch den EWG-Vertrag von 1957 wurde das Kartellrecht auch zu einem Thema des supranationalen Rechts.[13] Nach Art. 85 Abs. 1 EWG-Vertrag waren danach alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigung und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen verboten, die den Handel zwischen Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen geeignet waren und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des gemeinsamen Marktes bezweckten oder bewirkten. Auch die Europäische Kommission vertrat ursprünglich die Auffassung, dass Vereinbarungen über technische Schutzrechte, die den sog. Inhalt des Schutzrechtes nicht überschreiten, unbeschränkt zulässig seien.[14] Da das aber letztlich zu einem Vorrang des nationalen Rechts vor dem europäischen Gemeinschaftsrecht führen musste, wurden Lizenzverträge oder Patentgemeinschaften unmittelbar zunehmend auch an Art. 85 und 86 EWG-Vertrag gemessen. Die Zusammenarbeit von Großunternehmen in Forschung und Entwicklung oder die Erteilung ausschließlicher Lizenzen konnten danach ebenso wie etwa Nichtangriffsabreden und Preisfestsetzungen gegen Art. 85 Abs. 1 EWG-Vertrag verstoßen.[15] Dasselbe galt z.B. für Wettbewerbs- und Exportverbote, für die Verpflichtung zur Lizenzierung von Verbesserungserfindungen, für die Verpflichtung, weitere Lizenzen nur mit Zustimmung der Lizenznehmer zu erteilen, sowie je nach Lage des Falles sogar für Abreden über mengenmäßige Beschränkungen und über Beschränkungen des Lizenznehmers auf einzelne Anwendungsbereiche der Erfindung.[16]

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Dieser vergleichsweise eng formulierte Regulierungsrahmen wurde häufig durch industriepolitische Faktoren aufgeweicht, wenn ihnen unter bestimmten Bedingungen wettbewerbskonforme Zielrichtungen attestiert werden konnten.[17] Der europäische Gesetzgeber normierte seit Anfang der 1980er Jahre im Verordnungswege Ausnahmen, aber auch zwingende Verbote für eine ganze Reihe von Vereinbarungen im technisch-innovativen Bereich.[18] Der EuGH sah 1982 sog. offene ausschließliche Lizenzen nicht als mit Art. 85 Abs. 1 EWG-Vertrag unvereinbar an;[19] auch für Nichtangriffsklauseln waren Ausnahmen[20] möglich. Mit der VO Nr. 240/96[21] wurden Patentlizenzen und Know-how-Vereinbarungen dann erstmals einheitlich als „Technologietransfer-Vereinbarungen“ erfasst. Vereinbarungen über die gemeinschaftliche Nutzung von Patenten oder grenzüberschreitende Lizenzvereinbarungen wurden demnach nur selten als Verstoß gegen das Europäische Kartellrecht interpretiert, wohl auch, weil eine grenzüberschreitende Unternehmenskooperationen dem politischen Ziel einer Vertiefung des Binnenmarktes diente.

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