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6. Mai 2013

Manfred Götzl, 59, Richter. Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl, Verteidiger von Beate Zschäpe.

(Alle Plätze im Saal A 101 des Oberlandesgerichts München sind belegt, die ersten Besucher standen um zwei Uhr morgens an. Beate Zschäpe wird um 9.56 Uhr in den Saal geführt. Sie steht zwischen ihren Anwälten und dreht den Kameras der Fotografen und Fernsehleute, die bis kurz vor Prozessbeginn Aufnahmen im Gerichtssaal machen dürfen, den Rücken zu. Die anderen Angeklagten sitzen in ihren Bänken, neben ihren Anwälten. Der Angeklagte Carsten Schultze, der im Zeugen schutzprogramm ist, versteckt sein Gesicht unter einem Kapuzenpulli. Nur Ralf Wohl leben und Beate Zschäpe sind in Haft, die anderen drei Angeklagten sind auf freiem Fuß. Kurz vor 10.30 Uhr treten die drei Richter ein, Manfred Götzl, Peter Lang, Konstantin Kuchenbauer, sowie die Richterinnen Michaela Odersky und Renate Fischer, begleitet von drei Ergänzungsrichtern, Gabriele Feistkorn, Peter Prechsl, Axel Kramer. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl ergreift das Wort.)

Götzl (zu den Angeklagten und deren Verteidigern) Guten Morgen! (zu den Vertretern der Bundesanwaltschaft) Guten Morgen! (zu den Nebenklägern) Guten Morgen! (zur Besuchertribüne) Guten Morgen! Bitte nehmen Sie Platz! Ich eröffne die Sitzung des 6. Strafsenats des Oberlandesgerichts München. Es kommt zum Aufruf das Verfahren gegen Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben, André Eminger, Holger Gerlach und Carsten Schultze. Ich stelle zunächst die Präsenz fest: die Angeklagte Zschäpe mit ihren Verteidigern Herrn Heer, Herrn Stahl und Frau Sturm. Der Angeklagte Eminger mit seinen Verteidigern Herrn Kaiser und Herrn Hedrich, der Angeklagte Wohlleben mit seinen Verteidigern Frau Schneiders und Herrn Klemke, der Angeklagte Carsten Schultze mit seinen Verteidigern Herrn Hösl und Herrn Pausch, der Angeklagte Gerlach mit seinen Verteidigern Herrn Hachmeister und Herrn Rokni-Yazdi. Die Vertreter der Bundesanwaltschaft Herr Diemer, Frau Greger, Herr Weingarten, Herr Schmidt.

(Dann nennt Götzl die Namen der rund 60 Nebenklagevertreter mit ihren Mandanten. Die meisten Angehörigen der Opfer sind im Saal vertreten, unter anderem die Familie Yozgat aus Kassel, Semiya Şimşek, deren Vater in Nürnberg ermordet wurde, Gamze Kubaşık aus Dortmund, Mustafa Turgut, dessen Bruder Mehmet in Rostock erschossen wurde. Auch Yvonne Boulgarides, die Witwe des einzigen griechischstämmigen Mordopfers. Sie werden mit ihren Anwälten auf zwei großen Leinwänden im Saal gezeigt. Götzl begrüßt den psychiatrischen Sachverständigen Henning Saß von der Universität Aachen. Dann vereidigt der Richter drei Dolmetscher, die ins Türkische übersetzen sollen.

Zschäpes Verteidiger Wolfgang Stahl ergreift das Wort. Er will wissen, was aus dem Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Götzl geworden ist, den die Zschäpe-Verteidigung zwei Tage zuvor, am Samstagabend, an das Gericht gefaxt hat. Götzl sieht keine Dringlichkeit, Stahl fordert eine Unterbrechung. Danach einigen sie sich darauf, dass Stahl den 16 Seiten langen Befangenheitsantrag vorliest. Es geht darum, dass Götzl angeordnet hat, dass die Verteidiger beim Betreten des Gerichtssaals durchsucht werden, die Vertreter des Generalbundesanwalts aber nicht.)

Verteidiger Stahl Mit sitzungspolizeilicher Anordnung vom 4.3.2013 hat der abgelehnte Vorsitzende zur störungsfreien Abwicklung der Hauptverhandlung sowie zur Sicherheit der Angeklagten und der übrigen Prozessbeteiligten angeordnet, dass sich sowohl Verteidiger als auch Nebenklagevertreter einer Zugangskontrolle zu unterziehen haben. Das Vorliegen einer allgemeinen Gefährdungslage wird selbstverständlich nicht verkannt. Angesichts der Tatsache, dass Vertreter des Gerichts, der Bundesanwaltschaft, der Polizei und der Justizbeamten nicht durchsucht werden, ist die angeordnete Durchsuchung der Rechtsanwälte aus sich heraus nicht nachvollziehbar. Das Gericht argumentiert, den Verteidigern könnten wegen ihres »besonderen Näheverhältnisses« zur Mandantin unerlaubte Dinge zugesteckt werden. Aber auch andere Prozessbeteiligte sind nicht immun dagegen, unter Druck gesetzt zu werden.

Warum werden die Verteidiger durchsucht, nicht aber die Staatsanwälte, die Richter, die Polizisten? Wenn schon, dann sollten alle durchsucht werden. Sonst ist das diskriminierend gegenüber den Verteidigern. Das Gericht hält die Verteidiger offenbar für zu dumm, als dass sie erkennen könnten, wenn ihnen jemand unerlaubte Dinge zusteckt.

Die angeordnete Durchsuchung stellt einen nicht unerheblichen Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen der betroffenen Rechtsanwälte dar. Das Gericht zeigt eine diskriminierende Haltung gegenüber den Verteidigern. Animositäten zwischen Richtern und Verteidigung sind geeignet, bei unserer Mandantin Misstrauen zu säen, ob die Verteidigung sachgerecht erfolgen kann. Deswegen lehnt unsere Mandantin den Vorsitzenden Richter ab.

(Der Senat beschließt, die Verhandlung dennoch zunächst fortzusetzen. Dann stellt auch Ralf Wohlleben über seine Verteidiger einen umfangreichen Befangenheitsantrag gegen das Gericht.)

Götzl Gibt es noch unaufschiebbare Anträge?

Verteidiger Heer Nicht unaufschiebbar, aber vordringlicher als andere Anträge. (Heer kündigt nun einen Antrag auf Aussetzung der Verhandlung und Verlegung in einen anderen Sitzungssaal an. Die Richter ziehen sich zur Beratung zurück. Als sie wieder im Saal erscheinen, ist Verteidiger Heer noch nicht an seinem Platz. Daraufhin verlassen die Richter wieder den Saal.)

Götzl (zu einem Justizwachtmeister) Läuten Sie erst, wenn alle Prozessbeteiligten da sind.

(Heer erscheint wieder im Saal, kurze Zeit später kehren auch die Richter zurück.)

Götzl Noch irgendwelche Befangenheitsanträge von Ihrer Seite? (Er schaut in die Runde. Alle schweigen.

Dann beendet Götzl den ersten Verhandlungstag. Damit über die Befangenheitsanträge von Zschäpe und Wohlleben entschieden werden kann, streicht das Gericht die für den 7. und 8. Mai vorgesehenen Verhandlungstage.)

Der NSU Prozess

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