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DER NSU-PROZESS

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Das Verfahren gegen den Nationalsozialistischen Untergrund ist einer der wichtigsten Prozesse der Nachkriegsgeschichte und gleichzeitig eine Tiefenbohrung in die deutsche Gesellschaft. Die Protokolle sind ein historisches Dokument.

Der Prozess gegen die rechtsradikale Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) war einer der größten und längsten Prozesse der Nachkriegszeit. Doch das ist nicht der Grund, warum er nun in einer Reihe mit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen, dem Auschwitz-Prozess und den RAF-Verfahren steht, die alle Abgründe einer Epoche aufgearbeitet haben. Nicht seine Länge von 438 Verhandlungstagen war dafür ausschlaggebend und auch nicht die bloßen Zahlen: fünf Angeklagte, 14 Verteidiger, rund 90 Nebenkläger und mehr als 600 Zeugen. Das, was das Verfahren von München zu einem wirklich historischen Prozess machte, war etwas anderes.

Dieser Prozess war ein Lehrstück deutscher Geschichte. Eine Tiefenbohrung in die deutsche Gesellschaft, die gefährliche Sedimente unter der Oberfläche wirtschaftlich blühender Landschaften und einer scheinbar gefestigten Demokratie zutage förderte: brave Bürger, die im Keller unterm Hitlerbild sitzen; fleißige Angestellte, die nichts dabei finden, ihren Pass und ihren Führerschein untergetauchten Neonazis zu überlassen; eifrige Verfassungsschützer, die ihre rechtsextremistischen V-Männer mit Steuergeld unterstützen, ohne wirklich Wichtiges zu erfahren; Polizisten, die die Witwe eines türkischen Opfers anlogen und sagten, ihr toter Mann habe eine deutsche Geliebte gehabt – nur um ihr angeblich verstocktes Schweigen zu brechen. Vor Gericht traten dann die wirklich Verstockten auf: eine Phalanx schweigender Rechtsradikaler, die auch durch zehn heimtückische Morde nicht zu erschüttern war.

Der NSU-Prozess sollte zehn Morde, zwei Bombenanschläge und 15 Raubüberfälle klären und die individuelle Schuld der fünf Angeklagten. Doch er gab auch den Blick frei in die Seele von Demokratiefeinden, legte die Fehler des deutsch-deutschen Zusammenwachsens bloß und sezierte die Verwerfungen nach dem 9. November 1989. Wie unter einem Brennglas zeigte er die dunklen Seiten von fast 30 Jahren Nachwendezeit.

Als der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) sich im November 2011 selbst enttarnte, da blickte die scheinbar wohlgeordnete Republik plötzlich in einen Abgrund, den sie nicht für möglich gehalten hatte. Über Nacht wurde klar, dass eine bis dahin unbekannte rechtsradikale Terrorzelle für viele Verbrechen im Land verantwortlich war, die seit dem Jahr 2000 für Aufsehen gesorgt hatten, aber nicht aufgeklärt werden konnten: für die Morde an acht Männern mit türkischen und an einem mit griechischen Wurzeln in München, Nürnberg, Hamburg, Rostock, Dortmund und Kassel, auch für den ungeklärten Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße und einen Anschlag auf einen Lebensmittelladen in der Kölner Probsteigasse, zuletzt für den Mord an einer Polizistin in Heilbronn. Für alle diese Taten hatte die Terrorzelle NSU die Verantwortung übernommen – mit einem Bekennervideo. Dieses über Jahre hinweg immer wieder überarbeitete Video zeigte die toten und sterbenden Opfer des NSU aus nächster Nähe, die Trickfilmfigur Paulchen Panther machte dazu menschenverachtende Witze. Die Republik war entsetzt.

Bundespräsident Christian Wulff traf sich mit den Opferfamilien, sein Nachfolger Joachim Gauck lud sie in seinen Amtssitz Bellevue. Arbeitgeber und Gewerkschaften verabredeten eine Schweigeminute in den Betrieben. Bundeskanzlerin Angela Merkel lud die Angehörigen der Ermordeten zur Trauerfeier nach Berlin. Dort bat sie um Verzeihung dafür, dass die Terrorzelle so lange nicht gefunden worden war. Die Morde des NSU seien ein Anschlag auf die Grundwerte Deutschlands, sie seien »ein Anschlag auf unser Land. Sie sind eine Schande für unser Land.«

Und Merkel verpflichtete sich und die Regierung: »Als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland verspreche ich Ihnen: Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen.« Nach Ende des Prozesses bleibt das Fazit: Das ist nicht gelungen.

Der NSU Prozess

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