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Tag 3

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15. Mai 2013

Manfred Götzl, Richter. Herbert Diemer, Vertreter der Bundesanwaltschaft. Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl, Anja Sturm, Verteidiger von Beate Zschäpe. Olaf Klemke, Nicole Schneiders, Verteidiger von Ralf Wohlleben. Johannes Pausch, Verteidiger von Carsten Schultze. Thomas Bliwier, Edith Lunnebach, Sebastian Scharmer, Reinhard Schön, Angela Wierig, Anwälte der Nebenklage.

Götzl Ladies first. Frau Rechtsanwältin Schneiders hat das Wort.

(Die Verteidigerin Nicole Schneiders beantragt in zwei langen Anträgen die Aussetzung der Verhandlung wegen Unvollständigkeit der Akten und die Einstellung des Verfahrens gegen ihren Mandanten Ralf Wohlleben wegen medialer Vorverurteilung. Dies sei ein nicht behebbares Verfahrenshindernis. Zudem seien die Geheimdienste in die angeklagten Mordstraftaten verwickelt und würden die Aufklärung nicht unterstützen. Deshalb sei ein faires und rechtsstaatliches Verfahren nicht mehr möglich. Im Einzelnen bemängelt sie, dass die Situation nicht genauer dokumentiert wurde, als sich Beate Zschäpe in Jena der Polizei gestellt hat. Zudem fordert sie die Beiziehung von Akten des Verfassungsschutzes Hessen. Was ihren Mandanten angeht, hätten die Medien versucht, Einfluss auf das bisher unparteiische und unvoreingenommene Gericht zu nehmen. Zschäpe sei als Nazibraut stigmatisiert worden, Wohlleben als Terrorhelfer. Seit 2011 werde ununterbrochen Stimmung durch die Medien gemacht. Journalisten hätten nur Auflagen oder Quotensteigerung im Sinn und die Vernichtung sozialer Existenzen.)

Verteidigerin Schneiders Die Opferbeauftragte der Bundesregierung spricht von rassistischen Taten, ohne den Schuldspruch abzuwarten. Es wurden bereits 900 000 Euro gezahlt an die Opfer. Der Bundespräsident empfing die Opferfamilien, es gibt Straßenumbenennungen in Erinnerung an die Opfer. Die Täterschaft von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt wird als Faktum angesehen, das Wort »mutmaßlich« – Fehlanzeige. Ein faires Verfahren ist nicht möglich, denn auch die Geheimdienste sperren sich gegen eine lückenlose Aufklärung. Ein Fair Trial ist allein schon deswegen nicht gegeben, weil die Verteidiger einer Phalanx von Nebenklägern gegenübersitzen. Das Gericht ist nicht der Ort geschichtlicher Aufarbeitung. Das Verfahren hat sich nicht an den Befindlichkeiten der Angehörigen zu orientieren oder am politischen Mainstream.

Anwalt Bliwier Sie nutzen diesen Prozess zur Stimmungsmache. Geben Sie hier keine Presseerklärungen ab. Das ist heiße Luft, nicht mehr. Und es ist schon verwunderlich, dass Sie das Gericht in Ihrem Antrag als bisher eher unparteiisch und unvoreingenommen bezeichnet haben. Das hat die Verteidigung aber nicht gehindert, einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht zu stellen.

Götzl Frau Lunnebach, ich erteile Ihnen das Wort.

Verteidiger Heer Herr Vorsitzender, ich hatte mich schon früher gemeldet.

Anwältin Lunnebach Der Vorsitzende hat mir das Wort erteilt.

Verteidiger Heer Nein, ich habe jetzt das Recht zu sprechen.

(Gelächter im Gerichtssaal.)

Verteidiger Heer Es geht nicht an, dass ich etwas sage und es wird gelacht. Herr Vorsitzender, halten Sie bitte alle zur Sachlichkeit an.

(Erneutes Gelächter. Verteidiger Stahl springt auf.)

Verteidiger Stahl Ich beantrage eine Unterbrechung der Verhandlung.

(Unruhe. Stahl zieht die Robe aus und verlässt den Saal. Kurz darauf kommt er wieder zurück.)

Anwältin Lunnebach Vielleicht ist die Unruhe der Nervosität der Verteidigung geschuldet.

Götzl Frau Lunnebach, Sie sind jetzt auch ruhig. Wenn man guten Willens ist, lässt sich das ganz einfach regeln.

Verteidiger Heer Es ist gerade erneut gelacht worden. Das ist unwürdig für diese Verhandlung. Ermahnen Sie die Prozessbeteiligten zur Sachlichkeit.

Götzl Die Mahnung zur Sachlichkeit ist bereits erfolgt.

Anwältin Lunnebach Ich würde gerne zu den Inhalten des Verfahrens zurückkehren.

Verteidiger Heer Ich habe das Wort. Ich beanstande die Worterteilung an Frau Lunnebach.

Bundesanwalt Diemer Ich halte das Verhalten von Rechtsanwalt Heer für ungehörig. Um was geht es Ihnen denn eigentlich?

Verteidiger Heer Es geht um die Reihenfolge der Wortmeldungen. Man sollte sich auf die Gepflogenheiten einigen.

Götzl Geduld. Haben Sie doch Geduld.

Verteidigerin Sturm Ich beantrage eine Unterbrechung.

Götzl Warum wollen Sie eine Unterbrechung? Geht es um einen Befangenheitsantrag?

Verteidiger Stahl Genau das müssen wir jetzt beraten.

Götzl Ihnen habe ich das Wort nicht erteilt, Herr Stahl. Frau Sturm ist in der Lage, Fragen zu beantworten.

Verteidigerin Sturm (zu Götzl) Die Anwältin Sturm kann das kollegial klären, sie bedarf zum Glück noch nicht Ihres Schutzes.

Götzl Ich werde keine Unterbrechungen vornehmen, wenn Sie mir nicht erklären, warum Sie sie benötigen.

Verteidigerin Sturm Es geht uns um die grundsätzliche Reihenfolge, wem Sie das Wort erteilen. Bisher halten Sie es so, dass Sie erst den Vertretern des Generalbundesanwalts, dann den Vertretern der Nebenklage und erst dann der Verteidigung das Wort erteilen.

Anwältin Lunnebach Dann würde ich jetzt gerne wieder sprechen, zum Antrag der Wohlleben-Verteidigung. Dass es in diesem Verfahren auch um die Geheimdienste geht, ist nicht von der Hand zu weisen. Warum aber äußert sich Herr Wohlleben dann nicht? Dann könnte man damit umgehen.

Bundesanwalt Diemer Der Antrag auf Einstellung des Verfahrens wegen der medialen Berichterstattung ist unbegründet. Es gibt dazu höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach Medienberichterstattung den staatlichen Strafanspruch nicht verhindern und nicht vereiteln kann. Die Berichte, wonach V-Männer in die Mordserie verwickelt waren, sind reine Spekulation. Wir sind solchen Hinweisen sorgfältig und gründlich nachgegangen. Es gibt keine Hinweise, dass ein Geheimdienst oder die Polizei in Straftaten verwickelt waren. Und die Verteidigung Wohllebens hat selbst gesagt, dass sie keine Zweifel an der Unparteilichkeit des Gerichts hat.

Anwalt Scharmer (zur Verteidigung Wohllebens) Ihre Forderung, ein Verfahren wegen Beihilfe zum rassistischen Mord in neun Fällen aufgrund von Medienveröffentlichungen einzustellen, ist relativ absurd.

Anwalt Schön Möglicherweise spielen auch rechtsradikale Motive bei den Verteidigern von Herrn Wohlleben eine Rolle.

Verteidiger Klemke Das sind hetzerische Äußerungen, die die Verteidigung von Herrn Wohlleben als rechtsradikal diffamieren. Ich möchte nicht wissen, wie die Richterbank reagieren würde, wenn ich hier Nebenklagevertreter als linksradikal bezeichnen würde. Da gäbe es sicher einen Aufschrei.

(Die Verhandlung wird für eine Mittagspause unterbrochen. Danach wendet sich Götzl an die Journalisten, denen am Morgen Wasserflaschen und Proviant abgenommen wurden – aus Sicherheitsgründen. Sie hätten Äpfel und Butterbrote als Wurfgeschosse verwenden können, hieß es.)

Götzl Ein Wort an die Vertreter der Presse. Ich mache Ihnen nicht Ihr Pausenbrot streitig. Das geht auf eine Anordnung des Vizepräsidenten des Amtsgerichts zurück, ich bin da tätig geworden. (Künftig dürfen Journalisten Verpflegung mitbringen. Ab Juni stehen im Pausenbereich zudem Stühle, Tische und ein Kaffeeautomat.) Und nun zu Ihnen, Herr Stahl.

Verteidiger Stahl Wir beantragen, dass der Vorsitzende Richter das Wort grundsätzlich der Verteidigung vor der Nebenklage erteilen möge. Da es noch keine Regelung dazu gibt, ist es bisher zum offenen Streit gekommen. Das verschiebt sonst die Verfahrensprioritäten angesichts der vielen Nebenkläger. Der Vorsitzende macht bei annähernd jeder Wortmeldung die Erteilung des Wortes davon abhängig, Natur und Umfang des Inhalts der Wortmeldung zu erfahren. Das verlängert das Verfahren. Diese Selektion der Anträge darf nicht dazu führen, dass unsere Mandantin in ihrer effizienten Verteidigung beschränkt wird.

(Danach beantragt Verteidiger Heer die Aussetzung des Verfahrens für drei Wochen. Die Akten der Untersuchungsausschüsse von Bayern und Thüringen müssten in den Prozess einbezogen werden. Der Generalbundesanwalt soll zudem Zugang zu allen Akten der Landesstaatsanwaltschaften gewähren, die er in die Ermittlungen einbezogen hat. Außerdem beantragt Heer, Bundesanwalt Diemer und Oberstaatsanwältin Greger als Sitzungsvertreter abzulösen und sie durch andere Staatsanwälte zu ersetzen. Die Bundesanwälte hätten Akten nicht in erforderlicher Weise weitergeleitet, sie hätten nicht objektiv und fair agiert und sich voreingenommen über Beate Zschäpe geäußert. Schließlich fordert Zschäpes Verteidigung zudem, die gesamte Verhandlung aufzeichnen zu lassen.)

Bundesanwalt Diemer Das ist gesetzlich nicht vorgesehen. Die Zeugen sollen unbefangen aussagen, nicht eingeschüchtert durch eine Drohkulisse, eine Aufzeichnung würde ihr Aussageverhalten verändern.

Anwalt Scharmer Eine Drohkulisse besteht schon durch die 80 Personen in Roben im Raum.

Anwältin Wierig Eine Aufzeichnung wäre im Dienste der Wahrheitsfindung, nach Monaten kann sich niemand mehr genau erinnern, was ein Zeuge genau gesagt hat. Die Praxis des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag hat gezeigt, dass es geht.

Verteidiger Pausch Auch am OLG Düsseldorf wird alles aufgezeichnet. Kein Zeuge hat Bedenken dagegen. Die Praxis hat sich sehr bewährt.

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