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HAMBURG.

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Wadeck zog man zur Marine im Weltkrieg, und er blieb bis zum Schluss auf SMS Bayern (Seiner Majestät Schiff), was er mit einem großen, eingerahmten Foto im Schlafzimmer nachweisen konnte, aber die „Bayern“ stationierte in Emden und Wilhelmshaven und Wadeck blieb dabei als die requirierte Flotte in Scapa Flow abgeliefert sich selbst versenkte. Hamburg lernte er nie kennen. Andere Bekannte die man ansprach kannten Hamburg auch nicht. Es sollte wohl ein Ausflug ins Unbekannte sein. Hamburg mag wohl eine große Stadt sein, und in einer großen Stadt gibt es immer viel zu sehen. Was es in Städten zu sehen gab wusste Junka, denn, wenn man sonntags nach Herne oder auch schon mal nach Stadthausen ging, dann nur deshalb um Schaufenster zu begucken. Das ist Donna Claras Lieblingsbeschäftigung und Junka bekam diese ansteckende Krankheit mit auf seinen Lebensweg.

Und dann kam der Tag der Abreise und Donna Clara brachte Junka an den Zug in Stadthausen. Der stand außerhalb der Bahnhofshalle ein paar Uniformen der Partei sortierten die Kinder ein, die man mit einem umgehängten Zettel auf dickerem Papier irgendwie kennzeichnete. Junka bekam seinen Platz in einer Gruppe in einem Abteil des D-Zuges zugewiesen wo ihn eine Bekannte Frau Hengstenberg unter ihre Fittiche nahm. Na gut, die kannte er so von „Guten Tag-Guten Weg!“ und zwei Mädchen aus dem Kindergottesdienst kannte er auch. Man war nicht richtig fremd. Es fuhren eine Menge Kinder mit Junka nach Hamburg, und es dauerte auch eine Zeit bis der Zug langsam anrollte und man noch ein paar Tränen in den Abschied verlor. Dann sortierte man sich ein, denn wie lange die Fahrt dauert das wusste keiner, auch nicht die Frau Hengstenberg. Es war Morgen als der Zug Stadthausen verließ und er solle noch vor dem Abend in Hamburg ankommen. Bis dahin sollte es wohl nicht langweilig werden. Nach einer Stunde und dem Versuch etwas zu singen verkündete Frau Hengstenberg „Münster“ und man fuhr durch Schrebergärten über eine Kanalbrücke und an Werbebildern mit Warta-Seife und Henkels Persil vorbei, klopfte über Weichen, zog die Nase ein bei vorbeigleitenden anderen Zügen, sah Häuser und noch mehr Häuser, dann kleinere Häuser, dann nicht mehr so dicht aufeinander, dann Wald und dahinter Felder. Der Zug hielt nirgendwo an Bahnhöfen, denn es war ein Sonderzug, und deshalb staunten die Kinder über die Orte die sie durchfuhren und von denen sie noch nie hörten.

Dann stieg der Zug durch den Teutoburger Wald und rollte langsam durch Osnabrück. Da stellte Junka befriedigt fest: „, Wenn man links aussteigt ist man in Osnabrück!“ - Oder nicht? – Er wollte heute nicht nach Osnabrück. Schlafen und träumen konnte man nicht, denn man saß zu siebt in dem Abteil auf Bänken. Da spielte man wieder einmal „Schlapp hat den Hut verloren!“ Ein Pfänderspiel. Und dann, in der Gegend Diepholz hielt der Zug mitten in einem Kornfeld und da stand ein Meer von blauen Blumen. Kornblumen. Alle Kinder strömten auf den D-Zug-Gang und Frau Hengstenberg stimmt das Lied „Kornblumenblau“ an, dass ja wohl der Schlager des Jahres war. In den Gesang hinein setzte sich der Zug wieder in Bewegung und man ging dazu über Obst und Butterbrote zu verspeisen, denn in Hamburg gibt es bestimmt was Anderes zu essen.

Dann rollte Bremen heran und da ist auch ein Hafen, aber der ist weit entfernt von Bremen und eigentlich in Bremerhaven das noch weiter von Bremen entfernt ist als Stadthausen von Süd. Und der Zug fuhr durch Teile der Lüneburger Heide und von Harburg an rollte er und es überholten ihn S-Bahnzüge und Straßenbahnen rollten nebenher zwischen vielen Autos und da waren die Elbbrücken, lange nachdem man Süderelbe überquerte und in Norderelbe stürzte das Bild eines riesengroßen Dampfers auf Junka ein. Das war sein erster Eindruck von Hamburg und der überwältigte ihn. Der Riesenpott vor einem Wald von Kränen die zum be- und entladen der Schiffe da sind. Junka war überwältigt und langsam rollte der Zug in den Hauptbahnhof, wo man nicht ausstieg, nein betonte man, Altona sei die Endstation und man könne sich langsam anziehen. Und die Kinder sortierten sich zum Aussteigen. Die Spannung stieg.

Als der Zug hielt, stiegen die Kinder langsam aus und wurden gruppenweise von jeweils zehn von zwei Leuten in Empfang genommen. Die nahmen die Kinder mit, so bei Junkas Gruppe, und man offerierte ihnen, dass es noch weiter ging mit der S-Bahn. Ja, und dann standen die Kinder neben ihrem Gepäck, und es stiegen ein paar Kinder aus, und dann noch ein paar, denn jetzt hielt die Bahn oft, und dann war Junka allein und es hieß Blankenese und Junka nahm eine elegante Dame, wie Junka wusste, in einem leichten Schneiderkostüm in Empfang. Sie nahm seinen Koffer, nachdem sie sich vorstellte, und führte ihn durch die Sperre zu einem offenen Auto in dem ein Junge saß den sie mit „Mein Sohn Harald“ vorstellte. Junka war angekommen und saß in einem Kabriolett. Die Dame startete gleich und die Fahrt ging durch Blankenese und plötzlich bergab an die Elbe. Dann durch ein großes, offenes Tor und man hielt vor einer großen, weißen Villa. Dienstmädchen kamen, nahmen Junkas Koffer und die Dame mit der gepflegten Frisur in dunkelblonden Haaren offerierte Junka, dass er über der Garage ein Zimmer habe, aber da brauche er nur zum Schlafen hin. Mamsell, Lisa und Elli schliefen da auch, und auch Fährmann der Chauffeur ihres Mannes der im Augenblick in Italien sei, aber über Pfingsten heimkomme.

Junka führte man durch die Halle von der aus eine Rundtreppe in den ersten Stock führte, und über der sich ein Glasdach wölbte, durch das Herrenzimmer auf die Terrasse, und da breitete sich vor seinen Augen die belebte Elbe aus. Da fuhren eine Menge kleiner und mittlerer Boote hin und Her, und dann schob sich wieder so ein Riesenfrachter heran und strebte dem Hafen Hamburg zu. Und der nächste Pott fuhr elbeabwärts und ging auf große Fahrt.

Eine Wiese führte von der Terrasse bis an die Ufermauer über der sich riesige Kastanien wölbten. Junka erbat dahin zu gehen und Harald begleitete ihn. Er staunte nicht schlecht. Denn das Elbwasser ging bis an die Mauer. „Da ist „Tiede!“ erklärte Harald und die Elbe habe von der See her Ebbe und Flut. Das bekam Junka in den nächsten Wochen als Begriff beigebracht.

Und man saß auf der Terrasse und trank was und aß was, doch Junka, von Haus aus ein schlechter Esser wollte eigentlich nicht so recht, mochte vielmehr alles und noch einen Schlag mehr sehen und wissen. Es beeindruckte ihn irgendwie gar nicht, dass er zu Gast in so einem großen Haus war. Ganz einfach: Er erfasste es nicht, weil rundherum alles selbstverständlich war und er keine Ausnahme bildete. Es war eine Eve, die ihm vorgestellt wurde, eine junge Dame aus England. Die hat einen Freund der in Hamburg beschäftigt ist. Das ist Martin. Es hat das Personal und die Damen sind zu Junka höflich und etwas jovial. Das merkt er nicht. Als sie ihn in sein Zimmer über den Garagen bringen erzählen sie, dass sie ein Radio haben und sonntags in der Frühe stets das Hamburger Hafenkonzert hören. Da könne er mittun. Jedenfalls ist die Einladung zum Radiohören neu für ihn.

Junka kann schon in den ersten Stunden die er hier aufgeregt verbringt kaum zur Ruhe kommen. Das geschieht erst als er mit Harald zusammen Schnittchen zum Abendbrot isst. Neu ist dabei das wenige Schnittchen mit Scheiben der Salatgurke belegt sind, und das probiert er. Dann bringt man ihn ins Bett. Nach einiger Zeit erscheint die schöne Dame des Hauses in einem Langen Abendkleid, mit einem kleinen Abendtäschchen an der Hand, und wünscht ihm eine „Gute Nacht“! Da weint sich Junka verschämt und allein in den Schlaf.

Die Sonne scheint hell in sein Zimmer, als Junka erwacht. Er öffnet das Fenster und schaut auf die Elbe auf der schon jetzt ein sonntäglicher Bootsverkehr herrscht. Und Junka hat das Empfinden, dass dieser Sonntag nie mehr zu Ende gehen wird. Mamsell ist die füllige Köchin und sehr mütterlich. Sie nimmt ihn mit, zeigt ihm ein Badezimmer, eine gefüllte Badewanne und da ist auch ein Clo, dass der Junge seine Morgentoilette machen kann. Er möge bitte anschließend auf die Terrasse gehen zum Frühstück, dass immer und jeden Tag, es sei denn es regnet, bis fast zum Mittag auf der Terrasse bereitsteht.

Junka erfährt, dass die meisten großen Leute Tee trinken und dass mit etwas Milch. Er kann Milch oder Kakaos ordern, wie es ihn beliebt. Gekochte Eier stehen in einem Warmhaltekorb bereit und Junka nimmt sein erstes Frühstück in Hamburg ein. Diese Eve leistet ihm Gesellschaft und sie unterhalten sich, wobei Eve deutsch mit sehr englischem Akzent spricht. Eve ist ein sehr schönes Mädchen und Junka erfährt Eve ist hier zu Gast um Deutsch zu lernen. Es reizt ihn irgendwie über ihre Ausdrucksweise zu lachen, denn er findet das lustig.

Nachbarskinder kommen zu Besuch und die Kinder „beriechen“ sich mit einem Frage- und Antwortspiel wie das nun mal so auf der Welt üblich ist. So lernt Junka eine Lotte mit lockigem Haar kennen und einen Peter der von nun an oft zum Spielen kommt, denn man hat Roller und ein Fahrrad und bei Lotte und Peter kann Junka, da er vormittags nicht wie Harald, zu dem alle Hazza sagen, zur Schule muss, schaukeln auf einem Sitzbrett an starken Seilen.

Junka hatte zu Hause nur einmal Gelegenheit unter Waldecks Aufsicht das Fahrradfahren zu üben. Jetzt aber, da er ein Fahrrad fast zu seiner Verfügung hat, kann er kräftig üben und er schafft es bald im Kreis zu fahren.

Der Sommer ist sehr warm. Junka hat seinen Badeanzug dabei, aber er bekommt eine kurze Badehose und die kann er behalten. Für sowas hätte Donna Clara bestimmt nie Geld ausgegeben, aber Junka ist sehr stolz darauf auf seine neue Badehose. Sie war bestimmt einem der zwei Buben im Haus zu klein geworden. Junka erfährt auch von Haralds großem Bruder der sich selber englisch beibrachte, weil zu Tisch englisch gesprochen wird, und dieser Jürgen wollte wissen was sich die großen Leute so zu erzählen haben, besonders vor der Weihnachtszeit, so begründete man seinen Lerneifer.

Harald bekam Tennis Unterricht und musste dazu in den über dem Haus gelegenen Hirschpark. Das Grundstück war, trotz seiner Größe, nach allen Seiten hin eingezäunt, doch zum Hirschpark konnte man durch ein Tor zu der Mamsell den Schlüssel verwahrte.

Auf dem Grundstück mit dem weißen Haus in der Mitte glich an den Rändern einem Wald mit starkem Baumbewuchs, und der Rest war Wiese mit vielen bunten Wiesenblumen, und als Die Dame des Hauses Geburtstag beging bekam sie von Hazza einen Rosenstrauch den das Kindermädchen Elli mit einer Gartenschere schnitt. Junka, nicht gerade einbezogen, ging auf die Hangwiese zum Hirschpark, pflückte eine Menge Margeriten und lockerte die vornehmlichen Weiß Tone durch bunte Blumen auf und überreichte den Straus der Dame des Hauses die sich lieb bedankte und ihn küsste, Wörtlich sagte sie: „Das ist aber ein schöner Blumenstrauß!“ und er bekam auch eine Vase. Sie freute sich sehr offen darüber und das brachte Junka fast durcheinander. Die Damen verbrachten viele Stunden im Strandkostüm oder auch im Badeanzug auf der Terrasse in bereitstehenden Liegestühlen.

Junka inspizierte am Vormittag gerne die Räume des Hauses und ging auch auf den Dachboden wo grobe Streichholzschachteln mit großen Streichhölzern darinnen herumstanden. Sonst war da kein üblicher Trödel.

Wenn die Elbe Ebbe hatte bevölkerten viele Menschen den Strand und da wollte Junka immer dabei sein. Das ging aber nur in Hazas Begleitung und eine Person schaute von der Hohen Mauer herab als Aufsicht. Meistens gingen sie an den Strand mit den Nachbarskindern. Sie bekamen auch Geld sich von dem Eismann ein Stangeneis zu kaufen. Wieder was ganz Neues.

Die Elbe zeigte im Wasser klitzekleine, weiße Fischchen, die fast wie aus Glas etwas Blauschimmer zeigten in ihrer Größe von etwa drei bis vier Zentimeter Länge und etwa vier Millimeter breite, zu Tausenden tummelten sie sich, aber so oft Junka versuchte davon was zu fangen war es Pustekuchen. Die kleinen Fische verschwanden blitzschnell, und überall lagen diese runden Krabben am Strand und streckten Beine und Fühler in die Gegend. Die Lebewelt war sehr in Ordnung an und in der Elbe.

Manchmal erscholl ein Riesenlärm. Das war dann der Start eines Flugbootes von der anderen Elbseite von Finkenwerder aus wo sich dann in einer Wasserwolke ein riesiges Wasserflugzeug vom Wasser in die Luft abhob. Das geschah oft, und man gewöhnte sich daran. Junka faszinierte immer wieder der Abhub vom Wasser in einer riesigen Wasserwolke.

Die Familie besaß kein Boot auf der Elbe und vermisste es wohl auch nicht.

Pferde hatten man, aber die standen in einem Reitstall, und der Hausherr ging auch zum Golfen, denn da war mal was. Es wollte einer der Herren die am Nachmittagstisch saßen wissen was in einem Golfball ist, und dann schnitten sie zwei oder drei Golfbälle auf. Da füllten sich schnell die Teller mit einem Haufen Gummi und so viel hatte sich Junka nicht gedacht.

Über Pfingsten war der Hausherr da und es gab eine große Abendgesellschaft. Aber vorher saß man mit verschiedenen neuen Gästen zu Tisch bei Hummermayonnaise und Möweneiern die in weißem Salz serviert wurden. Das war ein tolles Essen fand Junka, und dann musste Harald bei ihm schlafen, denn es kamen zu Abend viele Gäste in feierlicher Abendgarderobe. Harald und Junka standen im Schlafanzug am Fenster und Harald begrüßte den einen oder anderen. Sie schliefen dann zusammen in einem Bett und am nächsten Morgen hörten sie mit Mamsell und Else das Hamburger Hafenkonzert. Da sang man lustige Lieder, sprach mit Handels Kapitänen und besonderen Persönlichkeiten.

Zu Pfingsten vergnügte man sich auch mit einem Scheibenschießen auf der Wiese, Geschossen wurde mit Kleinkalieber. Der Hausherr brachte einen Stahlbogen mit diversen Pfeilen von irgendwoher und damit konnten die Buben schießen. Junka schoss immer am weitesten.

Dann fuhr die gesamte Familie in die Stadt mit zwei Autos, denn es wurde Hazas Großmutter, die Mutter seiner Mutter, am anderen Ende der Alster besucht. Das war eine imponierende alte Dame in einem schönen Haus mit Schwänen auf der Alster. Man teilte sich, weil man mit Junka eine Hafenrundfahrt machte. Da wies ein Sprecher auf die vor Anker liegenden KDF-Schiffe Robert Ley und Wilhelm Gustloff hin. Dann hielt der Dampfer und man stieg um an Bord des Schnelldampfers Hansa der in sechs Tagen über das Meer nach New York fuhr.

Und im Hafen lagen viele großen Segler, Dreimaster und Viermaster und Kriegsschiffe. Das erklärte ein Sprecher mit Seemannsmütze und Uniform. All die Schiffe mussten an dem Haus in dem Junka zu Gast wohnte, vorbei, und so wollte Junka sich wohl einige Namen merken.

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