Читать книгу Kinderlandverschickung - Ted Moré - Страница 20

Die große Zeit geht weiter.

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Und dann war irgendwie um „Führers“ Geburtstag herum die Einführung in die DJ. Junka kam mit seiner Fantasie-Uniform, dabei sah er aber besser aus als alle anderen, denn die waren noch schlimmer daran als er. Junkas Hemd passte und seine kurze Hose mit eingezogenem Koppel auch. Die Embleme nähte er selber sorgfältig mit vorgeschriebenen Abständen und kleinen Stichen auf sein Braunhemd und für den nächsten Winter wolle man sehen.

Da war noch was. Als Junka angemeldet werden musste für die DJ hatte das Fähnlein ein Heim. Das meint einen Raum wo man sich versammeln oder treffen konnte, parterre in dem Haus in dem die „Fickendiddies“ wohnten. Als er zum ersten Treff kam war der Raum den Buben entzogen und man bekam als Ersatz die Forell-Schule, aber nur damit man sich vor der Tür treffen konnte um von da aus weg zu marschieren. Die Schule blieb den Buben am Nachmittag verschlossen. Die Toiletten auch. Der Hausmeister war „inne Partei“, sonst hätte er diesen Druckposten nicht bekommen, und er hatte Wichtigeres zu tun als für „de Blagen“ doppelt zu putzen. „Außerdem haben wir Krieg!“ So redete man sich allgemein heraus.

Obgleich, und das erfuhr Junka so nebenbei, die Schule einen freien Raum zur Verfügung stellen konnte der eigentlich als Werkraum und ähnlich in der Planung stand und in dem nur ein oder zwei Tische standen an denen man werken konnte. Werkzeug war nicht vorhanden. Material zum Werken? Was soll das denn sein?

Als Junka in die erste Klasse Volksschule kam erschien eines Tages der schöne Rektor und machte den Kindern klar, dass es eine Jugendzeitung gebe die man für zehn Pfennig kaufen und lesen könne und deren Reinertrag dem Deutschen Jugendherbergswerk zugutekäme. An regelmäßiges Erscheinen dieses Heftes kann sich Junka nicht erinnern. Nur manchmal kam ein größerer Junge durch die Klassen, fragte nach dem Bedarf und wenn man am nächsten Tag zehn Pfennig mitbrachte bekam man so ein Heft mit dem Junka eigentlich nichts anfangen konnte. Wadeck legte das Heft auch nach kurzem Durchblättern unter das nächste Sofakissen. Für große Schüler erschien die Zeitschrift „Hilf mit!“ die auch aus irgendeinem Grunde da war. Eines Tages rief diese Zeitung zu einem Wettbewerb auf Wikingerboote zu bauen mit Segel, Rudern und den verschiedenen Schilden die dekorativ den Ruderplatz des einzelnen, teilnehmenden Wikingers ausweisen sollten.

Junkas Lehrer fragte in der Klasse wer Lust dazu hätte, und Junka sagte allein zu, denn er besaß einen Laubsägekasten mit Laubsäge, Drillbohr, Arbeitsbrett und Schraubzwinge dazu. Da der Lehrer vorgearbeitet und kaum noch Sägearbeiten zu tun hatte bat er Junka am Nachmittag mit etwa einem Dutzend Wäscheklammern mit Druckfedern zu erscheinen. Das machte Junka. So war er mit Handhabungen beschäftigt den Rumpf des Bootes zusammen zu kleben. Die Halterung dazu besorgten die Wäscheklammern. Als Umrandung kam zum Abschluss noch ein Stück Peddigrohr rundherum um die Bordkante, und die bog der Lehrer angefeuchtet über einer Kerzenflamme. Junka lernte bei dieser Gelegenheit einige neue Handgriffe in Bezug auf Werken.

Es waren noch drei Buben aus der siebten Klasse dabei die schon ein Boot zusammenbauten. Von dem Material das sie gebrauchten konnte man nichts erkennen, höchstens erahnen, denn, da der eine Vater Maler- und Anstreicher Meister von Beruf, erwies sich das Boot als schwimmende Lackfarben-Reklame, dass aber alle als sehr schön empfanden. Der Lehrer Hörter arbeitete mit naturfarbenen Planken und Brettchen, und sein Segel sah aus als ob die Wikinger damit schon ein paar Jahre lang den Schiffsverkehr nach Winland, wie sie angeblich Amerika nannten, betrieben hätten. Junka fand es echt und besser, und damit hatte es sich mit seinem Werksunterricht, denn das Schiff kam in eine Glasvitrine und blieb da bis es verschwand. Und eines Tages verschwand Lehrer Hörter genauso kommentarlos. Das lackierte Schiff sah Junka wieder zu einem Weihnachtsbasar. Da stand es neben ausgesägtem Spielzeug in einem Schaufenster und versehen mit einem Schild unverkäuflich.

Eine dunkelhaarige, große Lehrerin löste ihn ab mit langen Armen und großen Händen mit denen sie beim Gesangunterricht etwa über drei Bankreihen hinweg dirigierte.

Wadeck feierte seinen zweiundvierzigsten Geburtstag da wurde er eingezogen zur Organisation Todt als Maurer. Im Stillen hoffte er immer, dass man in U.K. stellen würde, weil er Aussicht hatte als Hochofenmaurer Verwendung zu finden aber daraus wurde nichts. Also rückte er ein.

Junka war das vierte Jahr in der Volksschule und es fragte die Lehrerin wer zum Schuljahrs Wechsel in eine höhere Lehranstalt wechseln würde. Junka meldete sich für das Gymnasium. Die Lehrerin klärte nicht auf, und als denn Junka davon zu Hause erzählte vermutete der Eine von den zahlreichen Bekannten, dass man das braucht um Pastor zu werden, andere wussten nur “das wird teuer“. Begriffe wie Realschule, Oberrealschule, Aufbauschule oder gar Humanistisches Gymnasium lagen bestimmt nicht im alltäglichen Sprachgebrauch. Sie fanden sich wieder in dem Sammelsurium „Höhere Schule“, und damit hatte sich der Fall. Junka hätte gewarnt sein sollen vor den Blicken die so irgendwie: „Du willst wohl was Besseres sein?“ Oder „Wir sind dir wohl nicht gut genug?“ „Wat mainze wer dich dat bezahlen soll?“ Und ähnlich ausdrückten! Was Besseres war man in diesen Kreisen von Geburt an, und damit hatte sich der Fall. Alle die danach strebten taugten nichts, denn sie fielen unter die Pauschale „zu faul zum Arbeiten!“

Also stand Junka wieder einmal im Wald, obgleich er neugierig auf Veränderung ist. Er hatte keinerlei Vorstellung von dem was ihm in einem Gymnasium erwartete. Er wollte nur die Veränderung, aber man würde schon sehen.

Fliegeralarm gab es jetzt öfter und man ging ganz einfach in den Keller der geradewegs in die häuslichen Gärten führte. Die Beleuchtung machten zwei Stalllaternen, denn der Keller war nicht elektrisch beleuchtet. Man hörte die Flak auf Flugzeuge schießen, aber mehr war noch nicht.

Man hörte andererseits, dass hier und da eine Bombe einschlug, dass auch mal ein oder zwei getroffen wurden, und wenn das nicht zu weit weg gelegen war, dann ging man gucken. Hinter der NSV baute die Feuerwehr ein Häuschen zu Luftschutzübungen, denn da drinnen lernten Leute mit einer Gasmaske über dem Kopf im, mit Lachgas gefüllten, Raum zu agieren, damit man für Härtefälle gerüstet war.

Draußen machte man bisweilen ein Feuer und dann löschte man es mit einem Fuß Pumpe die Wasser aus Eimern verspritzte.

Das aber übten die Buben auch. Sie sammelten Holzwolle, Lattenkisten und Papier auf dem Wochenmarkt, Junka organisierte Streichhölzer und dann machte man in den Feldern mit den Sandgruben Feuer und löschte es. Dass mit den Gasmasken ging ja nicht.

Und dann hieß es das mehr Kinder evakuiert werden sollten. Essen hieß es sei schwer zerbombt, weil da eben Krupp als Ziel mitten in den Wohnhäusern liege, und deshalb wurde Frauen und Kinder in sogenannte Bomben-freie Zonen gebracht.

Donna Clara arbeitete jetzt nicht mehr auf dem Wochenmarkt, sondern in einer Fallschirm-Seidenspinnerei, denn die meisten Gemüsehändler verkauften am Haus und im Hinterhof, es gab nicht mehr so eine Auswahl und der Preiskampf fand nicht mehr statt. Es war Krieg. Sie brachte weiße Fadenreste auf Pappspulen mit nach Hause und stickte damit Muster und Borten für dunkle Kleider. Das wirkte ganz toll, und deshalb betrieb sie bald damit einen schwunghaften Handel der auch zur Verbesserung des Haushalts beitrug. Ihr war es immer möglich an Dinge heran zu kommen die anderen Mitmenschen unerreichbar oder gar unnütz erschienen. Das brachte neue Freunde und neue Bekanntschaften.

Immerhin: Es war Krieg! Mit Lebensmittelkarten, Schlange stehen, Einberufungsbefehlen und Todesanzeigen in den Zeitungen von diesem und Jenen der gefallen war für Führer, Volk und Vaterland. Kinder sangen: „Lumpen, Stumpen, Pariser Numero vier, alles dieses sammeln wir. ….. für Herrmann!“ Und noch einmal von vorn!

Es gab Kunsthonig zu kaufen. Etwas Süßes das entfernt im Aussehen an Honig erinnerte, furchtbar süß und dickflüssig war, wofür man Zuckermarken abgeschnitten bekam. Rübenkraut, die Lieblingsspeise vieler Kinder, gab es auch zu kaufen. Donna Clara bück einen Honigkuchen aus Roggenmehl mir Rübenkraut und Kunsthonig und schickte so einen Kastenkuchen regelmäßig an Wadeck nach Russland. Der schickte Kilopäckchen, das war die obere Grenze, mit zugelöteten Blechdosen und bestem Sonnenblumenöl, denn er war ja als Maurer bei einer Organisation und da wurde eben organisiert. Das Sonnenblumenöl floss dick aus der Dose heraus und war köstlich. Unverfälschte Natur. Allerdings mit einer durchschlagenden Verdauungswirkung, deshalb sparsam im Gebrauch.

Die Familie hielt zusammen Am Heiligabend kam Wadeck seinen Weihnachtsurlaub zu Hause zu verbringen. Zu der Zeit gab es für Urlauber ein sogenanntes „Führer-Paket“, und das brachte Wadeck unter anderem mit aus Russland. Seine Kriegsbeute bestand aus einem französischen Wachmantel der fast bis auf den Boden reichte. Den wollte Donna Clara gelegentlich auftrennen, dass man davon andere Kleidungsstücke schneidern konnte. Schneider Schimmelsack nähte daraus eine fantastische kurze Hose die Junka immer zur Uniform anzog. Zwar braun in der Farbe aber sehr strapaziös.

Arthur kam damit an und machte Junka „den Mund wässerig“. Der Dranschack stelle wieder einen Transport Kinderlandverschickung zusammen. Nach Bayern. Junka fragte zwar, aber Donna Clara war mit anderen Dingen beschäftigt, und Wadeck war schon wieder in Russland. Also ging Junka mit Arthur zu einer Untersuchung und dann kam man der Sache näher, denn es ging darum Kinder vor den Bombenangriffen zu schützen. Aber so hart waren die Angriffe noch nicht. Es war Krieg dazu gekommen mit Dänemark und Norwegen. Warum wusste man nicht so genau.

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