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Totengräber? Industriesterben?

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Wer sagt denn Sowas? Das ist ein Uhrwerk. Da greift eins ins andere, so heißt das im Volksmund. Auf der Strecke bleiben die denen es genügt, dass sie in engen Wohnungen aufeinander hocken, denn was Anderes haben sie nicht gelernt. Hauptsache man hat einen „Job“, so heißt das salopp.

Das Familienleben hat einer Unordnung Platz gemacht die inzwischen schon wieder eine Ordnung ist, aber keiner hat einen Durchblick. Zu den Laumalochern, den Stippmalochern und den Klinkenputzern vergangener Zeit kommen jetzt die „Harz-Vierer“ dazu, und manch Einer ist gezwungen von Jugend auf dahingehend zu trainieren.

In gewissen Kreisen ist die Bildungsfeindlichkeit Pflicht und die Volksbolde und andere „Quatschmacher“ die man nicht bei ihren selbsterfundenen Namen nennen darf, sonst bilden die sich was darauf ein, verstärken Unwissen und lassen Ideen aus geistigem Dünnschiss auf die Menschheit los. Sie reden so geschwollen daher, dass ihnen die, die im Leerlauf gegen imaginäre Wände rennen Glauben schenken.

Das müssen sie auch und sagen: „Es bleibt Einem nichts Anderes übrig!“

A Street Car named disire!

Der Simulierer nimmt sich vor an Zeiten mit Masemattern, Kawenzmännern, Schockfreiern, Krakusen und „musikalischen Kaufleuten“ zu erinnern. Er berührt auch die braunen Uniformen und die Schnorranten die kurz vor Marktschluss loszogen „Schnäppchen“ zu machen und beschreibt die „Kafferienkes“, die Besucher die selbstverständlich eine Hauptrolle auf Kirmesplätzen spielen und die Szene ist auffallend, ausschließlich und fern einer falsch verstandenen Emanzipation. „Gehmilos-Fürsawashab ich keine Zeit!“, ist ein Spruch unter Vielen. Irgendwie schweben die Gedanken einer Frau von Stein als Vorbild oder Anhaltspunkt durch die Geographie, aber bestimmt nicht mit durch Lesen beschaffenen Durchblick. Nur so von Hörensagen.

Für den Arbeiter verwaltet die Frau das Geld und damit hat es sich. Die Dominanz der Gebärenden ist allgegenwärtig. Sparsam im Haushalt, jedenfalls offensichtlich, ansonsten charmant. Diplomatisch, bestimmend oder vierschrötig, resolut und schweigsam. Angeborenes ist Pflicht. Das meint Affenliebe zu den eignen Kindern und ansonsten das Rechthaberische einer Despotin.

„Unser Herrgott hat einen großen Tiergarten!“

Wenn Parteibonzen mit ihren breitabstehenden Breecheshosen die in Stiefeln mündeten vorbeikamen und besonders gerade gingen, dann zuckten Malocher Beine um in die verkniffenen Ärsche hinein zu treten. Bei Frauen sind Malocher zahm. Unsicher, aber scharf wie Nachbars Lumpi.

Das war und ist der Alltag. Ein Alltag mit Kadavergehorsam und Staatsunterwürfigkeit als erste Bürgerpflicht. Eine Unterwürfigkeit die vor jeder Uniform „Haltung“ annahm.

Doch da war Irgendwas dagegen. Es mag sein, dass es keine Personen waren. Es kann auch sein, dass es bei dem Einen oder dem Anderen zündete, dass er vier Jahre lang im dicksten Dreck für die Eigensinnigkeit und Verbohrtheit eines „Oberen“, eines Wohlgeborenen oder über den Dingen stehenden ein von Gott geschenktes Leben zur Verfügung stellte, aber ohne irgendwelche Sicherheiten oder in Aussicht gestellte reale Meriten. Das Leib und Leben der „Anderen“ hatte er zu beseitigen, das eigene Leben einzusetzen, Rauben und Morden sollte er auf Befehl, aber das galt doch nicht als Lehre, obgleich im Alltag? Ein bisschen was davon konnte man für den Alltag schon gebrauchen. Nur stellt sich die Frage wie? Und da lichtete sich ein dicker, schwarzer Dunst, ließ den einen oder anderen Sonnenstrahl durch wie einen blitzartigen, sekundenlangen Blitzstrahl der ins Gehirn traf und da ein Schlösschen öffnete. Ein Schlösschen in einem Türchen zu einem Räumchen mit einem Einfall. Und dieser Einfall stellte sich als wesentlicher heraus als jedes Gerede von einem Volksbolden der mit Fahnen, Plakaten und „wir wollen!“ durch die Gegend brüllte.

Und da sind zwei Gestalten die durch Wind und Wetter unterwegs sind, mit Hans und Kranz zusammentreffen hier was hören, da was vermuten und abwartend zuschauen und recht haben in ihrem Bedenken. Das ist der Kiepenkerl. Der muss gescheit einkaufen, seine Kundschaft im Kopf und im Blick haben und schließlich deren Bedürfnisse befriedigen. Im Grunde lebt sein Geschäft von Kleinigkeiten, von den Dingen die man bei großen Einkäufen vergisst, oder außer Acht lässt. Die großen Geschäfte nimmt er gerne mit, aber er verlässt sich nicht darauf. Er sagt: „Kleinvieh macht auch Mist!“ Er verkauft und gibt als Zugabe gute Ratschläge. Und wenn er einen Ratschlag braucht, dann weiß er immer an wen er sich wenden kann. Er hat allerdings im Augenblick, und soweit das der Simulierer übersehen kann, nur einen Ansprechpartner der wirklichen Zeit hat, Das ist Hoppediez. Eigentlich zuständig für die Jahreszeit zwischen dem elften im Elften und Aschermittwoch. Für den rheinischen Karneval, aber ausschließlich für Düsseldorf. Karnevalisten sind eben todernste Eigenbrötler.

Kiepenkärl und Hoppediez fanden sich zusammen als der große Krieg mit den vielen Verlusten an Menschen, Material infolge Dummheit oder Verbohrtheit von Großköpfigen verloren ging und eine Demokratie oder so ähnlich begann.

Krieg, so schrecklich er auch immer sein kann, kann für manchen Menschen eine Lehre sein. Nicht so, dass er im Nachhinein einen neuen Beruf ergreifen kann, aber mit der einen oder anderen Erfahrung kann er sich in Zukunft sein Leben etwas leichter oder sogar besser gestalten. Der eine lernt das Schmieden, der andere lernt das Reiten, der nächste kann plötzlich kochen, und einer lernt eine Fremdsprache, mancher auch Lesen und Schreiben, oder ein Automobil zu steuern, vielleicht auch ein Flugzeug. Das sind Dinge die im Durcheinander eines Krieges einem Menschen plötzlich geschehen können. Und da, gesucht und gefunden, sind zwei Supergeister von deren heimlicher Tätigkeit keiner weiß, aber die der Meinung sind: „Wir wollen mal sehen ob wir nicht irgendwelche Menschen finden die durch Schaden kluge geworden sind und das als eine ansteckende Krankheit weiterverbreiten können!“ Da sich die beiden nicht genug waren, das Ruhrgebiet noch nicht so alt war, suchten sie einen Typen der in ihre Pantoffel passte und nannten ihn Bullemann. Den setzten sie in die Gegend wo Kadavergehorsam und den Arsch zusammenkneifen zum Alltag gehören und sagten: „Geh mal kuckt ob du da wat ausrichten kannst!“ Und Bullemann ging und sondierte das Gelände.

Er richtete sich ein wie ein Kostgänger, erzählte von sich nicht viel, aber er suchte und fand den einen oder anderen Zeitgenossen und daraus formte er eine Clique die sich nicht so leicht die Wurst vom Brot klauen ließen. Das ging nicht immer glatt, aber was geht schon ohne Stolpersteine auf dieser Welt?

Kinderlandverschickung

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