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3.7 Rolle der Aufsichtsbehörden (Kommunalaufsicht)
ОглавлениеAlle Verwaltungstätigkeiten unterliegen der staatlichen Aufsicht, die für den kommunalen Bereich in den jeweiligen Gemeindeordnungen bzw. Kommunalverfassungen der Länder geregelt ist.
Als Aufsichtsbehörde werden die nächsthöheren Verwaltungseinheiten bezeichnet, wie in Bild 15 schematisch dargestellt ist. Die meisten Flächenländer folgen mittlerweile24 einem zweigliedrigen Verwaltungsaufbau mit dem Ministerium als oberste Aufsichtsbehörde und den Landkreisen als untere Aufsichtsbehörden.
In Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen existieren die Bezirksregierungen bzw. Regierungspräsidien als sogenannte »Mittelbehörden«. In diesem dreigliedrigen Verwaltungsaufbau ist der Landkreis die untere Aufsichtsbehörde für die kreisangehörigen Gemeinden. Die Bezirksregierung als Mittelbehörde ist die Aufsichtsbehörde für die kreisfreien Städte sowie die Kreise und ist gleichzeitig obere Aufsichtsbehörde für die kreisangehörigen Gemeinden. Oberste Aufsichtsbehörde ist das für Inneres zuständige Ministerium (beispielsweise § 53 BHKG für Nordrhein-Westfalen).
Die Aufsichtsbehörden schützen die Kommunen in ihren Rechten und sichern die Erfüllung ihrer Pflichten. Sie stellen sicher, dass die Kommunen die geltenden Gesetze beachten und die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises rechtmäßig und zweckmäßig ausführen (§ 170 Abs. 1 NKomVG).
Es ist zwischen der rechtsmäßigen Aufsicht (Rechtsaufsicht oder auch Kommunalaufsicht) und der zweckmäßigen Aufsicht (Fachaufsicht oder auch Sonderaufsicht) zu differenzieren, die sich in ihren Kontrollmaßstäben und im Intensitätsgrad der Beaufsichtigung unterscheiden.
Die Rechtsaufsicht ist auf die Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der gemeindlichen Selbstverwaltung beschränkt. Das Weisungsrecht wird durch die Fachaufsicht ausgeübt, welches über den Rahmen der Gesetzmäßigkeit hinausgeht und hierdurch eine Einflussnahme auf die Zweckmäßigkeit der gemeindlichen Verwaltung ermöglicht. Mit anderen Worten überwacht die Rechtsaufsicht, »ob« die Kommune ihren gesetzlichen Aufgaben nachkommt, während die Fachaufsicht überprüft, »wie« sie das tut. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise ist im BHKG zur Rolle der Rechtsaufsicht (gesetzmäßige Erfüllung) explizit formuliert:
»Die Aufsichtsbehörden können Weisungen erteilen, um die gesetzmäßige Erfüllung der den Gemeinden und Kreisen nach diesem Gesetz obliegenden Aufgaben zu sichern.« (§ 54 Abs. 2 BHKG)
Bild 16: Organisation der Rechts- und Fachaufsichtsbehörden
Zur zweckmäßigen Aufsicht (Fachaufsicht) ist in § 54 Abs. 3 BHKG geregelt:
»Zur zweckmäßigen Erfüllung dieser Aufgaben kann die oberste Aufsichtsbehörde allgemeine Weisungen erteilen, um die gleichmäßige Durchführung der Aufgaben nach diesem Gesetz zu sichern.« (§ 54 Abs. 3 BHKG)
In diesem Beispiel wird deutlich, dass der oberen und unteren Aufsichtsbehörde nur die Rechtsaufsicht obliegt, während fachliche Vorgaben allein der obersten Aufsichtsbehörde (hier: Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen) und nur als allgemeine Weisung (also nicht im Einzelfall) vorbehalten bleiben (so auch Schütte, 2000).
Beider Rechtsaufsicht darf keine Zweckmäßigkeits- oder Ermessenskontrolle der freiwilligen oder pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben stattfinden (vgl. Lübking/Vogelsang, 1998, S. 83, Rn. 123). Steht der Gemeinde ein Handlungsspielraum zu, kann dieser durch die Aufsichtsbehörde nicht eingeengt werden (vgl. Lübking/Vogelsang, 1998, S. 83, Rn. 124). Als Beispiel hierfür sei ein Urteil des VG Regensburg vom 22. Oktober 2003 (Az.: RO 3 K 02.2309) angeführt, wonach die Entscheidung einer Gemeinde zwei Freiwilligen Feuerwehren an einem Standort gemeinsam unterzubringen, rechtsaufsichtlich nicht zu beanstanden ist, wenn die Hilfsfrist für beide Ortsteile eingehalten wird.
Die verfassungsrechtliche Formulierung über das Recht der Gemeinden, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln (Art. 28 Abs. 2 GG), impliziert dabei, dass das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht auch nur im Rahmen der Gesetze eingeschränkt werden kann, (vgl. auch Kapitel 4.1.2 zur Bindungskraft von Rechtsnormen (Normenhierarchie)). Ganz konkret bedeutet das, dass die Kommunalaufsicht ein Planungsziel, das eine Kommune im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung zur Feuerwehrbedarfsplanung zugrunde legt, nicht zu beanstanden hat, wenn keine gesetzlichen Vorgaben existieren, etwaige gesetzliche Vorgaben eingehalten werden oder wenn die allgemeinen Wertungsmaßstäbe berücksichtigt wurden.
Existieren durch den Gesetzgeber oder durch Weisungen der obersten Aufsichtsbehörde keine bedarfsplanerischen Vorgaben, können von den Rechtsaufsichtsbehörden auch keine fachlichen Vorgaben »erfunden« und durchgesetzt werden (vgl. hierzu die Situation zu den Handreichungen der Bezirksregierungen in Nordrhein-Westfalen in Kapitel 4.6.11). Der »Wunsch« eines Kreisbrandmeisters zur Anwendung der Planungsziele der AGBF (vgl. Kapitel 4.5) – um ein nicht selten auftretendes Beispiel aus der Praxis zu nennen – ist schlichtweg unwirksam, da dieser nur die Rechts-, aber nicht die Fachaufsicht ausübt. Von den Aufsichtsbehörden sind demnach auch keine unrealistisch (hohen) Planungsziele zu fordern, die in der Praxis nicht unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu realisieren sind. Erst recht ist ein »Erpressen« der Kommunen durch die Aufsichtsbehörden nicht legitim, indem den Kommunen im Bereich des abwehrenden Brandschutzes und der Hilfeleistung Vorgaben auferlegt werden, bei deren Nichterfüllung in anderen kommunalen Bereichen außerhalb des Brandschutzes als Druckmittel Privilegien verwehrt oder Sanktionen angedroht werden.
Allgemein soll die Aufsicht ohnehin »so gehandhabt werden, dass die Entschlusskraft und die Verantwortungsfreude nicht beeinträchtigt werden« (§ 170 Abs. 1 Satz 3 NKomVG). Das VG Regensburg urteilt hierzu: »Mit Rücksicht auf das kommunale Selbstverwaltungsrecht hat sich das staatliche Einschreiten auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken«. Die Kommunalaufsicht darf sich also nicht zur »Einmischaufsicht« entwickeln (BVerfG, NVwZ 1989, 45). Die kommunale Aufsichtsbehörde hat bei der Wahrnehmung ihrer Befugnisse zu respektieren, dass sich ihre Maßnahmen gegen die unmittelbar gewählte gemeindliche Volksvertretung richtet, die die Gemeindegeschicke selbst bestimmt und selbst verantwortet (vgl. Urteil OVG Lüneburg vom 18.09.1996 – Az.: 13 L 7342/94). Jede aufsichtsbehördliche Maßnahme stellt einen erheblichen Eingriff in die garantierte Selbstverantwortlichkeit der Kommunen dar.
Im Übrigen hat auch der Bürger keinen Anspruch auf aufsichtsbehördliches Eingreifen, »da die Aufsicht ausschließlich dem Allgemeinwohlinteresse dient und nicht dem Individualinteresse« (vgl. Lübking/Vogelsang, 1998, S. 85, Rn. 129). Im Aufstellungs- und Fortschreibungsprozess von Feuerwehrbedarfsplänen steht häufig die Frage im Raum, ob der Feuerwehrbedarfsplan mit der Aufsichtsbehörde25 abzustimmen, von ihr zu genehmigen oder diese gar im Aufstellungsprozess mit zu beteiligen ist.
Grundsätzlich macht es in Hinblick auf den Grundsatz der »Gefahrenabwehr nach einheitlichen Maßstäben« (vgl. Planungsgrundsätze in Kapitel 4.2) und in Bezug auf eine zweckmäßige überörtliche Abstimmung unstrittig Sinn, sich eng mit der Aufsichtsbehörde abzustimmen, um interkommunale Synergieeffekte bestmöglich auszuschöpfen. Zudem ist es gesetzliche Aufgabe der Landkreise, die Gemeinden bei der Durchführung der ihnen obliegenden Aufgaben zu beraten und zu unterstützen (vgl. zum Beispiel § 4 Abs. 1 HBKG).
Die Aufstellung und Fortschreibung des Feuerwehrbedarfsplans bleibt jedoch kommunale Angelegenheit in eigener Zuständigkeit. Der Aufsichtsbehörde ist der Bedarfsplan daher grundsätzlich nur vorzulegen, wenn dieses explizit im Gesetz gefordert ist (Genehmigungsvorbehalt oder Anzeigepflicht). So auch die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts:
»Hält es der Gesetzgeber für erforderlich, der Ausübung grundrechtlicher Befugnisse ein Genehmigungsverfahren vorzuschalten, so muss sich aus der Rechtsvorschrift selbst ergeben, welche Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung gegeben sein müssen, bzw. aus welchen Gründen die Genehmigung versagt werden darf.« (BVerG 20, 150)
Im Saarland ist dieses beispielsweise gemäß § 3 Abs. 1 SBKG der Fall, wonach die Bedarfs- und Entwicklungsplanung ausdrücklich der Aufsichtsbehörde vorzulegen ist. In Hessen ist zu den Aufgaben der Landkreise in § 4 Abs. 1 Nr. 2 HBKG festgelegt, dass die Landkreise zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Brandschutz, in der Allgemeinen Hilfe und im Katastrophenschutz eine überörtliche Planung zu erarbeiten und fortzuschreiben haben. Hieraus ergibt sich eine »abstrakte Abstimmungspflicht«, die jedoch aus Respekt vor der kommunalen Selbstverwaltung sehr behutsam ausgedrückt ist. In Bayern wird in Nr. 1.1 VollzBekBayFwG explizit empfohlen, dem zuständigen Kreisbrandrat bei der Erstellung der Feuerwehrbedarfspläne zu beteiligen. Und in Schleswig-Holstein bedürfen die kommunalen Feuerwehren nach § 6 Abs. 3 BrSchG formal der Anerkennung ihrer Leistungsfähigkeit durch die Aufsichtsbehörde, wofür die Vorlage des Bedarfsplans obligat ist, ohne dass dieser gesetzlich gefordert wird.
Den Aufsichtsbehörden steht zudem allgemein sowie auch speziell im Hinblick auf die Angelegenheit der Feuerwehr ein Unterrichtungsrecht zu. Demnach kann sich die Aufsichtsbehörde jederzeit über die Wahrnehmung der den Gemeinden nach dem Gesetz obliegenden Aufgaben erkundigen (vgl. zum Beispiel § 121 GO NRW sowie § 54 Abs. 1 BHKG). Die Vorlage des Feuerwehrbedarfsplans ist hierzu eine geeignete Maßnahme (z. B. um die Einsatzbereitschaft der Feuerwehr zu beurteilen). Hieraus ergibt sich jedoch kein aktives Beteiligungsrecht der Aufsicht bei der Aufstellung oder Fortschreibung des Bedarfsplans.