Читать книгу Postkarten einer Toten - Thomas Neumeier - Страница 8
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ОглавлениеIm Schutz der Garage inspizierte Hannes seinen gebeutelten Wagen. Er war noch fahrtauglich, aber der Anblick war bemitleidenswert. Der Auspuff schleifte am Boden, Dellen und Kratzer entlang der gesamten Karosserie, die Stoßstange angehoben und eingedrückt, die vorderen Scheinwerfer gesplittert, beide Außenspiegel abgerissen und natürlich die fehlende Heckscheibe. Gegen Beschuss und Kamikazefahrten durchs Holz war er leider nicht versichert. Für eine zwölf Jahre alte Kiste rentierte sich keine Kasko mehr. So blieb Hannes wahrscheinlich nur, sie zu verschrotten.
Der alte Schwabeder war ein launischer und oft grantiger Zeitgenosse, dem man an gewissen Tagen besser aus dem Weg ging. Dass er in seinem Wald auf parkende Autos schoss, war allerdings ein neuer Höhepunkt. Und es war etwas zu viel, um es mit überbordender Hitzköpfigkeit zu rechtfertigen. Im Sommer vor zwei Jahren hatte er Hannes auf derselben Lichtung ordentlich aufs Autodach getrommelt, gerade als er mit einer hübschen Thüringerin auf der Rückliege zur Sache kommen wollte. Anschließend hatte es noch eine verbale Schelte gegeben, mehr aber nicht. Sollte der alte Griesgram dieses Mal gleich zur Flinte gegriffen haben, um ihn einzuschüchtern und ein für alle Mal aus seinem Wald zu verjagen? Auszuschließen war es nicht. Mit dem neuen Auto, das sich Hannes nun umgehend besorgen musste, schien es auch nötig, sich nach einem neuen Liebesplätzchen umzuschauen.
Sei’s drum! Es war Zeit für eine neue Eroberung. Die Chance mit der Hamburgerin war ohnehin vertan. Der Schuss auf das Auto und die nachfolgende halsbrecherische Flucht waren ihrer romantischen Stimmung nicht sehr zuträglich gewesen – und danach hatte ihre nächtliche Odyssee ja auch noch eine Fortsetzung erfahren. Eine schmerzhafte.
Nun ja, flotte Urlauberinnen sollte es in der kommenden Urlaubszeit wieder mehr als genug in der Gegend geben. Tagsüber bevölkerten sie Radwege, Boote und Uferpromenaden, abends Kneipen und Biergärten. Auch den seiner Mutter. Hannes war recht zuversichtlich, schon bald Ersatz für die Hamburgerin aufgetan zu haben.
Aber wie verfahren, wenn er sich erst eine Eroberung auserkoren hatte? Sie auf die Westhöhen hinaufzukutschieren und dort alles weitere anzuleiern, hatte sich in all den Jahren bei ihm dermaßen bewährt und eingespielt, dass er keinen Plan B besaß. Warum auch? Dort oben waren sie fast immer willig. Hier unten allenfalls interessiert. Dort oben waren sie scharf. Hier unten allenfalls bedürftig. Unter dem Sternenzelt auf den Westhöhen war es ein Kinderspiel.
Hannes sann nach einem Notfallplan, fand aber keinen. Diesen magischen Ort da oben einfach so aufzugeben, wäre ein Frevel. Es brauchte schon mehr als einen spinnerten alten Grantler und eine Ladung Schrot, um ihn fernzuhalten. Seine Raubzüge am weiblichen Geschlecht würden schon bald eine Fortsetzung erfahren.