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P. Kombination von Instrumenten und Risiken (Beispiel)

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In den vorigen Abschnitten sind die am Markt eingesetzten Finanzinstrumente mit Blick auf ihren Beitrag zu aufsichtsrechtlichen Gefahren kategorisiert worden. Eine solche Kategorisierung schafft zwar eine Basis, um die Regulierung von innovativen Finanzinstrumenten im weiteren Verlauf dieser Arbeit systematisch zu untersuchen. Sie lässt jedoch offen, welche Anforderungen praktisch an eine solche Regulierung zu stellen sind. Dieses Problem ist deshalb von Bedeutung, weil gerade komplexe Finanzinstrumente (z.B. Kreditderivate, Swaps) im Rahmen von ihrerseits komplexen Strategien eingesetzt und miteinander kombiniert werden.

Die sich im Einzelfall stellenden Probleme sollen beispielhaft anhand einer in der Praxis vorkommenden Strategie illustriert werden. Dabei handelt es sich um eine insbesondere von Hedgefonds angewendete marktneutrale Anlagestrategie (Convertible bond-Arbitrage). Das Beispiel ist, leicht abgewandelt und verkürzt, einem Beitrag von Marshall/Marshall übernommen.563

Der Ausgangspunkt sei, dass ein deutsches Unternehmen Wandelanleihen über einen Nennbetrag von z.B. EUR 500 Mio. emittieren möchte. Das Kreditausfallrisiko sei bei diesem Unternehmen relativ hoch. Die Option zur Umwandlung der Anleihe in (höher verzinsliches) Eigenkapital macht es für das Unternehmen verzichtbar, seinen Anlegern einen anderweitigen Gegenwert für die Übernahme des erhöhten Ausfallrisikos zu bieten. Das Optionsrecht sei jedoch nur am Ende der Anleihelaufzeit ausübbar (europäische Option). Die Emission einer solchen Wandelanleihe erfolgt typischerweise über die Hausbank. Diese übernimmt auch die Platzierung der Anleihe, sorgt also für mögliche Käufer.

Es soll angenommen werden, dass ein Hedgefonds sich für den Erwerb der Wandelanleihe interessiert. Bei seiner Bewertung des Gewinnpotenzials stellt sich die Wandelanleihe nicht als Einzelprodukt dar, sondern als ein zusammengesetztes Instrument, das aus einer Anleihe (Schuldverschreibung) und einer Calloption besteht. Die Anleihe lässt sich ihrerseits in eine Kredit- und eine Zinskomponente zerlegen. Die einzelnen Komponenten sind – entsprechend dem zuvor in diesem Kapitel Ausgeführten – durch die ihnen jeweils eigene Risikostruktur gekennzeichnet, die Anleihe vor allem durch das damit verbundene Ausfall- und Zinsrisiko.

Einen Wert hat die Anlage für den Hedgefonds dann, wenn die in der Wandelanleihe enthaltene Option im Vergleich mit einem Erwerb von Aktien am Markt zum Laufzeitende der Anleihe günstig ist. Ob dies der Fall ist, ergibt sich aus der Optionsprämie, denn der Berechnung dieser Prämie liegen Annahmen über die künftige Volatilität (implizite Volatilität) des Referenzwerts (Aktien) zugrunde. Der Hedgefonds muss also ermitteln, ob die vom Emittenten geforderte Optionsprämie vor dem Hintergrund der eigenen Annahmen des Hedgefonds hoch oder niedrig ist.

Zu diesem Zweck wird der Hedgefonds die Erträge aus der Anlage und die Kosten der Transaktion, die Kosten einer Isolierung der in die Wandelanleihe hineinstrukturierten Option und schließlich die implizite Volatilität der Option ermitteln. Die Kosten der Transaktion ergeben sich aus den Kosten eines Finanzierungskredits (Kreditzins), die vom erwarteten Zinsertrag der Wandelanleihe abzuziehen sind. Zu den Kosten einer Isolierung der Option zählen die Kosten einer Absicherung gegen die mit den Komponenten der Anleihe verbundenen Risiken, also Ausfall- und Zinsrisiken. Die gewünschte Absicherung lässt sich über einen CDS und einen Zinsswap erlangen.564

Weil es sich im vorliegenden Fall um ein Arbitragegeschäft handelt, muss der Hedgefonds weiter sicherstellen, dass er die Option mit Gewinn verkaufen kann. Zum Zweck einer derartigen Absicherung kann er zum einen selbst eine Calloption mit höherer impliziter Volatilität verkaufen, wenn solche Optionen am Markt (börslich/OTC) gehandelt werden. Zum anderen kann er einen höheren Verkaufspreis künstlich durch eine synthetische Strategie bewirken (sog. delta hedging)565. Dazu muss der Hedgefonds sich so stellen, als ob er eine Option mit einer Volatilität erworben hätte, bei der eine Veräußerung zum angestrebten Preis pro Anteil möglich wäre. In einem solchen Fall würde die Option jedoch ein Anrecht auf eine geringere Zahl von Aktien vermitteln. Der Hedgefonds wird deshalb ihm von seiner Bank (Primebroker566) geliehene Aktien des Emittenten leer verkaufen. Der Kaufpreis aus dem Leerverkauf wird von der Bank als Sicherheit einbehalten und in sichere, kurzlaufende Papiere (Geldmarkttitel) zinsneutral investiert. Die Provision der Bank erhöht die Kosten der Option.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Abstand zwischen Optionspreis und Aktienkurs (Delta) sich im Zeitablauf verändert. Außerdem kann der Leerverkauf den Kurs der Aktien des Emittenten beeinflussen (Gammaeffekt). Es kann also nötig werden, die Absicherung (hedge) entsprechend anzupassen, woraus sich weitere Kosten ergeben können.

Der Hedgefonds kann im zuvor beschriebenen Beispiel einen Gewinn in Höhe der Wertdifferenz zwischen gekaufter und verkaufter Volatilität generieren. Aus aufsichtsrechtlicher Sicht ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Arbitrage des Hedgefonds die Preissetzung bei der Wandelanleihe verbessert. Demgegenüber stehen andererseits die Risiken der Transaktion. Dazu zählen unter anderem Modellrisiken hinsichtlich der Bewertung der impliziten Volatilität der Option und der zu erwartenden, erforderlichen Anpassungen des hedge. Außerdem gehen die Sicherungsgeschäfte (CDS, Zinsswap) und der Leerverkauf mit jeweils eigenen Risiken einher. Im Anschluss an die weitere Untersuchung wird auf das hier beschriebene Beispiel mit Blick darauf zurückzukommen sein, ob die gegenwärtige Regulierung zur Abwehr möglicher Gefahren aufgrund solcher Transaktionen ausreicht.567

563 Marshall/Marshall, The Use of Derivatives in Financial Engineering: Hedge Fund Applications, in: Kolb/Overdahl, Financial Derivatives: Pricing and Risk Management, 1. Aufl. 2010, 525ff. 564 Dabei ist eine Absicherung gegen das Zinsrisiko grundsätzlich nur in Höhe der Differenz der (erhaltenen) Zinsen aus der Anleihe einerseits und der (an den Finanzierungsgeber zu zahlenden) Kreditzinsen andererseits erforderlich; vgl. Marshall/Marshall (Fn. 563), 525 (530). 565 Bei einer solchen Strategie nutzt der Hedgefonds die Schwankungen im Optionspreis, die durch Änderungen des Referenzwertes (Delta) ausgelöst werden; Marshall/Marshall (Fn. 563), 525 (531ff.). 566 Siehe Art. 4 Abs. 1 lit. af RL 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen 1060/2009 und 1095/2010, ABl. L 174 vom 1. Juli 2011, S. 1 zu diesem Begriff. 567 Siehe unten Kap. 7.G (S. 1020).

Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente

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