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III. Besonderheiten gegenüber dem allgemeinen Ordnungsrecht

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Ein aufsichtsrechtlicher Regelungsbedarf kann nach den allgemeinen Grundsätzen des deutschen Ordnungsrechts immer dann entstehen, wenn der Einsatz von Finanzinstrumenten aufsichtsrechtliche Schutzgüter gefährdet und ein Eingreifen auf aufsichtsrechtlicher Grundlage verhältnismäßig ist und sich im Rahmen ordnungsrechtlicher Befugnisse hält. Dabei betreffen die erstgenannten Kriterien die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Eingreifens, während sich aus den zuletzt genannten Kriterien rechtsfolgenbezogene Grenzen ergeben. Bei der Feststellung, ob dies der Fall ist, sind allerdings einige Besonderheiten des Finanzaufsichtsrechts zu beachten.

So ist namentlich die Verwendung eines allgemeinen Gefahrbegriffs im Finanzaufsichtsrecht, anders als im allgemeinen Ordnungsrecht, unüblich. Die Regelungen in den Gesetzen über die Tätigkeit bestimmter Finanzmarktteilnehmer (z.B. KWG, VAG, BörsG) knüpfen im Regelfall auch nicht ausdrücklich an Gefahrentatbestände an.577 Diese Besonderheiten dürften mit der speziellen Regelungsmaterie des Aufsichtsrechts zusammenhängen.

Denn angesichts der erfahrungsgemäß schwerwiegenden Folgen, wenn Risiken in einem solchen Umfang zunehmen, dass das Finanzsystem ganz oder in Teilen gefährdet ist, ist es ohne Weiteres nachzuvollziehen, dass der Gesetzgeber das Aufsichtsrecht ausgehend von einem Vorsichts- bzw. Vorsorgeprinzip ausgestaltet und den zuständigen Behörden Befugnisse einräumt, die es ihnen gestatten, bereits im Vorfeld etwaige Gefahren für bestimmte finanzaufsichtsrechtliche Schutzgüter abzuwenden. Ein solches Prinzip ist auch aus den EU-rechtlichen Verbraucherschutzbestimmungen und aus anderen Bereichen des Ordnungsrechts bekannt, in denen es um die Abwehr von Gefahren für besonders wichtige Schutzgüter geht, insbesondere aus dem Umweltrecht.578 Nach dem umweltrechtlichen Vorsorgeprinzip sind Maßnahme zur Risiko- und Zukunftsvorsorge über die Abwehr drohender Gefahren und eingetretener Schäden hinaus zu treffen, sodass Schäden vermieden werden und gar nicht erst zum Entstehen kommen.579 Die Risikovorsorge betrifft dabei entfernte Gefahren und Fälle geringer Eintrittswahrscheinlichkeit.580 Die Idee einer der Gefahrenabwehr vorgelagerten Vorsorge lässt sich auch auf das Finanzaufsichtsrecht übertragen.581 Das gilt allerdings nicht ohne Weiteres für den im Umweltrecht und in anderen Bereichen des Ordnungsrechts verwendeten Risikobegriff.582 Deshalb ist es im vorliegenden Kontext es präziser, von Gefahrenvorsorge zu sprechen.

Die G 20 haben diesem Konzept entsprechend für den Bereich der Finanzmarktregulierung auf internationaler Ebene beschlossen, dass die Regulierung „schnell auf Entwicklungen und Innovationen auf den Finanzmärkten oder bei Finanzprodukten reagieren“ müsse.583 Einen ähnlichen Gedanken formuliert auf der EU-Ebene der so genannte Larosière-Bericht, der als Reaktion auf die Finanzkrise Vorschläge für eine Verbesserung von Regulierung und Aufsicht gemacht hat.584 Die Verfasser heben in dem Bericht hervor, dass eine neue Regulierungsagenda erforderlich sei, um unter anderem „das Risiko zu senken und das Risikomanagement zu verbessern [sowie] prozyklische Verstärkungseffekte abzuschwächen“.585 In Bezug auf die Erfahrungen in der Finanzkrise halten die Verfasser fest, die Regulierung müsse die „Wahrscheinlichkeit solcher Krisen in Zukunft [...] verringern“.586 Das erfordere es, dass „alle [...] Schwächen“ des Vertrauens in die Finanzmärkte beseitigt würden.587 Die Formulierungen im zitierten Beschluss der G 20 und im Larosière-Bericht sprechen somit für eine aufsichtsrechtliche Regulierung, die der Entstehung konkreter aufsichtsrechtlicher Gefahren weit vorgelagert ist. Dieses Konzept verfolgt offenbar auch der deutsche Gesetzgeber im nationalen Aufsichtsrecht.

Abweichend ist die Situation im Bereich des Wertpapierhandels. Denn die Verordnung 600/2014 (MiFIR) und das Wertpapierhandelsgesetz enthalten weit gefasste Aufgaben- und Befugnisnormen, welche die Behörden zum Eingreifen in Gefahrensituationen („Missständen“) ermächtigen.588 Diese Befugnisse werden in den besagten Rechtsakten in Bezug auf bestimmte Missstände weiter spezifiziert. Allerdings gibt es darin auch viele Regelungen, die Verhaltenspflichten vor allem im Verhältnis der Marktteilnehmer zueinander ausgestalten. Die Rechtsakte bilden damit ein zentrales Regelwerk sowohl für die ordnungsbehördliche Gefahrenabwehr als auch für die Gefahrenvorsorge.

Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente

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