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b) Institutionelle Aufsicht

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Das deutsche Aufsichtsrecht schützt – im volkswirtschaftlichen Interesse – vor allem das Vertrauen in die Stabilität und gewerbliche Zuverlässigkeit von Finanzintermediären (Banken, Versicherungen, Investmentfonds usw.) und ergänzenden Dienstleistern (z.B. Finanzanlagenvermittler) und eine entsprechende Organisation bestimmter Finanzmarktinfrastrukturen (Börsen, Zentralverwahrstellen).647 Es geht insofern, wie angesprochen, von einem rein institutionellen Ansatz aus, regelt also die Zulassung und Tätigkeit der jeweiligen Unternehmen, ungeachtet ihres Geschäftsmodells im Einzelfall und unabhängig von den damit konkret verbundenen Risiken.

Eine Aufsicht ist insbesondere über das von Banken betriebene Kreditgewerbe erforderlich, was sich schon aus den Gesetzgebungsmaterialien von 1961 zum Kreditwesengesetz (KWG) ableiten lässt. Dort wurde darauf verwiesen, dass Banken als Kreditgeber und Geldsammelstelle für alle wesentlichen Zweige der Volkswirtschaft dienen, sodass Störungen in diesem Wirtschaftszweig leicht auf die gesamte Volkswirtschaft übergreifen.648 Banken treten tatsächlich als „Finanzintermediäre“ zwischen Einleger und Kreditsuchende. Sie nehmen also (i.d.R. jederzeit abrufbare) Einlagen gegen einen geringen Zins entgegen und vergeben mit den eingelegten Geldern (bis zu einem Fälligkeitszeitpunkt laufende) Kredite gegen einen höheren Zins (Stichwort: Fristentransformation).649 Eine Folge dieses Geschäftsmodells ist es, dass die Stabilität der Banken und – schwerwiegender – sogar des gesamten Finanzsystems schnell gefährdet sein kann. Denn die Einleger einer Bank sind nicht nur Kunden, die eine Kontoführungsleistung der Bank entgegennehmen, sondern sie sind zugleich Gläubiger der Bank, häufig mit jederzeitigem Zugriff auf ihre Einlagen. Wenn die Stabilität einer Bank nicht mehr gesichert zu sein scheint, ziehen sie unter Umständen massenhaft ihre Einlagen ab, und es kommt zu einem bank run. Die Auswirkungen eines solchen Schaltersturms (run) sind aber – anders als bei der Insolvenz eines Industrieunternehmens – nicht nur auf die betreffende Bank beschränkt, sondern können auch das Vertrauen in andere, ursprünglich gesunde Banken untergraben.650 Die Bankenaufsicht in Deutschland soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Schlüsselfunktionen der Kreditwirtschaft sichern, um diese als Instrument der staatlichen Geld- und Wirtschaftspolitik zu erhalten. Daneben wird auch das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft geschützt. Seit einigen Jahren ist, nicht zuletzt durch den zunehmenden Einfluss des EU-Rechts, die Bekämpfung der Geldwäsche als Schutzziel hinzugetreten.651

Die Versicherungsaufsicht nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) dient einerseits dem Schutz der Versicherungsnehmer und von der Versicherung Begünstigten und andererseits zumindest herkömmlich dem Schutz der sog. Wirtschaftsfunktion der Versicherung.652 Nach hergebrachtem Verständnis soll die Versicherungsaufsicht im Sinne einer Fürsorge für ein möglichst gutes Funktionieren des Versicherungswesens sorgen (Strukturtheorie). Dem ist als modernerer Ansatz das Bedürfnis gegenübergestellt worden, dort einzugreifen, wo ein freier Wettbewerb nicht notwendig zur optimalen Versorgung mit Versicherungsschutz führt (allokationstheoretische Begründung).653 Beide Ansätze dürften sich allerdings insofern überschneiden, als auch die Fürsorge für ein gutes Versicherungswesen ein Aufsichtshandeln gerade dort zu rechtfertigen vermag, wo der Wettbewerb einen nach Maßgabe des Gesetzgebers optimalen Versicherungsschutz nicht sicherstellen kann. Als weitere, wenngleich nachrangige Ziele der heutigen Versicherungsaufsicht werden die Wahrung der Integrität des Finanzsystems und die Vermeidung prozyklischer Effekte genannt.654 Hinzu treten die nach dem EU-Recht auch für die Mitgliedstaaten maßgebenden Ziele wie z.B. der Schutz des Binnenmarkts und ein allgemeines Diskriminierungsverbot sowie Ziele der Verbraucherpolitik.655

Kaum über das EU-Recht hinausgehende Schutzgüter finden sich hingegen im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), das die zentralen Vorschriften der deutschen Fondsregulierung enthält. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll das Gesetz die Vorgaben des EU-Rechts zur Umsetzung der G 20-Beschlüsse im deutschen Recht umsetzen, zur Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes im Investmentfondsbereich beitragen und einen hohen Schutzstandard für Anleger sicherstellen.656 Ergänzende Funktionen für den Bank-, Versicherungs- und Fondsvertrieb hat schließlich das Gewerbeordnungsrecht, das im Anlegerinteresse die Zuverlässigkeit von Anlagenvermittlern u.ä. gewährleisten soll.657

Das Börsengesetz als zentraler Regelungsrahmen für den Börsenbetrieb ist lange im Wesentlichen unverändert geblieben, insbesondere ab 2002 aber zunehmend häufig geändert worden.658 Als Hauptziel wird die staatliche Aufgabe gesehen, den Marktteilnehmern gut organisierte (= funktionsfähige) Handelsplattformen anzubieten. Dabei geht es insbesondere darum, den Marktteilnehmern eine Möglichkeit zu geben, auf dem Handelsplatz ihre Kapital- bzw. Transaktionskosten möglichst niedrig zu halten.659 Weitergehend wird angenommen, dass die Börsenregulierung auch dem (kollektiven) Anlegerschutz zugute kommen soll, d.h. dem Vertrauen der Anleger in die Fairness, Integrität und Ordnungsmäßigkeit des Börsenhandels.660 In jedem Falle geht es zwar um die Regelung der Organisation der Markteinrichtung und nicht um ausschließlich vertriebs- bzw. kapitalmarktbezogene Fragen.661 Allerdings ist nicht zu verkennen, dass der Schutz der Funktionsfähigkeit des Börsenhandels auch der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes als solcher und den darüber hinausgehenden Schutzzielen (z.B. Anlegerschutz) zugute kommt und beides schwerlich zu trennen ist.662

In Bezug auf Zentralverwahrstellen (Verwahrer) enthält das Depotgesetz die maßgeblichen Regelungen über die Verwahrung von Wertpapieren und die Übertragung von Miteigentum an verwahrten Sammelbeständen.663 Das Gesetz ergänzt die Verordnung 909/2014 und hat zum Ziel, Bankkunden, die gesetzlich erfasste Wertpapiergeschäfte betreiben, die Möglichkeit zu geben, durch Einschaltung eines Verwahrers insbesondere Verwahrrisiken auszuschließen.664

Die Notwendigkeit einer aufsichtsrechtlichen Gefahrenabwehr leuchtet bei Marktplatzbetreibern (z.B. Börsen) und anderen zentralen Infrastrukturen (z.B. Zentralverwahrstellen) unmittelbar ein. Denn die Stabilität und Funktionsfähigkeit solcher Infrastrukturen muss auch für den Fall turbulenter Marktentwicklungen gewährleistet werden. Dennoch gibt es im nationalen Recht erst seit Kurzem eine besondere Regulierung zu Zentralen Gegenparteien und Transaktionsregistern.

Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente

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