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II. Der Risikobegriff als Element eines „Risikosteuerungsrechts“? 1. Einführung

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Ausgehend von der Beobachtung, dass die Eingriffsschwelle mittlerweile in vielen Bereichen des Ordnungsrechts vorverlagert ist, wird diskutiert, ob sich das Ordnungsrecht zunehmend von einem Gefahrenabwehrrecht zu einem so genannten Risikosteuerungsrecht entwickelt. Die Diskussion ist nicht nur semantischer Natur. Sie erscheint auch im aufsichtsrechtlichen Kontext relevant, zumindest soweit es um die Regulierung von Finanzinstrumenten mit einer neuartigen Risikostruktur geht.

Im Wesentlichen dürfte im einschlägigen Schrifttum Einigkeit bestehen, dass das Prinzip der Gefahrenvorsorge zumindest außerhalb der Finanzmärkte ein allgemeines Regelungsprinzip darstellt, mit dem ein Rechtsgüterschutz in Bereichen gewährleistet werden soll, die einer ordnungsrechtlichen Gefahr vorgelagert sind.700 Diese Gefahrenvorsorge ist von der Abwehr abstrakter Gefahren und auch von der Prüfung eines Gefahrenverdachts abzugrenzen. Bei einer abstrakten Gefahr besteht im Falle einer gedachten Mehrzahl konkret gefährlicher Sachverhalte die Unsicherheit, welcher Sachverhalt voraussichtlich eintreten wird. Beim Gefahrenverdacht bestehen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Gefahr. Es ist nach den vorliegenden Informationen aber unsicher, wie die bestehende Situation zu deuten ist (Diagnoseproblem) oder welcher Geschehensablauf auf dieser Grundlage zu erwarten ist (Prognoseproblem), sodass sich die Wahrscheinlichkeit eines Schadens noch nicht abschätzen lässt.701

Des Weiteren lässt sich festhalten, dass das Risiko als Merkmal eines ordnungsrechtlich zu beurteilenden Sachverhalts – abweichend vom wirtschaftlichen Verständnis – nicht neutral als Unsicherheitsfaktor, sondern vielmehr in einem engen Zusammenhang mit Schadenspotenzialen gesehen wird. Die gesetzlichen Formulierungen z.B. im Umweltrecht dürften einen solchen Sprachgebrauch auch nahelegen.702 Dabei sind ordnungsrechtlich nur solche Schadenspotenziale relevant, die bei ungehindertem Geschehensablauf ohne staatliches Einschreiten bestehen, nicht aber Schadenspotenziale aufgrund von staatlichen Fehlentscheidungen.703 Des Weiteren wird das Risiko, wenn auch in unterschiedlichen Formulierungen, als Unsicherheitsfaktor angesehen, der gerade deshalb rechtserheblich ist, weil er die Einschätzung eines möglichen Schadens erschwert.704 Dieser am Schaden orientierten Risikobetrachtung soll nicht entgegenstehen, dass Schadenspotenziale mit der Verfolgung eines davon abtrennbaren Nutzens verbunden sein können.705

Eine Gefahrenvorsorge zur Risikosteuerung im zuvor beschriebenen Sinne bedeutet, dass das Finanzaufsichtsrecht grundsätzlich nach ähnlichen Grundsätzen zu betrachten ist wie Regelungen zur Katastrophen- und Seuchenbekämpfung, der Terrorabwehr oder zum Umgang mit Cyberangriffen. Denn in allen derartigen Bereichen können Schadensereignisse zu immensen Schäden führen, die zugleich breit streuen. Die zuständigen Behörden verfügen auch nicht ohne Weiteres über die nötigen Informationen, um eine zutreffende Lagebewertung vorzunehmen. Außerdem kann der Eingriffszeitpunkt für Maßnahmen der Gefahrenabwehr so spät liegen, dass sich die Schäden tatsächlich nicht mehr abwenden lassen. Aus diesen Gründen wird die Eingriffsschwelle vom Gesetzgeber vorverlagert, um eine etwaige Schädigung der Rechtsgüter, deren Schutz die Vorsorge dienen soll, zu vermeiden.

Die Idee eines eigenständigen Risikosteuerungsrechts ist allerdings immer noch von großen Unsicherheiten geprägt. Auf Tatbestandsseite stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis das „Risiko“ als rechtliche Kategorie zur Gefahr steht (dazu nachfolgend Abschn. 2). Auf Rechtsfolgenseite stellt sich die Frage, was aus einer solchen rechtlichen Kategorie für den Umgang mit Risiken folgt (dazu Abschn. 3). Immerhin dürften Risiken rechtsdogmatisch bedeutsam sein, weil sie zu einer Verknüfung von Tatbestand und Rechtsfolge führen. Dies ist auch im vorliegenden Kontext relevant (Abschn. 4).

Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente

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