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2. Europäische Union

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Im europäischen Aufsichtsrecht wirken sich das Fehlen eines primärrechtlichen Schutzgutes und die aus Gründen der Kompetenzverteilung begrenzten Durchsetzungsbefugnisse europäischer Exekutivorgane auch in Bezug auf die Definition relevanter Gefahrentatbestände aus. Anstelle eines allgemeinen und nach Bedarf weiter ausdifferenzierten Gefahrentatbestands wird der Regelungsgegenstand der europäischen Vorschriften in Bezug auf einzelne Regelungsfelder und häufig ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die abzuwendenden aufsichtsrechtlichen Gefahren definiert.

So wird beispielsweise zwar in den Erwägungsgründen der aktuellen Eigenkapitalvorschriften für Banken (CRR/CRD IV) darauf hingewiesen, dass „Transparenz, Rechenschaftspflicht und Regulierung durch eine quantitative und qualitative Verbesserung der Kapitalbasis [gestärkt]“ werden, das „Anwachsen der Verschuldung im Bankensektor“ eingedämmt, „Handelshemmnisse und Wettbewerbsverzerrungen“ beseitigt und „Makroaufsichts- und Systemrisiken“ abgewendet und eingedämmt werden sollten.672 Als Anwendungsbereich wird allerdings lediglich die Festlegung allgemeiner Aufsichtsanforderungen in Bezug auf Eigenmittel, die Begrenzung von Großkrediten, Liquiditätsanforderungen, Berichts- und Offenlegungspflichten bestimmt.673 Einzelne Gefahrentatbestände werden grundsätzlich nur für Situationen bestimmt, in denen die genannten Anforderungen unterschritten werden.674 Soweit eine Zuständigkeit von europäischen Institutionen besteht, die Einhaltung der Eigenmittel- und Liquiditätsvorgaben sicherzustellen, enthalten allerdings auch die Verordnungen 1024/2013 und 468/2014 gefahrbezogene Aufgaben- und Befugnistatbestände.675

Die Verordnung 600/2014 über Märkte für Finanzinstrumente (MiFIR) hat einheitliche Anforderungen in Bezug auf verschiedene Regelungsbereiche des Handels mit Finanzinstrumenten zum Gegenstand.676 Aus dem ersten Erwägungsgrund ergibt sich freilich, dass diese Anforderungen vor dem Hintergrund festgelegt wurden, dass Transparenzdefizite der Finanzmärkte „schädliche sozioökonomische Auswirkungen“ haben können. Diese schädlichen Auswirkungen werden in den weiteren Erwägungsgründen der Verordnung 600/2014 und der sie ergänzenden Richtlinie 2014/65/EU (MiFID II) näher spezifiziert.677 Hinzu treten Einzelvorschriften in der Verordnung 600/2014 und den Verordnungen über die europäischen Aufsichtsbehörden, in denen den jeweils zuständigen Behörden für bestimmte Gefahrentatbestände konkrete Eingriffsbefugnisse gegenüber den Marktteilnehmern zugewiesen werden.678 Darüber hinaus gehende behördliche Zulassungs- bzw. Überwachungspflichten für die europäischen und nationalen Aufsichtsbehörden bestehen gegenüber Handelsplätzen.679

In der Verordnung 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (EMIR) sind als Gegenstand bestimmte Pflichten für die Marktteilnehmer festgelegt.680 Die Verordnung soll dadurch den Aufsichtsrahmen für den Finanzsektor stärken, um das „Risiko künftiger Finanzkrisen einzudämmen“.681 Die Verordnung enthält deshalb einzelne Befugnisregelungen, die mit dem „übergeordnete[n] Ziel, das Systemrisiko zu verringern“, begründet werden.682 Durch diese Befugnisse sollen die zuständigen Behörden in die Lage versetzt werden, die Einhaltung der in der Verordnung festgelegten Pflichten gegenüber den Marktteilnehmern durchzusetzen.683 Darüber hinaus gehende Zulassungs- und Überwachungspflichten bestehen gegenüber Zentralen Gegenparteien und Transaktionsregistern.684

Die so genannte Marktmissbrauchsverordnung (VO 596/2014) hat die Verhinderung von Insidergeschäften, der unrechtmäßigen Offenlegung von Insiderinformationen und Marktmanipulationen (Marktmissbrauch) ausdrücklich zum Gegenstand.685 Diese Tatbestände werden in der Verordnung als (auch) behördliche Aufgabentatbestände näher definiert.686 Die so genannte Marktmissbrauchsrichtlinie (RL 2014/57/EU) sieht ergänzend vor, dass schwerwiegende und vorsätzliche Verstöße nach mitgliedstaatlichem Recht als Straftaten zu definieren sind.687 Darüber hinausgehend enthalten die europäischen Marktmissbrauchsvorschriften keine Gefahrentatbestände.

Die weiteren bereits angesprochenen europäischen Vorschriften über Leerverkäufe, Prospekte und Fonds gehen dagegen wie die übrigen in diesem Abschnitt diskutierten Verordnungen und Richtlinien grundsätzlich von Regelungsgegenständen aus, ohne diese als Gefahrentatbestände zu definieren.

In einer Gesamtschau ergibt sich, dass die europäischen Regelungen zwar gefahrbezogene Aufgaben- und Befugnistatbestände in unterschiedlichen Regelungszusammenhängen definieren, aber selbst keinen einheitlichen Gefahrbegriff anstreben und insofern auch keine allgemeinen Vorgaben enthalten. Die wertende Beurteilung, die zur Ausfüllung der EU-Regelungen geboten ist, bleibt im Wesentlichen vielmehr den mitgliedstaatlichen Behörden überlassen und erfolgt eingebettet in die Regelungsstrukturen des nationalen Ordnungsrechts.

Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente

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