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II. Realisierung von Risiken im Verlauf der Finanzkrise

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Zu den großen Risiken für das weltweite Finanzsystem, die sich in der Finanzkrise zeigten, trug bei, dass die Marktteilnehmer im Vorfeld ihre Transaktionen mit den zuvor beschriebenen Instrumenten gezielt dazu einsetzten, Risiken zu generieren und im Markt weiterzuverteilen.

So vergaben die Banken zunehmend riskantere Hypothekenkredite, deren Risiken über Verbriefungstransaktionen an Käufer, welche die Risiken nicht überblickten, weitergeleitet wurden („originate and distribute“). Die immer riskanter werdende Kreditvergabe spiegelte sich in den immer geringer werdenden Anforderungen der Bankenleitlinien für die Kreditwürdigkeitsprüfung, mit denen auch offensiv geworben wurde.848 Die Kreditvergabe in den USA stieg nach Angaben der U.S. Financial Crisis Inquiry Commission (FCIC), welche die Finanzkrise im Interesse der öffentlichen Hand in den USA aufarbeitete, zwischen 1978 und 2007 von USD 3 Bio. auf USD 36 Bio. an.849

Mit der Zeit wurden sowohl Kredit- als auch Verbriefungsgeschäfte nach Erkenntnissen der FCIC in erheblichem Umfang auch unter Verstoß gegen Vorschriften und interne Standards abgeschlossen.850 Zur Marktentwicklung trug insofern bei, dass aufgrund niedriger Zinsen und des Zuflusses ausländischer Gelder ein über längere Zeit zunehmender Anlagedruck herrschte.851 Demgegenüber hatten die für die laufende Bankenaufsicht zuständigen Behörden in den USA nur sehr begrenzte Befugnisse in Bezug auf die hier relevanten Verbriefungsgeschäfte.852 Zugleich hatte ein noch näher anzusprechender Zuständigkeitskonflikt zwischen der SEC und der U.S. Commodity Futures Trading Commission (CFTC) dazu geführt, dass die hier relevanten Derivatgeschäfte weitgehend unreguliert blieben.853

Eine kritische Veränderung der Marktsituation wurde dadurch eingeleitet, dass es den U.S.-Hypothekenschuldnern nach dem Sommer 2006 immer schwerer fiel, ihre Kredite weiter zu bedienen oder abzulösen. In der ersten Phase der Finanzkrise häuften sich die Zahlungsausfälle und Zahlungsstörungen insbesondere im Subprime-Segment zunehmend.854 Im Juni 2007 gab die Investmentbank Bear Stearns bekannt, dass zwei von ihr aufgelegte Hedgefonds, welche in Hypothekenverbriefungen investiert hatten, geschlossen werden müssten, da eine angemessene Bewertung der Instrumente nicht mehr gewährleistet sei.855 Dies zog negative Ratingänderungen und einen Preisverfall bei Hypothekenverbriefungen einer Vielzahl von Anbietern nach sich.856 Aufgrund der durch die U.S.-Regulierung vorgeschriebenen Fair-value-Bilanzierung mussten Banken, welche in solche Instrumente investiert hatten, umgehend Mark-to-market-Verluste ausweisen.857 Besonders betroffen von dem Preisverfall waren aber offenbar CDO, in welche europäische Banken investiert hatten.858 Einige Immobilienfonds, die in derartige Instrumente investiert hatten, setzten zudem die Annahme von Fondsanteilen aus, um zu vermeiden, dass sie in finanzielle Schwierigkeiten gerieten.859

Die Schwierigkeiten auf den Märkten für Hypothekenverbriefungen und den darauf bezogenen Kreditderivaten (CDS) hatten unmittelbar Auswirkungen auf die Refinanzierung der Zweckgesellschaften über den Geldmarkt. Anleger scheuten sich zunehmend, weiter in die ausgegebenen CP zu investieren.860 Geldmarktfonds, die solche Instrumente gekauft hatten, sahen sich einem schleichenden run ausgesetzt.861 Die Zinsen für Interbankkredite stiegen im August 2007 sprunghaft an. Auch die Möglichkeiten für Repogeschäfte verengten sich spätestens ab der zweiten Hälfte des Jahres spürbar.862 Dies war für Hedgefonds, aber auch für Investmentbanken ein Problem. Bei Lehman Brothers kam insoweit erschwerend hinzu, dass diese Bank Repotransaktionen im Rahmen einer rechtlich umstrittenen Konstruktion nutzte, um Vermögenswerte zeitweise aus der Bilanz zu entfernen und so die beträchtliche Hebelung ihres Eigenkapitals bilanziell zu kaschieren.863

Die zweite Phase der Krise wurde mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers am 15. September 2008 eingeläutet, der zu Kurseinbrüchen an den Börsen und einer nachhaltigen Vertrauenskrise im Interbankengeschäft führte.864 Ein großflächiger run entwickelte sich in den USA nun auch auf solche Finanzmarktteilnehmer, die in Subprimeprodukte oder darauf bezogene Kreditderivate investiert hatten, also Banken und Hedgefonds, während sich der run auf den Geldmärkten noch einmal verschärfte.865 Außerdem waren zu dieser Zeit bereits mehrere große Versicherungen ausgezehrt, die auf Hypothekenverbriefungen bezogene CDS verkauft hatten, ohne über ausreichende Kapitalpuffer oder über ein adäquates Risikomanagement zu verfügen (z.B. AIG, MBIA).866 Die im Geschäft mit CDS engagierten Marktteilnehmer, aber auch die Ratingagenturen, konnten für die Einschätzung der Risiken des CDS-Geschäfts auch nur auf Daten zurückgreifen, die lediglich wenige Jahre zurückreichten.867 Die Probleme der Versicherer führten dazu, dass auch andere von diesen versicherte Finanzprodukte wie Kommunalanleihen unter Druck gerieten.868 Ebenso führte die Krise nun in einem immer größeren Ausmaß auch Finanzmarktteilnehmer außerhalb der USA an den Rand des Zusammenbruchs, und zwar sowohl auf im Geschäft mit Hypothekenverbriefungen involvierte Banken und Finanzkonzerne (z.B. die deutschen Landesbanken, Kaupthing) wie auch auf sich über die Geldmärkte finanzierende Unternehmen (z.B. Hypo Real Estate, Dexia).869

Die Zusammenbrüche von Marktteilnehmern und der drohende Kollaps ganzer Märkte erzwangen nicht nur kurzfristige staatliche Stützungsmaßnahmen, sondern führten in einer dritten Phase zur Ausweitung der Krise auf die Volkswirtschaft.870 Im Grunde erst in dieser Phase schritt die öffentliche Hand wirksam steuernd ein.

Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente

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