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3. Differenzgeschäft

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Nach einer alten Terminologie werden Transaktionen unter Nutzung von Derivaten als „Differenzgeschäfte“ bezeichnet. Diese Bezeichnung wird im juristischen und – möglicherweise davon abgeleitet – zum Teil auch im ökonomischen Schrifttum verwendet, ist mit der Durchsetzung des Begriffs „Derivat“ auch für Rechtsgeschäfte mit derivativen Finanzinstrumenten216 aber weitgehend außer Gebrauch geraten.217 Mit dem Begriff „Differenzgeschäft“ ist im Grunde gemeint, dass ein Derivatkontrakt grundsätzlich nur die Differenz der Leistungen aus gegenwärtigen und zukünftigen Kassageschäften umfasst, mit denen sich derselbe wirtschaftliche Erfolg erreichen lässt.218 Es handelt sich aufgrund des Charakters als Differenzgeschäft um ein Rechtsgeschäft, das sich auf eine Verschiebung von Risiken beschränkt, die aus Unsicherheiten hinsichtlich der vereinbarten zukünftigen Leistung folgen.

Ein Leistungsaustausch im vertraglichen Gegenseitigkeitsverhältnis (Synallagma) findet über das Derivat nach dem zuvor Ausgeführten nicht statt.219 Das vertragliche Gegenseitigkeitsverhältnis bezieht sich vielmehr auf die gegenseitige Vereinbarung, ein Risiko bzw. Risikobündel zu übernehmen (aleatorischer Vertrag ohne Umsatzelement).220 Zwar ist eine Lieferung des Referenzwerts möglich (true sale), hauptsächlich erfolgt aber lediglich ein Barausgleich (cash settlement). Bei den nach den ISDA-Modellverträgen strukturierten OTC-Derivaten ist seit 2009 auch eine Auktionsabwicklung (auction settlement) möglich.221 Aber selbst wenn eine Lieferpflicht bezüglich des Referenzwerts besteht und ein Entgelt für die Lieferung zu leisten ist, liegt die derivative Komponente des Geschäfts allein darin, dass eine Leistungsänderung von einem außerhalb des Parteiwillens liegenden Umstand abhängig gemacht werden soll, nämlich einer Änderung bezüglich des Referenzwerts. Die Lieferpflicht ist für das Derivat also kein konstitutives Element.

Die Tatsache, dass ein Derivat sich als Differenz der Leistungen aus gegenwärtigen und zukünftigen Kassageschäften auffassen lässt, bedeutet allerdings, dass der rechtsgeschäftliche Erfolg auch durch aufeinander bezogene Kassageschäfte repliziert werden kann. Derivate mit symmetrischem Risikoprofil wie z.B. Terminkäufe und Swaps (Festgeschäfte) lassen sich „statisch“ in Kassageschäfte zerlegen.222 So lässt sich beispielsweise ein Forward in den Verkauf einer Anleihe mit festem Zins einerseits und den Kauf der Aktie am Kassamarkt andererseits aufteilen.223 Ein Zinsswap entspricht der Gewährung eines Darlehens zu festem bzw. variablem Zinssatz und der gleichzeitigen Inanspruchnahme eines (bei Vertragsbeginn gleichwertigen) Darlehens zu variablem bzw. festem Zins.224 Dagegen lassen sich Optionen wegen ihres asymmetrischen Risikoprofils nur „dynamisch“ in herkömmliche Instrumente zerlegen. So kann eine Callposition mit Hilfe eines ständig anzugleichenden („dynamischen“) Portfolios aus dem Kauf des Referenzwerts und der Aufnahme eines Darlehens zu festem Zinssatz (bzw. der Emission einer entsprechenden Anleihe) dupliziert werden.225 Die dynamische Reproduktion ist in der Realität allerdings ungenau.226

Der Umstand, dass Differenzgeschäfte aus Elementen von nicht-derivativen Geschäften bestehen, bringt es außerdem mit sich, dass die Transaktionspartner auch auf nicht-derivative Alternativen zurückgreifen können. So können etwa Forderungen, anstatt dass ein Kapitalgeber Derivate zur Absicherung gegen Kreditrisiken einsetzt, zu Zwecken eines Risikotransfers auf einen Sicherungsgeber übertragen werden. Dies kann sowohl unverbrieft (z.B. durch Forfaitierung, Kreditsyndizierung; bei Forderungspools auch z.B. durch Factoring) als auch verbrieft (durch Anleihegeschäfte; bei Forderungspools auch z.B. durch ABS-Strukturen) erfolgen. Alternativ kann lediglich das Kreditrisiko übertragen werden, etwa mittels Bürgschaft bzw. Garantie (Avalgeschäfte) oder über Kreditversicherungen.227 Umgekehrt stehen auch einem Kapitalnehmer, sofern er Derivate einsetzt, Alternativen in Form von nicht-derivativen Geschäften zur Befriedigung seines Liquiditätsbedarfs zur Verfügung (z.B. Kreditaufnahme/Begebung einer Anleihe).

Die isolierte Risikoverschiebung über ein Differenzgeschäft bedeutet ferner, dass Risiken über entsprechend strukturierte und hinreichend standardisierte Derivate zum Handelsgegenstand gemacht werden können. Die meisten Derivate werden zur Absicherung gegen transaktionsbedingte Risiken aus sonstigen Transaktionen entwickelt, gegen die sich ein Transaktionspartner absichern möchte, ohne auf deren Verwirklichung Einfluss zu haben (also z.B. nicht das eigene Liquiditätsrisiko). Insbesondere Ausfall- und Marktrisiken werden über Derivate handelbar gemacht.

Zuletzt ist es aufgrund der Eigenschaft von Derivatkontrakten als Differenzgeschäften nicht ausgeschlossen, dass Derivate in nicht-derivative Geschäfte eingebettet oder zum Gegenstand eines nicht-derivativen Geschäfts gemacht werden. So können z.B. verbriefte Optionen am Sekundärmarkt veräußert werden. Bei einem solchen Vertrag handelt es sich aber selbst nicht um ein Derivat, weil das vertragliche Gegenseitigkeitsverhältnis sich hier auf die Übertragung der Verbriefung und nicht auf die Übernahme eines Risikos bzw. Risikobündels als solchen bezieht.228

Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente

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