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2.2 Bindung als angeborenes Grundbedürfnis

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Der menschliche Fetus wird in einer sehr viel früheren Phase der individuellen Entwicklung geboren als der Nachwuchs jeder anderen Art von Säugetieren. Die Entwicklung findet deshalb über einen wesentlichen Zeitraum ausserhalb des Mutterleibs statt. Infolgedessen sind der Aufwand in der Kinderbetreuung und das Investment in die Bindung deutlich ausgeprägter verglichen mit den meisten anderen Tierarten (Bowlby, 2006). Für das Neugeborene hat die Aufrechterhaltung der Nähe zu den primären Bezugspersonen eine existentielle, überlebensnotwendige Funktion. Säuglinge verfügen ab Geburt über ein Verhaltensrepertoire von Bewegungen und Kommunikationsfertigkeiten (Laute, Gestik und Mimik), um Bedürfnisse zu signalisieren (z.B. durch Weinen, Wimmern und Schreien, später auch durch Rufen, Nachlaufen oder Anklammern). Dieses Bindungsverhalten zeigt der Säugling bei Irritation, Angst, Missempfindung, Unbehagen, Erkrankung und bei jedem anderen Versorgungsbedürfnis oder Stresserleben. Ziel des aktivierten Bindungssystems ist es, eine versorgende Bezugsperson zu erreichen, die dem Kind Schutz bietet, seinen Stress reduziert und so zur Wiedererlangung von Sicherheit und Geborgenheit beiträgt (Grossmann & Grossmann, 2012).

Idealerweise binden sich Säuglinge an zuverlässige, fürsorgliche, stärkere und weisere Erwachsene, die sie schützen und versorgen und ihr Aufwachsen und Lernen aufmerksam begleiten. Die feinfühlige Fürsorge der primären Bezugspersonen stillt die kindlichen Versorgungs- und Zuwendungsbedürfnisse durch emotionale Wärme, Nähe, Trost und Sicherheit (in den Arm nehmen, streicheln, liebevoll zureden, füttern, wickeln etc.). Kleinkind und Bezugsperson werden hier als aktiv Interagierende betrachtet; Bindungs- und Fürsorgesystem beeinflussen sich zirkulär und wechselseitig. Durch konstant verlässliche und sichere Bindungserfahrungen gelangen Kinder zu der grundlegenden Überzeugung, dass die Welt ein sicherer Ort ist, an dem sie geliebt werden, und sich jemand um sie sorgt, wenn sie belastet sind.

Lerntherapie – Geschichte, Theorie und Praxis (E-Book)

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