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2.9 Zusammenfassung und Schlusswort

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Unter Berücksichtigung des gut gesicherten Kenntnisstands der Bindungsforschung wird die substanzielle Bedeutung von Bindung für die gesamte menschliche Entwicklung deutlich. Obgleich sich erste Bindungsmuster bereits im Kleinkindesalter beobachten lassen, zeigt die Bindungsforschung, dass Bindungserfahrungen mit den primären Bezugspersonen bis in die Adoleszenz und darüber hinaus eminent wichtig bleiben. Hinzu kommen ab dem Jugendalter neue enge Beziehungen, die die menschliche Bindungsqualität weiterhin beeinflussen. Typische, wiederholt erfahrene Bindungserfahrungen sind damit lebenslang bedeutsam und spielen bei der Entwicklung des Lernverhaltens eine zentrale Rolle. Unsichere Bindungserfahrungen beeinflussen über psychologische Risikofaktoren wie ein niedriger Selbstwert, geringe Selbstwirksamkeit, ungünstige Emotionsregulation oder geringe Sozialkompetenzen die Entstehung und Aufrechterhaltung von Lernschwierigkeiten sowie deren Bewältigung. Dahingegen gelangt ein Kind durch sichere Bindungserfahrungen zur Überzeugung, dass die Welt ein sicherer Ort ist, und es kann sich als ausreichend wichtig und wertvoll erfahren, da auf seine Bedürfnisse verlässlich reagiert wird. Die feinfühlige Bezugsperson fungiert als sichere Basis, von der aus das Kind die Welt erkundet. Dieses verinnerlichte Vertrauen bildet einen Grundpfeiler für das psychische Wohlbefinden sowie das optimale Lernverhalten von Individuen.

Im lerntherapeutischen Kontext erhöhen die Erkenntnisse der Bindungstheorie und Bindungsforschung das Verständnis für Lernschwierigkeiten und Schulleistungsprobleme bei Kindern und Erwachsenen. Ein Bewusstsein dieser Hintergründe kann die professionelle Haltung und die therapeutischen Zugänge zu den Klientinnen und Klienten erleichtern, um eine nachhaltig wirksame Unterstützung zu bieten. Das Wissen um die elementare Bedeutung der Bindung als menschliches Grundbedürfnis kann in der Lerntherapie bewusst Eingang finden, indem die jeweiligen Beziehungskonstellationen der oder des Lernenden sowohl als mögliche Hintergründe oder Einflussfaktoren der Lernproblematik als auch direkt in der therapeutischen Beziehung achtsam und adäquat berücksichtigt werden.

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Lerntherapie – Geschichte, Theorie und Praxis (E-Book)

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