Читать книгу Umwege zu R. - Ulf Häusler - Страница 12

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2. Kapitel

Strahlend, erleichtert und rundum glücklich kam Nephele aus der Klinik, in ihrem Rucksack wohlverstaut zwischen zwei Pappdeckeln ihr Zeugnis, dass sie vor wenigen Minuten erhalten hatte und das ihr bescheinigte, dass sie die Prüfung zur Physiotherapeutin nicht nur einfach bestanden hatte, sondern sogar mit der Note 1,5 bedacht wurde. Und als sie den Prüfungsraum gerade hatte verlassen wollen, war einer der Prüfer hinter ihr hergelaufen und hatte sie zu überreden versucht, doch auch die nun noch anstehenden zwei praktischen Jahre in seiner Abteilung in der Klinik zu absolvieren.

„Frau Mantalo, es wäre sehr schön, wenn Sie bei mir arbeiten würden. Wenn Sie bei meinem Kollegen Papadakis etwas sicherer gewesen wären, hätten Sie sogar ein ‚Sehr gut‘ bekommen. Was meinen Sie zu meinem Angebot?“

„Klingt toll, Herr Professor, darf ich es mir noch überlegen? Ich wohne doch noch bei meinen Eltern in der Nähe von Plataniskia. Und jeden Tag nach Nicosia – ich weiß nicht so recht.“

„Aber Sie wollen doch nicht ewig bei Ihren Eltern wohnen wollen. So eine schöne junge Frau wie Sie will doch nicht für ewig im ‚Hotel Mama‘ bleiben, sondern sich eine eigene kleine Wohnung suchen. Oder?“

„Also, noch gefällt es mir bei meinen alten Herrschaften sehr gut und Nicosia ist verdammt teuer. Wie sollte das denn gehen, bei dem ja recht bescheidenen Gehalt, das eine Krankengymnastin in den ersten zwei Jahren verdient?“

„Hm. Ich glaube, da wüsste ich eine Lösung. Ich würde veranlassen, dass Sie ein Appartement bei uns im Schwesternwohnheim bekämen. Das könnten Sie ohne weiteres bezahlen.“

„Ja, das könnte gehen.“

„Wissen Sie, Frau Mantalo, die Papas hört nämlich auf, sie ist jetzt 63 und geht in Rente. Und für die brauche ich Ersatz.“

„Die hat uns doch ausgebildet und ist ein wirkliches Ass.

Trotz ihrer 200 Pfund.“

Sie lachten jetzt beide.

„Nicht übertreiben. Sind nur 180.“

„Haben Sie sie gewogen? Aber Spaß beiseite. Wie soll ich die denn ersetzen? Ich bin doch erst mal blutige Anfängerin und sie ist sogar Ausbilderin. Und eine verdammt gute obendrein.“

„Das schaffen Sie. Ich traue es Ihnen durchaus zu. Sonst würde ich es Ihnen nicht anbieten. Allerdings…“

„Sehen Sie? Jetzt haben Sie auch schon Zweifel.“

Professor Kokolakis lachte laut auf.

„Was gibt’s da zu lachen?“

„Weil Sie allenfalls nur 50 kg auf die Waage bringen und so in der Tat zur Kollegin Papas vergleichsweise ein Leichtgewicht sind.“

Wieder mussten sie beide lachen.

„Ok. Ich überleg mir’s.“

„Aber nicht so lange, bitte.“

„Jetzt wollte ich aber erst mal ein wenig ausspannen. Die letzten Wochen waren nämlich nicht so ganz ohne.“

„Gut, das sehe ich ein. Was halten Sie von 4 Wochen Bedenkzeit?“

„Einverstanden, Herr Kokolaki. Ich melde mich auf jeden Fall bei Ihnen. Dann mal Antio für heute.“

Professor Kokolakis wusste nicht so recht, ob er sich da verhört hatte. Die Young Lady hatte ihn nur mit Namen und ohne Titel angesprochen? ‚Ganz schön frech meine Kleine, aber verdammt hübsch bist Du. Ich werde Dich schon kirre kriegen‘. dachte er.

„Antio Frau Mantalo – wir hören voneinander.“

‚Das könnte Dir so passen. Lieber sammle ich in Mutters Weinbergen die Läuse einzeln von den Blättern ab, als unter Dir zu arbeiten‘. dachte Nephele. An und für sich hätte sie es sich durchaus vorstellen können, in der großen Klinik in Nicosia zu arbeiten. Hatte aber den Gedanken nie ernsthaft verfolgt, weil dieser Kokolakis als größter Schürzenjäger in der ganzen Klinik nicht nur bekannt, sondern geradezu verrufen war. Allen Frauen unter 30 pflegte er nachzustellen und böse Zungen behaupteten, dass er etwa 2/3 der weiblichen Altersgruppe schon flachgelegt hatte – sofern sie einigermaßen hübsch und wohlproportioniert waren und keinen Mundgeruch hatten. Es wurde sogar kolportiert, dass selbst größere Mengen von Knobloch einen vor seinen Nachstellungen nicht bewahren könnten. Immerhin – verheiratete Frauen ließ er in Ruhe. Ob aus ‚aufrechter Gesinnung‘ oder weil er eine Tracht Prügel von gehörnten Ehemännern fürchtete, wusste man nicht so genau.

Professor Kokolakis war Anfang 40, sah blendend aus, konnte sehr charmant sein und war fachlich eine Koryphäe. Aber in puncto Frauen eben ein echter Kotzbrocken. Da nützte auch das Charmant-Sein nichts.

Nephele hielt sich für ganz ansehnlich, dass sie tatsächlich ein bildhübsches Mädchen, etwa 1,78 lang geraten war, tiefschwarze Haare und dunkelbraune Augen hatte, stets ziemlich gut gebräunt aussah und obendrein mit einer tollen Figur gesegnet war, war ihr selbst nie so recht bewusst gewesen. Aber ihr war durchaus klar, dass sie voll in das Beuteschema von Kokolakis passen würde. Ja, sie würde schon mal mit einem Mann ganz richtig zusammen sein wollen, aber nicht als Gespielin ihres potentiellen Chefs. Sondern mit einem Mann, den sie lieben könnte, mit dem sie für immer zusammenbleiben und von dem sie sich vorstellen könnte, die Mutter seiner Kinder zu werden. Da würde sie auch ganz sicher nicht bis zur Hochzeitsnacht warten wollen. Inzwischen hatte sie sich unweit der Klinik in ein Straßencafé gesetzt und einen doppelten Cyprus Coffee Sketo bestellt. Ihre Mitprüflinge hatten das Klinikgebäude inzwischen auch verlassen und zwei ihrer Kolleginnen kamen jetzt auf Nephele zu und setzten sich zu ihr.

„Was wollte denn der Kokolakis von Dir?“ fragte Helena, „Dich in sein Bett zerren?“

Alle drei mussten jetzt lachen.

„Nö, noch nicht. Er hat’s subtiler versucht und mir erst mal einen Job bei sich angeboten.“

„Und, nimmst Du den an?“

„Wohl eher nicht.“

„Warum nicht? Also, ich würde den Job sofort nehmen. Und von der Bettkante müsste man den Kerl eigentlich auch nicht unbedingt verstoßen.“

„Helena, der ist absolut nicht mein Typ. Und wenn der mir zu nahekäme, würde ich den Job gleich wieder verlieren.“

„Wieso das denn? Der hat noch keine rausgeschmissen, mit der er im Bett war.“

„Mich schon.“

„Hm…?“

„Ich würde ihm vorher noch eine kleben, so wie damals die eine Ärztin, die er angegrapscht hatte. Die ist danach in die Onkologie gegangen.“

„Mensch Nephele – warum bist Du denn so prüde?“ lachte jetzt Xenia.

„Das hat nichts mit Prüderie zu tun. Ich bin doch kein Freiwild für einen hormongesteuerten Professor, der sich für unwiderstehlich hält.“

„Deshalb kann man doch mal mit dem zusammen sein? Und ein bisschen Spaß haben? Gib’s zu – Du hast noch nie mit einem Mann geschlafen.“

„Also erstens geht Euch das nichts an und zweitens war ich schon mehr als einmal mit einem Mann zusammen. Schon als Schülerin. Und können wir jetzt mal das Thema wechseln? Was habt Ihr denn jetzt so vor?“

Nephele war ein wenig rot geworden. Aber sie hatte nicht gelogen. Sie hatte ja nur zugegeben, schon mit Jungs zusammen gewesen zu sein. Dass es ‚nur‘ Teasing und Petting gewesen war, brauchte sie denen ja nun wirklich nicht auf die Nase zu binden. Und obendrein ging das die Zwei nun wirklich absolut nichts an.

Nach weiteren zwanzig Minuten Unterhaltung löste sich der kleine Kreis auf – Nephele ging zu ihrem kleinen Wägelchen, einem uralten Honda Civic und machte sich auf den Heimweg. Vorher hatte sie noch kurz ihre Mutter verständigt und stolz von der bestandenen Prüfung berichtet.

Nach eineinhalb Stunden Autofahrt kam Nephele zu Hause an. Die Mutter hatte ihr Auto gehört und trat auf die Terrasse, um ihre kleine und nun schon große Tochter in die Arme zu schließen und ihr zu gratulieren. Sie wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass die Tochter das Examen womöglich nicht bestanden haben könnte. Sie hatte vorher auf der schattig gelegenen Terrasse eine wunderschöne Kaffeetafel gedeckt und jede Menge der herrlichen zypriotischen in Zuckerwasser getränkten Kuchen hingestellt, die ihrer Tochter immer so gut schmeckten, dazu eine große Kanne Tee vorbereitet.

„Du, Mom, ich mag heut eigentlich gar nichts Süßes – bist Du arg enttäuscht, wenn ich lieber eine Portion gebratenen Halloumi mit Lountza haben möchte? Ich brauch erst mal was Herzhaftes und den Kuchen gern als Nachtisch. Und dann erzähl ich auch alles. Obwohl ich damit lieber warten würde, bis Dad auch da ist. Dann muss ich den Kram nicht zwei Mal erzählen?“

„Das könnte Dir so passen, meine Kleine. Ich vergehe vor Neugier, habe vor lauter Daumendrücken schon ganz steife Hände und jetzt soll ich auch noch warten? Und – na ja, Lountza ist wohl noch da. Oder darf‘s für die junge Dame auch Halloumi mit Hiromeri sein? Danae hat den Schinken erst vor zwei Stunden aus der Räucherkammer geholt. Und stell Dir vor, sie hat vorher zum marinieren nicht den üblichen Rotwein genommen, sondern den guten französischen Beaujolais aus Vaters Weinkeller. Der ist fast ausgeflippt, als er das mitgekriegt hat. Hat sie glaube ich nur wegen Dir gemacht, sonst nimmt sie ja immer unsern Rotwein fürs Marinieren.“

Mutter und Tochter lachten sich jetzt an – Nephele hatte förmlich das Bild vor Augen, als der Herr Papa Danaes ‚Missgriff‘ bemerkt hatte.

„Wo ist die überhaupt? Wieso werde ich nicht gebührend von ihr begrüßt?“

Inzwischen war Danae aus der Küche gekommen und brachte schon einen Teller mit drei Stücken gegrilltem Halloumi und sechs hauchdünn geschnittenen und gebratenem Scheiben Hiromeri mit. Und ganz ungefragt obendrein eine Flasche Weißwein.

„Hab schon mitbekommen, dass Du lieber was Herzhaftes haben möchtest. Ist auch besser als das süße ‚Schlabber-Zeug‘.“ begrüßte sie Nephele, sie genau so herzlich umarmend, wie es zuvor die Mutter getan hatte. Und küsste das Mädchen gleich drei Mal. Dann setzte sie sich dazu und Nephele berichtete von ihrer Prüfung, zwar etwas undeutlich in der Aussprache, weil sie ständig den Mund voll hatte, aber die Mutter ließ es heute ausnahmsweise mal durchgehen.

Nepheles Elternhaus stand in den Bergen mitten in einem Weinfeld in der Nähe von Plataniskia. Es war ein fast 150 Jahre alter Bau aus Feldsteinen, den ihre Urgroßeltern einst gebaut hatten. Im Lauf der Jahrzehnte war das Haus – immer im gleichen Stil – mit mehreren Anbauten versehen worden, sodass es nicht nur für die Eltern Mantalos und ihre zwei Kinder Thisseas und Nephele ausreichend Platz bot, sondern auch groß genug war, um bis vor einigen Jahren die Großeltern und Danae zu beherbergen. Aber Oma und Opa waren vor fünf und acht Jahren gestorben – nun lebten nur noch die vier Mantalos in dem Anwesen, dass der Vater inzwischen mittels entsprechenden Beton-Verstärkungen hatte erdbebensicher machen lassen.

Die Mutter war damals strikt dagegen gewesen.

„Achillea Mantalo, vergiss es – kommt überhaupt nicht in Frage.“ hatte die Mutter ihren Mann kurz und bündig beschieden. „Und wenn Du das doch machen lässt, kannst Du Deine Helena Mantalos mal als geborene Georgiou kennen lernen.“ hatte sie damals ihren Mann zornbebend angefunkelt.

Wenn Helena ihren Mann mit ‚Achillea‘ ansprach, war die Lage immer ziemlich ernst, denn nicht nur sie, sondern auch all ihre Freunde nannten ihn immer Achi.

Doch vier Monate später hatte er sie so weit gehabt. Wenige Tage zuvor hatte es mal wieder ein Erbeben gegeben. Zwar ‚nur‘ mit einer Stärke von 4,5 auf der Richterskala, aber nicht allzu weit von Plataniskia entfernt, war so ein altes Haus eingestürzt und man hatte die beiden Bewohner nur noch tot bergen können.

Danae hatte, als es mit dem Umbau losging, Helena angefleht, ihr den etwa 200 m vom Haupthaus entfernten alten Stall zu überlassen – sie wollte, jetzt, wo sie älter war, nicht mehr bei ihrer ‚Herrschaft‘ wohnen. Sie wollte ihr eigenes kleines Reich haben. Zwar hatte Achilleas ziemlich geknurrt, als er von dem Wunsch erfuhr und ihn erst einmal für Blödsinn erklärt, aber dann doch schweren Herzens zugestimmt. Die ganze Familie schätzte Danae viel zu sehr, als dass man ihr den Wunsch hätte abschlagen können. Und er hatte ihr den Stall so umbauen lassen, dass der eine Teil mit zwei Zimmern sowie Küche und Bad ein richtiges Knusperhäuschen geworden war. Und im anderen Teil des Gebäudes hatte er eine kleinere Unterkunft für ein paar Ziegen herrichten lassen und vor allem auch an eine großzügig angelegte Box für die zwei Pferde der Kinder gedacht.

Im Ergebnis waren Nephele und Thisseas dann als 10 und 13-jährige ‚Küken‘ mehr im ‚Stall‘ bei Danae als im eigenen Elternhaus gewesen, was Helena und Achilleas aber tolerierten. Und die Kinder fanden es da ganz wundervoll, wohl auch, weil Danae nicht so genau hinschaute, wenn sie mal wieder Unfug trieben oder als sie später dann ab 17 auch mal Freund oder Freundin mitbrachten und ein wenig mit denen herumknutschten.

Meist waren Bruder und Schwester recht ‚pflegeleicht‘ gewesen, Thisseas spielte am liebsten Fußball, wenn er nicht mit seinem Pferd unterwegs war, während Nepheles große Liebe ihr Pferd war, das sie sich – so behauptete sie später immer – in mühsamer, zwei Jahre währender Quengelei erbettelt hatte. Es wurden dann zwei Pferde, damit es zwischen den Kindern keinen Streit gab.

„So, nun wisst Ihr alles, Dad ist noch nicht da, Thisseas werde ich heute Abend anrufen und Lenka will jetzt bewegt werden. Die Arme wird mich hoffentlich nicht abwerfen, weil sie gar nicht mehr weiß, wie es sich anfühlt, wenn ich auf ihr sitze.“

„Sei bloß vorsichtig.“ mahnte die Mutter, Danae lächelte etwas amüsiert – Helena konnte es nicht lassen, ihre Kinder immer und vor allem zu warnen.

„Grins nicht so albern.“ fuhr sie Danae an.

„Helena, falls Du’s noch nicht gemerkt haben solltest – Nephele ist schon 22, sie ist erwachsen. Aber Du tust immer so, als wenn sie erst 5 wäre.“

„Du könntest ausnahmsweise auch mal zu mir halten.“

„Tu ich doch immer.“

Nun mussten alle drei Frauen lachen – Nephele ging inzwischen zum Stall – den Disput der beiden Frauen wollte sie sich heute nicht anhören.

Nicht nur Nephele, sondern auch Lenka genossen den Ausritt. Sie hatte die Stute durch die Weinfelder hindurch ein wenig traben lassen, aber als der Weg dann etwas unwirtlicher und steiler wurde, war Lenka langsamer geworden – Nephele ließ ab jetzt das Pferd das Tempo bestimmen. Als das sich plötzlich steil aufbäumte, hatte sie Mühe, sich auf seinem Rücken zu halten – sie sah den Grund überdeutlich in einem Gebüsch verschwinden – eine Schlange. Sie konnte gerade noch sehen, dass es eine ziemlich große Pfeilnatter war. ‚Die tut zum Glück nichts – höchstens, dass sie mich abwirft‘. dachte Nephele.

Nach einer guten Stunde war sie zurück und ging, nachdem sie Lenka versorgt hatte, ins Haus, um zu duschen und sich umzuziehen. Inzwischen war auch der Vater nach Hause gekommen, man setzte sich auf die Terrasse, weil es ein herrlich warmer Abend war und Nephele musste nun von der Prüfung erzählen. Sie sparte auch das Angebot ihres Professors nicht aus.

„Och meine Kleine, ich freu mich richtig, dass Du das so toll geschafft hast. Und Mom und ich schenken Dir jetzt zur Belohnung eine schöne Reise, wohin Du willst. Es muss ja nicht gleich Australien sein.“

„Oh, das ist toll. Danke. Australien eher nicht. Aber Frankreich vielleicht? Oder Deutschland? Muss ich mal drüber nachdenken.“

„Wie gesagt – was und wohin Du möchtest. Wir spendieren Dir den Flug und obendrauf gibt’s 1.000 Euro ‚Zehrgeld‘. Mehr können Deine armen, alten Eltern sich nicht leisten.“ ergänzte er lachend.

„Das reicht dicke. Nicht, dass bei Euch wegen Eurer Tochter das schreiende Elend ausbricht. Aber weißt Du, worüber ich mich am meisten freue?“

„Na?“

„Dass Du nicht mehr sauer bist auf mich, weil ich nicht studieren wollte.“

„Ich war doch nie sauer auf Dich.“

„Warst Du doch. Ich sollte genau wie Thisseas Jura machen und später in Deine Kanzlei eintreten.“

„War ich nicht.“

„Warst Du doch. Ich erinnere mich…“

„Dein Vater, liebes Kind, versucht sich gerade mal wieder in Scheinheiligkeit zu üben?“ Nepheles Mom hatte jetzt lächelnd in die Diskussion eingegriffen.

„Helena, wie kannst Du mir nur so in den Rücken fallen. Was sollen unser Kind und Danae denn von mir denken.“

„Lieber Achi, dass Du der reinste Engel bist. Davon sind wir alle hier voll und ganz überzeugt.“ mischte sich Danae jetzt ein.

„Also wenn Ihr jetzt alle über mich herfallt, brauch ich einen guten Rotwein. Falls Danae noch etwas vom Beaujolais übriggelassen und nicht meine sämtlichen Vorräte zum Marinieren verwendet hat.“

„Nur ein Fläschchen und das auch nur, weil es für Nephele war.“ Danae war jetzt etwas rot geworden.

„Dann bin ich ja beruhigt. Und nimmst Du den Job an, den Dir Dein Professor angeboten hat?“

„Nö.“

„Warum ‚nö‘?“

Nephele berichtete nun vom Ruf der orthopädischen Koryphäe und vor allem auch von seinem Verhalten gegenüber hübschen jungen Frauen.

„Eigentlich schade, liebes Töchterlein, aber Deine Entscheidung ist goldrichtig. Aber wo bekommst Du dann einen Job her?“

„Ich werde mich in allen Kliniken in Paphos und Limassol bewerben – irgendwo wird es schon klappen. Paphos wäre mir am liebsten, da könnte ich immer mit Dir fahren.“

„Klingt sehr gut und vernünftig. Und ein paar Wochen Pause hast Du Dir ja auch verdient – oder?“

„Ich dachte mal an vier Wochen?“

„Klar – für die Reise?“

„Sag mal Mom und Dad – muss ich die gleich machen? Am liebsten würde ich mir die nämlich aufsparen und erst in zwei Jahren machen, wenn ich Vollapprobierte bin. Und jetzt erst mal hier zu Hause die vier Wochen gammeln. Also ein bisschen in den Weinfeldern arbeiten, mit Lenka ausreiten, Euch mit Danae zusammen bekochen, abends mal ein wenig um die Häuser ziehen und so.“

„Das ist auch ok. Und dass Du die Reise erst mal nicht machen willst, ist auch akzeptiert. Und vielleicht können wir hier ja mal ein schönes Fest feiern, hier bei uns.“

Es kam Nephele so vor, als ob des Vaters Stimme jetzt ein wenig wackelig geworden wäre. Aber vielleicht täuschte sie sich ja auch.

„Fände ich gut – aber das bitte erst, wenn Thisseas auch mit dabei ist. Wie lange treibt der sich eigentlich noch in London rum?“

„Ich denke, er wird so etwa in vier bis sechs Wochen heimkommen – und dann fängt er bei mir in der Kanzlei an. Ein neues Türschild in Paphos „Mantalos & Mantalos – Rechtsanwälte“ würde sicher sehr viel mehr her machen, als nur „Achilleas Mantalos – Rechtsanwalt“:

„Dein Vater hat übrigens das neue Schild schon hängen.“

Helena musste ein wenig sticheln. Nephele grinste:

„Und wenn Thisseas wieder hier ist und lieber Staatsanwalt wird?“

„Dein Bruder ist nicht Nephele.“

„Also warst Du damals doch ‚sauer‘ auf mich, Dad.“

„Nur ein bisschen. Eigentlich noch etwas weniger.“

„Nephele, das Gedächtnis Deines Vaters lässt auch schon ein wenig nach. Deine Mutter erinnert es geringfügig anders. Sauer vielleicht nicht. Aber ganz schön gejammert hatte er damals schon, als Du ihm verkündet hast, nicht studieren zu wollen, sondern lieber Physiotherapie zu machen.“

„Du übertreibst jetzt aber ziemlich, Helena.“

„Ach Väterchen lass mal, so ist’s eigentlich besser. Denk mal an das Türschild. Da müsste dann draufstehen „3 x Mantalos – Rechtsanwälte“ oder besser „Mantalos - 2 x Rechtanwälte, 1 x Rechtsanwältin“. Sähe ziemlich bescheuert aus. Stimmt’s?“

Alle mussten jetzt doch ziemlich lachen.

„Also, auf den Mund gefallen bist Du nicht, liebreizende Tochter, das muss Dir der Neid schon lassen. Hast Du von Deiner Mom. Ich bin für so viel an Schlagfertigkeit viel zu schüchtern.“

Die Antwort der drei Frauen kam im Gleichklang als lautes Gelächter.

Umwege zu R.

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