Читать книгу Umwege zu R. - Ulf Häusler - Страница 20

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9. Kapitel

Fietje hatte sich inzwischen bestens eingearbeitet. Sein Job als Assi von Professor Mertens machte ihm ausgesprochen Spaß und auch die zusätzliche Arbeit als Sekretär des Gesamtvorstandes war durchaus zu bewältigen. Dass er nicht nachmittags um 16 Uhr nach Hause gehen konnte, machte ihm inzwischen kaum noch etwas aus, und manchmal – wenn Mertens unterwegs war – kam er schon mal erst um 11 ins Büro und verdrückte sich um 15 Uhr. Das waren die Tage, wo er abends schon mal ab und an ‚um die Häuser‘ zog und bisweilen auch ein Mädchen fand, das bereit war, entweder ihn zu sich in ihre Wohnung mitzunehmen oder sie ließ sich von ihm einladen und blieb über Nacht. Nur einmal hatte er Pech gehabt – Mertens war früher zurückgekommen und Irmi Hermann telefonierte ihn früh um 8 aus dem Bett, sodass er es gerade noch schaffte, kurz vor dem Chef am Schreibtisch zu sitzen. Die junge Dame, mit der er sich vergnügt hatte, musste einfach die Tür hinter sich zu ziehen, wenn sie aufgestanden war und sich fertig gemacht hatte.

Fietje hatte sich für seine kleinen und regelmäßig kurzen Techtelmechtel zwei Dinge fest vorgenommen: Keine verheirateten Frauen und niemals eine aus der ITSolutions AG.

Mertens war mit der Arbeit seines Adlatus äußerst zufrieden und Irmi Hermann versuchte in ihm tatsächlich so eine Art Ziehsohn zu sehen. Sie gab ihm manchen Tipp, nicht nur bezüglich seines Chefs, sondern auch hinsichtlich der anderen Vorstandsmitglieder und der Abteilungsleiter im Hause. Fietje revanchierte sich, indem er ihre Vertretung wahrnahm, wenn sie mal zum Arzt musste oder – wie sie es nannte – ‚die Brut der Pflege bedürfe‘, indem sie ihr Telefon auf ihn umstellte. Natürlich hatte Mertens das irgendwann mitbekommen, aber er fand es sogar gut, dass Irmi und Fietje so gut miteinander auskamen.

Inzwischen verließ sich Mertens mehr und mehr auf ihn. Eigentlich bezog er ihn in alles ein und vor allem war er froh, dass er ihm nicht jede Kleinigkeit erklären musste, dass der eigentlich fast immer wusste, was mit einer Sache zu tun war. Und bisweilen nahm er seinen ‚jungen Mann‘ auch außer Haus mit zu Kundenbesuchen, zu Besprechungen und mehr und mehr auch zu Verhandlungen. Anfangs nur in Frankfurt, dann aber auch zunehmend überall in Deutschland und kurz darauf auch auf Auslandsreisen.

Abends wurde es manchmal ziemlich spät. Fietje saß dann immer in Mertens ‚Dienstkutsche‘, wie er seinen S-Klasse Mercedes in der langen Version nannte, neben dem Fahrer, Er durfte nur, wenn sie noch zu arbeiten hatten, auch hinten neben dem Chef Platz nehmen. Klar, dass Mertens hinten rechts saß. Aber der dicke Schlitten hatte genügend Platz, dass Fietje auch hinter dem Fahrer ausreichend Platz für seine langen Beine fand.

Wenn der Wagen dann vor der Villa des Chefs auf dem Lerchesberg vorgefahren war und seine teure Fracht ausgespuckt hatte, bekam Mertens mehr und mehr ein schlechtes Gewissen, weil Mühlhaus, so hieß sein Fahrer, dann noch Fietje nach Hause bringen musste und es für den dann noch später wurde. Mühlhaus wohnte bei Mertens im Gartenhaus, dass er vor Jahren zu einem kleinen Einfamilienhaus hatte umbauen lassen. Er hätte so auch gleich schlafen gehen können, jetzt musste er immer noch Fietje bringen. Und das, nachdem er dann meist mehr als 12 Stunden Dienst gehabt hatte. ‚Wenn der da mal einen Unfall hat, hab ich ganz schön Ärger. ‘ dachte er oft.

Als Mertens mit seiner Frau darüber sprach, sah die das ziemlich gelassen.

„Klar ist das blöd, dass Mühlhaus dann nochmal los muss, zumal der ja wirklich nicht mehr der Jüngste ist. Der Fietje ist doch aber ganz ok – warum gibst Du ihm den Wagen nicht abends mit? Und sagst ihm, wann er Dich morgens wieder abholen muss. Mühlhaus Überstunden bleiben so erträglich, weil er zeitiger ins Bett kommt und Fietje wird kaum darunter leiden, wenn er mal Deinen Angeber-Schlitten fährt.“

„Kann es sein, liebste Hertha, dass ich nicht nur eine bildschöne, sondern auch eine kluge Frau geheiratet habe?“

„Du merkst aber auch alles. Ewald, mein Blitzmerker. Aber mit der Schönheit – ich glaube, das war einmal mit meinen vielen Fältchen.“

„Also erstens, das mit dem ‚Angeber-Schlitten‘ habe ich überhört und zweitens kannst Du Dir die Falten ja wegmachen lassen.“

„Wenn Du ein bisschen lieber zu mir wärst, hätte ich vielleicht gar keine?“

„Noch lieber? Ich kann ja gleich mal noch ein bisschen ganz besonders lieb zu Dir sein?“

„Ich bin todmüde. Aber Deinen Café Sketo mache ich Dir noch. Und Du willst mich doch nicht ernsthaft zu einem Schönheitschirurgen schicken.“

„Bloß nicht. Stell Dir vor, die süßen Fältchen wären alle weg. Mir ist vielfältig viel lieber als einfältig. Und dann würden die Leute womöglich noch sagen, was will der alte Knacker denn mit so einer jungen Frau.“

„Bist ja doch ein Lieber. Na ja, manchmal.“

„Ok. Nicht immer, aber immer öfter.“

Da es schon lange nach Mitternacht war, hatte Hertha sich schon vor Ewalds Rückkehr zum Schlafengehen fertig gemacht gehabt. Nach wenigen Minuten kam sie mit einer Tasse Café zurück. Ewald hatte die Terrassentür geöffnet und schaute in den angestrahlten Garten.

„Was hast Du heute gemacht?“

„Na was wohl.“

„Hast im Atelier gewerkelt?“

„Klar.“

„Wollen wir uns Dein Werk mal anschauen?“

„Nein. Auf gar keinen Fall. Es ist noch nicht fertig. Morgen Abend vielleicht.“

„Darf ich Dich mal in den Arm nehmen?“

Ewald zog Hertha an sich. Vielleicht etwas zu heftig, denn ihr Morgenmantel öffnete sich versehentlich. Ewald öffnete ihn noch ein wenig weiter.

„Du hast ja gar nichts drunter.“

„Ist so warm“ erwiderte sie lächelnd, „lass uns lieber reingehen, nicht dass uns noch die Leute sehen.“

„Ich glaube, Du bist gar nicht zu müde?“

Am nächsten Morgen – es war inzwischen ½ 10 Uhr, der Fahrer hatte Fietje bereits abgeholt – verkündete Mertens dann seinen Entschluss.

„Sie Herr Mühlhaus, in Zukunft machen wir das anders. Wenn wir nach 21 Uhr erst wieder zu Hause sind, bekommt Herr Petersen den Wagen und nimmt ihn mit. Dann kommen Sie wenigstens halbwegs noch zu einer christlichen Zeit ins Bett. Ist für Sie besser und Ihrer Frau wird das auch nicht unrecht sein.“

„Aber Herr Professor, das muss nicht sein. Ich komme schon zurecht.“

„Keine Widerrede. Und Fietje Petersen, Du fährst dann gefälligst anständig, ist das klar? Jeder weiß, dass die Karre über 350 PS hat, Du musst sie nicht unbedingt vorführen. Haben wir uns verstanden?“

Fietje strahlte.

„Aye aye Chef.“

Die Regelung spielte sich bestens ein. Fietje ging mit dem Wagen recht vorsichtig um. Klar, er fuhr schon mal ein paar Kilometer mehr, als unbedingt notwendig waren, aber natürlich nie ohne Grund. Der war in aller Regel jeweils sehr hübsch berockt und ließ sich nur zu gern auf dem Rücksitz auf einem einsamen Parkplatz ‚beschmusen‘, wie er es nannte.

Nach einem halben Jahr geriet er dann aber doch ziemlich in die Bredouille. Die an dem Abend angebetete Helga hatte nicht nur den Fietje beschmust, sondern er auch sie. Er hatte den Wagen abends mitgenommen und die blond gelockte Helga in der ‚Hütten-Bar‘ war nur zu gerne bereit gewesen, in dem schicken Wagen mit Fietje eine Spritztour zu unternehmen. Sie hatte u.a. einen Minirock an, der sich zwar leicht hochschieben ließ, aber ihren Slip empfand sie sogar selbst als ziemlich störend. Und da er ja inzwischen auch unten rum eher dürftig bekleidet war, fanden sie es beide als sehr, sehr schön, was sie da miteinander machten – ohne Slip. Fietje lieferte Helga dann vor ihrer Wohnung ab – er sollte noch mit zu ihr hochkommen, aber er wollte nicht. Morgen musste er ja wieder früh um 9 bei seinem Chef sein.

Fietje war pünktlich. Man wünschte sich gegenseitig einen Guten Morgen, Er wechselte auf den Beifahrersitz, Mertens platzierte sich hinten rechts wie immer. Kaum hatte er Platz genommen, sah er fast ganz unter dem linken Vordersitz versteckt, etwas hell Schimmerndes. Er bückte sich – und zog ein süßes helles kleines ‚fast Nichts‘ hervor, einen Slip, wie ihn seines Wissens wohl nur so ganz junge Dinger zwischen 18 und Ende 20 zu tragen pflegen.

‚Na warte, Freundchen‘ dachte er und musste erst einmal lächeln. Ihm fiel nämlich ein, dass er vor vielen, vielen Jahren in seinem VW-Käfer mit seiner geliebten Hertha sich auch bisweilen auf dem Rücksitz vergnügt hatte. Er war jetzt 58, damals war er gerade mal 21 Jahre alt gewesen, Hertha war 18. Vor 37 Jahren – war das damals schön gewesen. Aber es war sein eigenes Auto gewesen und nicht das seines Chefs. Und Hertha und er waren damals schon ein Paar, während dieser Fietje jeden Abend eine andere hatte.

„Wo haben Sie sich denn gestern Abend rumgetrieben, Fietje?“

„Nirgends Chef.“

„Und was ist das hier?“

Mertens hielt mit spitzen Fingern das Corpus Delicti empor, Fietje drehte sich herum und konnte so ganz ungewollt, den so wunderbaren Geruch des Höschens wahrnehmen, da Mertens es so hielt, dass es unmittelbar vor seiner Nase baumelte. Er roch eine Mischung aus Chanel No. 5 und Frau. Fietje wurde so feuerrot im Gesicht, dass es richtig brannte. „Ich höre.“ nahm er ganz ferne die Stimme des Chefs wahr. Inzwischen hatte Mühlhaus mal kurz zur Seite geschielt, erkannte natürlich sofort, um was es sich da handelte. Er musste ganz furchtbar grinsen. Was Fietje obendrein irritierte.

„Bist Du verstummt, Fietje? Eine Erklärung kann ich ja wohl verlangen. Oder?“

„Also Chef, es ist nicht so, wie sie denken…“

„Nun lüg nicht auch noch Fietje. Es ist genau so, wie ich denke und kein bisschen anders. Ich hab schließlich Augen im Kopf, das Ding ist nicht neu, sondern frisch getragen. Und damit Du nicht weiter rumstammeln musst, lass Dir folgendes gesagt sein: Noch einmal kommt so etwas vor und Du machst vielleicht trotzdem Karriere. Aber ganz sicher nicht bei mir und in der ITSolutions AG. Du bist dann nämlich gefeuert. Haben wir uns verstanden?“

„Ja Chef. Es tut mir leid.“ kam sehr, sehr leise die Antwort.

„Lauter bitte, ich hab nichts verstanden. Herr Mühlhaus kann es ruhig auch hören, dann hab ich gleich einen Zeugen.“

Etwas lauter antwortete er ein zweites Mal.

„Ja Chef.“

So ganz ohne ihn zu ‚zwiebeln‘, wollte er seinen Adlatus aber doch nicht davonkommen lassen.

„Bin gespannt, was Frau Hermann zu Deinen Eskapaden sagt.“

„Oh bitte nicht Chef, bitte sagen sie ihr nichts. Dann bin ich bei der total unten durch.“

„Na da schau her – Ihr habt doch so ein gutes Vertrauensverhältnis zueinander höre ich immer. Und da muss man doch immer schön bei der Wahrheit bleiben. Oder?“

„Ach Chef, das könnte sie ja auch belasten. Und das gute Verhältnis trüben.“

„So, so, meinst Du.“

Mühlhaus schaute seinen Chef im Rückspiegel an und machte sein typisches ‚Es reicht jetzt Chef‘ -Gesicht.

„Sag mal, winselst Du gerade um Gnade?“

„Ich winsele nicht, sondern bitte nur darum, dass Frau Hermann davon nichts erfährt. Die hat dann ja einen völlig falschen Eindruck von mir.“

„Dass Du fast jeden Abend eine andere abschleppst. Das wäre der Eindruck. Und der wäre ja nicht falsch. Denn dieses zarte Kleidungsstück gehört ja sicher nicht der Frau, die Du demnächst heiraten willst. Was sagen eigentlich Deine Eltern zu Deinem Lebenswandel?“

Irgendwie hatte Fietje auf einmal den Eindruck, dass der Chef gar nicht richtig sauer war, sondern mehr so tat als ob.

„Och mein Vater meint immer, meine Mutter solle mich in Ruhe lassen.“

„Und was sagt Deine Mutter?“

„Na ja, so ganz richtig wäre das nicht, meint sie immer. Und wann ich denn nun endlich mal eine feste Bindung eingehen würde.“

„Kluge Frau.“

„Vor allem ist sie eine ganz prima Mutter. Eigentlich habe ich sogar ganz tolle Eltern.“

„Und die einen hormongesteuerten Halbstarken als Sohn.“

„Ach Chef, so schlimm bin ich doch gar nicht.“

„Schreib Dir hinter die Löffel, was ich vorhin gesagt habe. Das meinte ich ernst. Und wenn Du unbedingt meinst, mal wieder ein kleines Mädchen beglücken zu müssen, mach das gefälligst in Deiner Karre. Die bietet Platz genug. Und meinen Schlitten nehmen Dir Deine Verehrerinnen ohnehin nicht ab.“

„Aye, aye Chef.“ war alles, was Fietje erwiderte.

Kaum hatten sie das Vorzimmer zu Mertens Büro betreten, lächelte Irmi Hermann sie an.

„Guten Morgen die Herren. Was ist denn mit Euch los?“

„Wir hatten einen kleinen Disput Frau Hermann. Der ist abgehakt und wir haben Stillschweigen vereinbart. Und wieso hast Du noch keinen Café für mich, Irmi Hermann?“

„Habe ich selbst getrunken, weil Ihr erstens so spät seid und zweitens Mühlhaus nichts gesagt hat, dass Ihr in der Anfahrt seid. Nun müsst Ihr warten.“

„Eine gute Sekretärin spürt, wenn der Chef kommt.“

„Du Ekel, mach mal so weiter, dann kannst Du Dir eine neue suchen.“

„Ach ich will es ja auch nun, ganz gewiss nie wieder tun.“

„Wilhelm Busch.“ ergänzte Fietje.

Irmi Hermann erfuhr wenige Tage später doch von dem ‚Vorfall‘, Fietje selbst hatte gebeichtet.

Sie hatte Fietje streng angeschaut und „Schäm Dich.“ gesagt. Was Fietje allerdings keineswegs tat. Und er mochte auch nicht auf den Wagen des Chefs verzichten, zumal der abends schön warm war – Fietje ließ dann immer die Standheizung laufen. Aber er passte gut auf, dass nichts mehr liegen blieb. Nur einmal hatte Mühlhaus ihm morgens freundlich grinsend einen kleinen Ohrring überreicht:

„Wissen Sie, wem der gehört? Frau Mertens ganz sicher nicht.“

Fietje hatte zurückgegrinst:

„Danke, Herr Mühlhaus.“

Wenige Wochen später nahm Mertens Fietje erstmals auch auf eine Auslandsreise mit – es ging nach Paris zur UITC, es war der Internationale Verband für IT-Technik und Kommunikation.

Mertens in der Business, Fietje Economy. Was Mertens als blöd empfand, weil er so die Zeit nicht mehr für die gemeinsame Vorbereitung der Sitzungen nutzen konnte. Er besprach die Sache mit seinem Aufsichtsratsvorsitzenden. „Herr Mertens, danke, dass Sie mich fragen. Entscheiden Sie, was da für Sie das Richtige ist. Und wenn irgendjemand daran Anstoß nehmen sollte – ich decke das ab.“

Ab da flog Fietje voller Stolz ebenfalls Business. Kopenhagen, Stockholm, Paris, Madrid, London waren die häufigsten Ziele, meistens waren es vor Ort die Großbanken und bisweilen auch Regierungsvertreter, mit denen Mertens verhandelte. Und wenn mal übernachtet werden musste, hatte Frau Hermann stets erstklassige Luxushotels gebucht – für den Chef meist eine Suite, für Fietje ein schönes Zimmer. Mertens sprach fließend Englisch und Französisch, Fietje nur Englisch und ein klein wenig Spanisch, das er mal auf der Schule als Wahlfach hatte.

Zum Glück war die Verhandlungssprache in aller Regel Englisch, sodass er hinterher fast mühelos die Ergebnisse der Gespräche schriftlich festhalten konnte. Meist machte er seine ‚Hausaufgaben‘ mit Hilfe seines Laptops immer schon auf dem Rückflug, während der Chef schlief.

Bis dahin hatte der alle längeren Reisen immer alleine gemacht, doch Hertha überredete ihn eines Tages, sich ruhig ein wenig zu schonen und seinen jungen Mann von nun an immer mitzunehmen.

Die erste große Reise ging nach Kapstadt. Und bei der Gelegenheit hatte Mertens vorher mit Irmi Hermann besprochen, dass er in Zukunft keine einfache oder Juniorsuite haben wolle, sondern eine mit zwei Schlafzimmern, sodass Fietje mit in der Suite nächtigen konnte.

Fietje war über die Suiten und die First Class hin und weg. Luxus pur, man wurde nach Strich und Faden verwöhnt, konnte fast ganz richtig schlafen und wer wollte, hätte sich im Flieger jeweils mit Champagner bis zur Halskrause abfüllen können.

Und nachdem sie in Tokio, Bombay, Los Angeles, und Rio de Janeiro gewesen waren, empfand Fietje den Luxus fast schon als normal. Es war angenehm, so zu fliegen, so zu übernachten, aber brauchen tat er es eigentlich nicht. Obendrein hatte er festgestellt, dass in der Economy auch auf langen Strecken fast ausnahmslos die hübschesten Mädchen reisten. Nur selten saß auch mal in der Business eine sehr gut aussehende junge Frau. Und auf dem Flug nach Los Angeles erspähte er sogar mal in der First Class eine ausgesprochene junge Schönheit – die Stewardess klärte Fietje auf Befragen auf, dass es sich um ein ziemlich bekanntes Model handele, das obendrein als Passagier recht zickig sei.

Mertens mochte die weiten Reisen eigentlich gar nicht. Ein paar Mal war Hertha mitgekommen, aber sie tat es nur ihrem Ewald zuliebe, denn sie strengten die weiten Flüge noch mehr an als ihn. Wenn er alleine mit Fietje unterwegs war, war er meistens recht brummig, weil ihn der Jetlag in aller Regel fürchterlich schlauchte. Fietje litt unter Jetlag so gut wie gar nicht, wenn ihm danach war, machte er sich lang und konnte dann auch sofort tief und fest schlafen.

Prof. Mertens hatte plötzlich ein Problem mit Mühlhaus. Der war ja wirklich nicht mehr der Jüngste und der Chef meinte, es wäre besser ihn in den Vorruhestand zu schicken.

Irmi Hermann fand das gar nicht gut, Hertha Mertens war schon fast empört, aber beide Frauen hatten keine rechte Lösungsmöglichkeit, wie man es vermeiden könne, dass Mühlhaus Überstunden ‚ohne Ende‘ hatte. Wehe, wenn Sie mal einen Unfall hätten.

Und so sprach Mertens eines Morgens mit seinem Fahrer.

„Sie Herr Mühlhaus, wie alt sind Sie eigentlich?“

„59, Herr Professor.“

„Da sollten Sie langsam aufhören. Was meinen Sie?“

„Als Fahrer – habe ich Sie da richtig verstanden?“

„Ja. Das wird doch alles viel zu anstrengend für Sie.“

Mühlhaus schwieg. Fietje sah zu ihm hin und bemerkte, wie der Mann sich völlig verkrampfte, ganz leicht zitterte und ihm dann mühsam unterdrückt ein paar Tränen die Wange herunterliefen.

„Ich finde eine gute Lösung für Sie, Mühlhaus.“

„Wenn Sie meinen.“ presste er mühsam eine Antwort heraus. Als sie den Wagen verließen, raunte Fietje Herrn Mühlhaus zu:

„Ich versuche mal, was zu retten.“

Sie fuhren im Fahrstuhl in die Vorstandsetage. Und in dem Moment, als sie ins Vorzimmer eintraten, platzte Fietje damit heraus.

„Das können Sie nicht machen Chef.“

„Was kann der Chef nicht machen? Guten Morgen die Herren. Der Café ist gleich fertig.“ Irmi Hermann erwartete eigentlich, dass ihre zwei ‚Helden‘ ihren Gruß erwidern würden. Stattdessen sprudelte Fietje los:

„Der Chef will den Mühlhaus rausschmeißen, Das kann er doch nicht machen. Der Mann hat geheult eben im Wagen. Ich werd mal wieder frech, Chef. Was hat er denn angestellt? Klar ist er schon alt. Aber 59 ist heutzutage doch kein Alter.“

„Fietje, dem Chef ist es auch nicht recht, aber wenn Euch was passiert, ist der Chef ‚dran‘, wegen der vielen Überstunden.“

„Verstehe ich nicht. Ich fahre doch fast immer mit. Und wenn Herr Mühlhaus seine Stundenzahl erreicht hat, kann ich doch fahren.“

„Du bist Assi und nicht Fahrer.“

„Ein Assi muss auch fahren können. Außerdem fahre ich den Schlitten ausgesprochen gern.“

„Und wer arbeitet dann mit mir, wenn Du fährst? Mühlhaus?“

„Wie oft arbeiten wir noch auf der Rückfahrt, Chef? Meist arbeite nur ich und haue schon die Besprechungsergebnisse ins Laptop. Während Sie pennen.“

„Irmi, jetzt ist er nicht nur frech, sondern unverschämt?“

„Chef, Sie haben aber mal gesagt, dass ich erst gefeuert werde, wenn ich aufsässig bin. Davon bin ich meilenweit entfernt.“

„Und Du meinst, jetzt hättest Du das Problem gelöst?“

„Nö. Das meine ich nicht, sondern es ist so gelöst.“

Irmi Hermann konnte nicht mehr, sie musste einfach laut lachen.

„Ewald, da kannst Du schwer gegenhalten. Und Hertha kommt mit Mühlhaus auch bestens klar.“

Fietje verspürte Oberwasser.

„Hat Frau Hermann Recht. Wenn Ihre Frau den Mühlhaus auch nur gelegentlich braucht, meist geigt sie ja mit ihrem kleinen Mini durch die Gegend. Mühlhaus darf sie doch immer nur dann chauffieren, wenn sie in ihren Damen-Club fährt. Obwohl unsere Karre da immer wie ‚arme Leute‘ wirkt. Ich glaube Chef, die Männer von den anderen Frauen verdienen so viel mehr als Sie, dass Sie da vergleichsweise wie Hartz IV dastehen?“

„Irmi, der Junge ist gerade sowas von frech – muss ich mir das gefallen lassen?“

„Och lass mal, der sagt doch nur, was die Wahrheit ist. Also vergleichsweise zu dem A. von der einen großen Bank, bist Du wirklich ein armer Schlucker.“

Mertens musste nun auch lachen.

„Also Du würdest dann wirklich immer einspringen?“

„Klar. Ehe der Mühlhaus todunglücklich wird.“

„Dann fahr jetzt runter und sag ihm, was wir gerade beschlossen haben. Wetten, dass er daraufhin unsere blitzblanke Luxuslimousine noch ein bisschen blanker putzt?“

„Tu’s nicht Fietje, die Wette verlierst Du!“

„Und jetzt muss ich kalten Café trinken.“

„Ach Du meine Güte, den hab ich jetzt ganz vergessen. Der ist ohnehin übergekocht. Mach Euch einen Neuen.“

„Mir machst Du einen Neuen. Der Bengel da kann warten.“

Mühlhaus strahlte vor Freude und musste wieder ein paar Tränchen vergießen, als Fietje ihm die frohe Botschaft verkündete.

„Also bleibt alles so, wie bisher?“

„Nicht ganz, Herr Mühlhaus, denn wenn sie müde sind, werde ich Sie in Zukunft fahren.“

„Sie Herr Fietje, das werde ich Ihnen nie vergessen.“

„Das ist so ok. Sie haben mich ja auch schon mal gerettet.

Heute habe ich ‚heimgezahlt.“

„Hm?“

„Na, mit dem Ohrring vor ein paar Monaten.“

Mühlhaus lächelte jetzt.

„Ach ja, ich erinnere mich. Und die Batterie war fast leer, da hattet Ihr die Standheizung wohl zu lange laufen lassen.“

Drei Monate später – es war der 2. September – waren sie am Spätnachmittag aus Berlin zurückgekommen. Mertens schaute noch kurz im Büro vorbei, Fietje wollte ohnehin noch arbeiten.

Irmi Hermann begrüßte sie.

„Da hat eben ein Staatssekretär aus dem Auswärtigen Amt angerufen – er bittet um Rückruf.“

„Dann verbinde mich mal.“

Fünf Minuten später stand er bei Irmi.

„Mir bleibt aber auch nichts erspart. Wir müssen heute Abend noch nach Larnaca. Der zypriotische Finanzminister steht wohl unter Druck, hatte seinen Kollegen bei uns angerufen, der hat das Auswärtige Amt eingeschaltet und nun haben wir den Salat. Sag Fietje schon mal Bescheid und buch die Flüge für uns. Wie immer. Ich fahr mal schnell nach Hause. Mich frisch machen. Und mal sehen, ob Hertha mich noch erkennt, wo wir jetzt dauernd unterwegs sind.“

„Hoffentlich bekomme ich noch zwei Flüge.“

„Machst Du notfalls übers Vorzimmer von Franz. Weißt schon, meinem Kollegen von der LH. Hotel brauchen wir nicht, wir werden abgeholt und nächtigen in einem Gästehaus der Regierung.“

Um 21.45 Uhr startete die Maschine in Frankfurt.

Umwege zu R.

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